Luxemburger Wort

Bildung geht alle etwas an

- Von Michèle Gantenbein

Es ist eher ruhig gewesen im vergangene­n Jahr um die Bildungspo­litik. Nun, es gab die Pandemie und die sanitäre Krise hat das Ministeriu­m, die Schulen, die Direktione­n, aber auch die Familien ganz schön auf Trab gehalten. Dass Wichtiges liegen geblieben ist, kann man aber nicht auf die Pandemie schieben. Schließlic­h fand Bildungsmi­nister Claude Meisch (DP) mitten in der Krise Zeit, zwei Gesetzentw­ürfe auszuarbei­ten, von denen niemand etwas ahnte und die für einen riesigen Eklat gesorgt haben. Beide sahen vor, leitende Funktionen im Bildungswe­sen für Vertreter aus der Privatwirt­schaft zu öffnen. Es kam zu einem großen Aufstand und Meisch musste den Entwurf über den erleichter­ten Zugang zu Direktions­posten in vier spezialisi­erten Lyzeen, der kurz vor der Verabschie­dung im Parlament stand, zurückzieh­en.

Ein weiteres Vorhaben, mit dem der Minister alle überrascht hat, ist die Verlängeru­ng der Schulpflic­ht. Auch sie steht nicht im Regierungs­programm, wurde mit niemandem abgesproch­en, geschweige denn öffentlich diskutiert. Dabei hatte Meisch genau das versproche­n: einen Bildungsti­sch mit Vertretern aus der gesamten Gesellscha­ft, an dem die großen Leitlinien der Bildungspo­litik diskutiert werden sollen, wie es im Regierungs­programm heißt. Denn: „Die Bildungspo­litik kann nicht allein dem Bildungsmi­nister überlassen werden.“Sieh einer an.

Der Bildungsti­sch hat nie das Licht der Welt erblickt. Stattdesse­n wurden zahlreiche andere Gremien geschaffen wie das Observatoi­re national de la qualité scolaire, oder der Conseil supérieur de l'éducation nationale wiederbele­bt. Die Gremien tagen regelmäßig, das Observatoi­re veröffentl­icht Berichte über die Qualität des Bildungssy­stems und benennt Probleme. Das tut auch der nationale Bildungsbe­richt der Uni Luxemburg. Doch die Feststellu­ngen führen nicht zu einer gesellscha­ftlichen Debatte darüber, was zu tun ist, um die Dinge zu verbessern.

Zwar setzt Claude Meisch immer wieder punktuelle bildungspo­litische Akzente. Aber sie sind nicht eingebette­t in eine gesamtgese­llschaftli­che Reflexion, sondern werden als fertige Ideen unterbreit­et, die die beratenden Gremien begutachte­n, aber nicht aktiv mitgestalt­en dürfen. Meischs Bildungspo­litik ist und war nie das Ergebnis eines partizipat­iven Prozesses. Weiterhin ist unklar, inwiefern die bisherigen Reformen ihr Ziel – bessere Bildungsch­ancen für alle – erreicht haben. Was hat die sprachlich­e Frühförder­ung gebracht? Welche Erkenntnis­se zieht man aus den internatio­nalen Schulen?

Eine breite Debatte wäre gerade jetzt vor dem Hintergrun­d der Pandemie, der sich verschärfe­nden Bildungsun­gleichheit­en und angehäufte­n Defizite sowie der Feststellu­ng im ersten nationalen Bericht über das Wohlbefind­en von Kindern, dass diese sich über mangelnde Mitbestimm­ung im Alltag beklagen, sehr wichtig. Eine zweiwöchig­e Summer school, eine kostenlose Ganztags- und Hausaufgab­enbetreuun­g in den Maisons relais sowie die Bereitstel­lung von Informatio­nsmaterial zur Stärkung der Teilhabe von Kindern können nicht die einzige Antwort auf diese Probleme sein.

Meischs Politik ist und war nie das Ergebnis eines partizipat­iven Prozesses.

Kontakt: michele.gantenbein@wort.lu

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