„Eine erstaunliche Kriegsführung zum kleinen Preis“
Warum die russische Armee jetzt iranische Drohnen kauft – und womöglich schon bald einen iranischen Satelliten nutzen könnte
Es war am 8. Juni dieses Jahres, als amerikanische Aufklärungssatelliten eine russische Militärdelegation auf einem iranischen Drohnenstützpunkt bei Kerman entdeckten und fotografierten. Auf der Basis im Zentral-Iran sind Drohnen der „Ababil-Familie“stationiert, die der Iran seit 2012 in großen Stückzahlen produziert und in Staaten wie Venezuela, Sudan exportiert sowie an die Nahost-Verbündeten Syrien, Irak, Libanon (Hisbollah) und Jemen (kostenlos) liefert.
Nach US-Erkenntnissen sollen sich die Russen vor allem für die Ababil-3 interessiert haben. Die mit einem Nachtsichtgerät ausgestattete Drohne wird von einem Katapult aus gestartet und hat, bei einer maximalen Flugdauer von acht Stunden, einen Einsatzradius von knapp 200 Kilometern. Das mit zwei 30-Kilo-Bomben ausgestattete Flugobjekt ähnelt der russischen Orion-10-Drohne, die die russischen Streitkräfte in der Ukraine in großer Zahl verloren haben. Allerdings ist die russische Rüstungsindustrie inzwischen nicht mehr in der Lage, der Armee ausreichend Ersatz bereitzustellen. Moskaus Hinwendung zum Iran sei daher keine Überraschung gewesen, erklärt Uzi Rubin.
Iranische Drohnen, behauptet der israelische Verteidigungsexperte, seien „genauso fortschrittlich wie westliche oder chinesische Modelle“. Angesichts des in der Ukraine entstandenen russischen Mangels könnten sie die nun entstandene „quantitative Lücke füllen“.
Immer raffiniertere Modelle
Nach einem Bericht des renommierten amerikanischen Instituts für Kriegsstudien (ISW), das sich auf britische und ukrainische Geheimdienstquellen beruft, sollen in der letzten Juliwoche mindestens 46 iranische Ababil-3-Drohnen nach Russland geliefert worden sein. Bis zu 250 weitere Mehrzweck-Luftfahrzeuge (UAV) sollen noch folgen. „Die kampferprobten Systeme“könnten Putins Armee einen „wichtigen Fähigkeitszuwachs bieten“, zitiert das katarische Newsportal „Arab News“den amerikanischen Rüstungsfachmann N.R. Jenzen-Jones.
„In Iran erhält man heute eine erstaunliche Kriegsführung zu einem kleinen Preis“, betont der in Jerusalem lebende Verteidigungsanalyst und Drohnenexperte Seth Frantzmann. Iranische Drohnen kosteten weniger als andere Modelle auf dem Markt, würden aber immer raffinierter. Überdies hätten sie sich auf den Schlachtfeldern im Nahen Osten, also im Libanon, Syrien, Jemen sowie im Gazastreifen, bereits bewährt.
Und nicht nur dort: Als der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed im letzten Jahr einen Militärflugplatz an der Frontlinie mit den Tigray-Rebellen besuchte, entdeckten Online-Ermittler auf den Fotos eine iranische Drohne vom Typ Mohajer-6, ausgestattet mit Luft-Boden-Raketen. Der Export war legal: Ein Embargo der Vereinten Nationen, das Iran am Verkauf und Kauf von Waffen hindern sollte, lief – trotz Protesten der USA – vor zwei Jahren aus. Alle rechtlichen Hindernisse zum Export von Drohnen seien damit beseitigt, glaubt Seth Frantzmann, und der Iran könne seinen Status als ein „Global Player in der Drohnentechnologie“weiter festigen.
„Eine Vernunftehe“
Iran hatte Anfang der 80er-Jahre, als sich das Land im Krieg mit dem Irak befand, mit der Entwicklung von Drohnen begonnen. Mit den Mehrzweck-Luftfahrzeugen versucht Teheran den eklatanten Mangel an modernen Kampfflugzeugen auszugleichen. Iranische Drohnen, darunter die Ababil-3, werden seit einigen Monaten auch in Tadschikistan hergestellt. Verteidigungsanalysten,
wie James Rogers von der London School of Economics, bezeichnen die militärische Zusammenarbeit zwischen Iran und Russland „zum jetzigen Zeitpunkt als eine Vernunftehe“.
Anzeichen, dass sich dies ändern könnte, gibt es aber bereits: So brachte eine russische SojusRakete am Dienstag einen iranischen Satelliten in die Erdumlaufbahn. Der nach dem persischen Wissenschaftler Omar Chajjam benannte Raumflugkörper soll, so Teheran, „zur Umweltüberwachung“eingesetzt werden und „vollständig unter iranischer Kontrolle“bleiben.
Beobachter in der Region befürchten jedoch, dass Russland das System für die Überwachung der Ukraine einsetzen könnte. Der geglückte Raketenstart, den das iranische Fernsehen live übertragen hatte, wurde in Moskau als ein „Meilenstein in der Kooperation zwischen Moskau und Teheran“gewürdigt.