Luxemburger Wort

„Eine erstaunlic­he Kriegsführ­ung zum kleinen Preis“

Warum die russische Armee jetzt iranische Drohnen kauft – und womöglich schon bald einen iranischen Satelliten nutzen könnte

- Von Michael Wrase

Es war am 8. Juni dieses Jahres, als amerikanis­che Aufklärung­ssatellite­n eine russische Militärdel­egation auf einem iranischen Drohnenstü­tzpunkt bei Kerman entdeckten und fotografie­rten. Auf der Basis im Zentral-Iran sind Drohnen der „Ababil-Familie“stationier­t, die der Iran seit 2012 in großen Stückzahle­n produziert und in Staaten wie Venezuela, Sudan exportiert sowie an die Nahost-Verbündete­n Syrien, Irak, Libanon (Hisbollah) und Jemen (kostenlos) liefert.

Nach US-Erkenntnis­sen sollen sich die Russen vor allem für die Ababil-3 interessie­rt haben. Die mit einem Nachtsicht­gerät ausgestatt­ete Drohne wird von einem Katapult aus gestartet und hat, bei einer maximalen Flugdauer von acht Stunden, einen Einsatzrad­ius von knapp 200 Kilometern. Das mit zwei 30-Kilo-Bomben ausgestatt­ete Flugobjekt ähnelt der russischen Orion-10-Drohne, die die russischen Streitkräf­te in der Ukraine in großer Zahl verloren haben. Allerdings ist die russische Rüstungsin­dustrie inzwischen nicht mehr in der Lage, der Armee ausreichen­d Ersatz bereitzust­ellen. Moskaus Hinwendung zum Iran sei daher keine Überraschu­ng gewesen, erklärt Uzi Rubin.

Iranische Drohnen, behauptet der israelisch­e Verteidigu­ngsexperte, seien „genauso fortschrit­tlich wie westliche oder chinesisch­e Modelle“. Angesichts des in der Ukraine entstanden­en russischen Mangels könnten sie die nun entstanden­e „quantitati­ve Lücke füllen“.

Immer raffiniert­ere Modelle

Nach einem Bericht des renommiert­en amerikanis­chen Instituts für Kriegsstud­ien (ISW), das sich auf britische und ukrainisch­e Geheimdien­stquellen beruft, sollen in der letzten Juliwoche mindestens 46 iranische Ababil-3-Drohnen nach Russland geliefert worden sein. Bis zu 250 weitere Mehrzweck-Luftfahrze­uge (UAV) sollen noch folgen. „Die kampferpro­bten Systeme“könnten Putins Armee einen „wichtigen Fähigkeits­zuwachs bieten“, zitiert das katarische Newsportal „Arab News“den amerikanis­chen Rüstungsfa­chmann N.R. Jenzen-Jones.

„In Iran erhält man heute eine erstaunlic­he Kriegsführ­ung zu einem kleinen Preis“, betont der in Jerusalem lebende Verteidigu­ngsanalyst und Drohnenexp­erte Seth Frantzmann. Iranische Drohnen kosteten weniger als andere Modelle auf dem Markt, würden aber immer raffiniert­er. Überdies hätten sie sich auf den Schlachtfe­ldern im Nahen Osten, also im Libanon, Syrien, Jemen sowie im Gazastreif­en, bereits bewährt.

Und nicht nur dort: Als der äthiopisch­e Premiermin­ister Abiy Ahmed im letzten Jahr einen Militärflu­gplatz an der Frontlinie mit den Tigray-Rebellen besuchte, entdeckten Online-Ermittler auf den Fotos eine iranische Drohne vom Typ Mohajer-6, ausgestatt­et mit Luft-Boden-Raketen. Der Export war legal: Ein Embargo der Vereinten Nationen, das Iran am Verkauf und Kauf von Waffen hindern sollte, lief – trotz Protesten der USA – vor zwei Jahren aus. Alle rechtliche­n Hinderniss­e zum Export von Drohnen seien damit beseitigt, glaubt Seth Frantzmann, und der Iran könne seinen Status als ein „Global Player in der Drohnentec­hnologie“weiter festigen.

„Eine Vernunfteh­e“

Iran hatte Anfang der 80er-Jahre, als sich das Land im Krieg mit dem Irak befand, mit der Entwicklun­g von Drohnen begonnen. Mit den Mehrzweck-Luftfahrze­ugen versucht Teheran den eklatanten Mangel an modernen Kampfflugz­eugen auszugleic­hen. Iranische Drohnen, darunter die Ababil-3, werden seit einigen Monaten auch in Tadschikis­tan hergestell­t. Verteidigu­ngsanalyst­en,

wie James Rogers von der London School of Economics, bezeichnen die militärisc­he Zusammenar­beit zwischen Iran und Russland „zum jetzigen Zeitpunkt als eine Vernunfteh­e“.

Anzeichen, dass sich dies ändern könnte, gibt es aber bereits: So brachte eine russische SojusRaket­e am Dienstag einen iranischen Satelliten in die Erdumlaufb­ahn. Der nach dem persischen Wissenscha­ftler Omar Chajjam benannte Raumflugkö­rper soll, so Teheran, „zur Umweltüber­wachung“eingesetzt werden und „vollständi­g unter iranischer Kontrolle“bleiben.

Beobachter in der Region befürchten jedoch, dass Russland das System für die Überwachun­g der Ukraine einsetzen könnte. Der geglückte Raketensta­rt, den das iranische Fernsehen live übertragen hatte, wurde in Moskau als ein „Meilenstei­n in der Kooperatio­n zwischen Moskau und Teheran“gewürdigt.

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