Bildung geht alle etwas an
Es ist eher ruhig gewesen im vergangenen Jahr um die Bildungspolitik. Nun, es gab die Pandemie und die sanitäre Krise hat das Ministerium, die Schulen, die Direktionen, aber auch die Familien ganz schön auf Trab gehalten. Dass Wichtiges liegen geblieben ist, kann man aber nicht auf die Pandemie schieben. Schließlich fand Bildungsminister Claude Meisch (DP) mitten in der Krise Zeit, zwei Gesetzentwürfe auszuarbeiten, von denen niemand etwas ahnte und die für einen riesigen Eklat gesorgt haben. Beide sahen vor, leitende Funktionen im Bildungswesen für Vertreter aus der Privatwirtschaft zu öffnen. Es kam zu einem großen Aufstand und Meisch musste den Entwurf über den erleichterten Zugang zu Direktionsposten in vier spezialisierten Lyzeen, der kurz vor der Verabschiedung im Parlament stand, zurückziehen.
Ein weiteres Vorhaben, mit dem der Minister alle überrascht hat, ist die Verlängerung der Schulpflicht. Auch sie steht nicht im Regierungsprogramm, wurde mit niemandem abgesprochen, geschweige denn öffentlich diskutiert. Dabei hatte Meisch genau das versprochen: einen Bildungstisch mit Vertretern aus der gesamten Gesellschaft, an dem die großen Leitlinien der Bildungspolitik diskutiert werden sollen, wie es im Regierungsprogramm heißt. Denn: „Die Bildungspolitik kann nicht allein dem Bildungsminister überlassen werden.“Sieh einer an.
Der Bildungstisch hat nie das Licht der Welt erblickt. Stattdessen wurden zahlreiche andere Gremien geschaffen wie das Observatoire national de la qualité scolaire, oder der Conseil supérieur de l'éducation nationale wiederbelebt. Die Gremien tagen regelmäßig, das Observatoire veröffentlicht Berichte über die Qualität des Bildungssystems und benennt Probleme. Das tut auch der nationale Bildungsbericht der Uni Luxemburg. Doch die Feststellungen führen nicht zu einer gesellschaftlichen Debatte darüber, was zu tun ist, um die Dinge zu verbessern.
Zwar setzt Claude Meisch immer wieder punktuelle bildungspolitische Akzente. Aber sie sind nicht eingebettet in eine gesamtgesellschaftliche Reflexion, sondern werden als fertige Ideen unterbreitet, die die beratenden Gremien begutachten, aber nicht aktiv mitgestalten dürfen. Meischs Bildungspolitik ist und war nie das Ergebnis eines partizipativen Prozesses. Weiterhin ist unklar, inwiefern die bisherigen Reformen ihr Ziel – bessere Bildungschancen für alle – erreicht haben. Was hat die sprachliche Frühförderung gebracht? Welche Erkenntnisse zieht man aus den internationalen Schulen?
Eine breite Debatte wäre gerade jetzt vor dem Hintergrund der Pandemie, der sich verschärfenden Bildungsungleichheiten und angehäuften Defizite sowie der Feststellung im ersten nationalen Bericht über das Wohlbefinden von Kindern, dass diese sich über mangelnde Mitbestimmung im Alltag beklagen, sehr wichtig. Eine zweiwöchige Summer school, eine kostenlose Ganztags- und Hausaufgabenbetreuung in den Maisons relais sowie die Bereitstellung von Informationsmaterial zur Stärkung der Teilhabe von Kindern können nicht die einzige Antwort auf diese Probleme sein.
Meischs Politik ist und war nie das Ergebnis eines partizipativen Prozesses.
Kontakt: michele.gantenbein@wort.lu