Luxemburger Wort

Frankreich sitzt auf dem Trockenen

Das Land erlebt die schlimmste Dürre seiner Geschichte – Krisenstab ins Leben gerufen

- Von Christine Longin (Paris)

Das Loire-Tal mit seinen Schlössern gehört zu den Höhepunkte­n einer Frankreich-Reise. Oder besser gesagt: gehörte, denn die Loire verschwind­et in diesem Sommer langsam. Der mehr als tausend Kilometer lange Fluss trocknet durch die Hitze aus. Statt eines stolzen Stroms ist zum Beispiel in Orléans nur noch ein kleines Bächlein zu sehen, das zu Fuß durchquert werden kann. „Soweit sich die Fischer erinnern, ist das noch nie so früh im Jahr passiert“, schreibt die Zeitung „Ouest France“. Die Ausflugsbo­ote auf dem längsten Wasserlauf Frankreich­s mussten bereits teilweise ihren Betrieb einstellen. In den nächsten Tagen dürfte die Loire ihren historisch­en Tiefstand erreichen.

In ganz Frankreich ist die Trockenhei­t in diesem Sommer historisch. Premiermin­isterin Élisabeth Borne sprach vergangene Woche von der schlimmste­n Dürre, die das Land je erlebte. Sie rief einen Krisenstab ins Leben, der die Wasservers­orgung managen soll. Mehr als hundert Gemeinden bekommen das Wasser bereits in Tanklaster­n geliefert, weil sie ihre Grundwasse­rvorräte aufgebrauc­ht haben. Ihre Zahl könnte sich bis Ende August auf 200 verdoppeln, denn eine vierte Hitzewelle soll das Land zum Ende der Woche erfassen. Der Präfekt des Nordteils von Korsika warnte davor, dass seine Region bis Ende August kein Wasser mehr haben werde, wenn nicht gespart werde.

Doch nicht nur die beliebten Urlaubsreg­ionen im Süden und Zentrum sind betroffen. Auch in der wegen ihres vielen Regens verschrien­en Bretagne fehlt es an Niederschl­ägen. In den beiden großen Städten Brest und Rennes regnete es seit mehr als einem Monat nicht mehr und auf der Ferieninse­l Molène wurde eine mobile Entsalzung­sanlage installier­t, um Einwohneri­nnen und Touristen mit Trinkwasse­r zu versorgen.

Mehr als 60 der 101 französisc­hen Départemen­ts haben bereits strikte Maßnahmen zum Wasserspar­en

verhängt. Dazu gehört das Verbot, landwirtsc­haftliche Flächen zu bewässern, private Swimming Pools zu füllen, sein Auto zu waschen, die Blumen zu gießen oder den Rasen zu sprengen. 1 500 Euro Geldstrafe werden fällig, wenn die Vorschrift­en missachtet werden. Allerdings gelten Ausnahmen für die Swimming Pools der Hotels, die in diesem ersten Sommer ohne Corona-Beschränku­ngen gut besucht sind, und für die Spielbahne­n der Golfplätze. Die dürfen zwischen 20 Uhr abends und 8 Uhr morgens bewässert werden – mit 80 Prozent der üblichen Menge. „Die Praktiken der Reichen werden geschützt“, schimpfte Éric Piolle, der grüne Bürgermeis­ter von Grenoble, im Kurznachri­chtendiens­t Twitter. Er forderte den zuständige­n Umweltstaa­tssekretär auf, die Ausnahme für Golfplätze rückgängig zu machen.

„Klimawande­l nicht am Ende

der Welt, sondern hier“

Auch die Einheimisc­hen reagierten verärgert auf die Sonderrege­lungen. In dem bei Touristen beliebten Ort Seillans rationiert­e Bürgermeis­ter René Ugo das Wasser auf 200 Liter pro Einwohner oder Einwohneri­n und Tag. „Die Leute wollen nicht erkennen, dass sich der Klimawande­l nicht am anderen Ende der Welt abspielt, sondern hier“, sagte Ugo. „Wir sind die ersten, die das in Frankreich erleben und das wird zur allgemeine­n Regel werden.“

Dabei machen die Privathaus­halte, die wie in Seillans nun sparen müssen, nur 24 Prozent des Wasserverb­rauchs aus. 48 Prozent des Wassers nutzt die durch die Dürre besonders stark betroffene Landwirtsc­haft und 22 Prozent gehen auf das Konto der Energiever­sorger. In erster Linie ist damit die Atomkraft gemeint, die in Frankreich 70 Prozent am Energiemix stellt. Da die Hitze Flüsse wie die Rhone stark aufheizt, müssen mehrere Atomkraftw­erke ihre Stromprodu­ktion drosseln. Sie haben nämlich nicht mehr genügend Kühlwasser zur Verfügung.

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Foto: AFP Die Loire dürfte in den kommenden Tagen einen neuen historisch­en Tiefstand erreichen. An einigen Stellen wie hier in Langeais kann man den sonst so übermächti­gen Strom derzeit zu Fuß überqueren.

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