Totgeglaubte leben länger
Wir waren mit vollem Elan in die Gartensaison gestartet, mein Sohn und ich. Am Anfang lief alles glatt. Die Sonnenblumen keimten nach nur zwei Tagen, der Mais brauchte etwas länger. Dann kam der Juni und mit ihm die Nacktschnecken.
Die stürzten sich auf die noch jungen Sonnenblumenpflanzen und hinterließen nur noch leere Stängel mit etwas Laub. Damit war uns die Freude am Gärtnern vergangen. Wir legten die Gießkanne beiseite und überließen den Weichtierchen das Feld. In der Folge beschäftigten wir uns mit schöneren Sachen. Wir hatten ja noch den Joker. Der Mais schoss schnell in die Höhe. Er verdeckte bald die Sicht auf die
Wir beschäftigten uns mit schöneren Sachen.
kahlen Sonnenblumen. Die Stängel herauszureißen, hatten wir nicht übers Herz gebracht. Schließlich hatte Sohnemann die Sonnenblumen ausgewählt. Den Mais hatte ich ausgesucht, weil er schneller und höher als das Unkraut wächst und wenig Wasser benötigt. Mittlerweile weiß ich auch, dass Nacktschnecken den Mais verschmähen.
Die Inkapflanze gefällt mir immer besser. Dann kam der Juli und mit ihm die Hitze. Den Gemüsegarten überließen wir größtenteils sich selbst, gegossen haben wir selten. Denn mit der Hitze kam auch die Trockenheit und Wassersparen wurde zum Thema. Ich begann zudem meinen Sohn moralisch auf eine Missernte vorzubereiten, setzte aber dennoch alle Hoffnungen auf die Trockenresistenz des Maises. Nun sind wir im August. Vor zwei Wochen wies der Sohn mich darauf hin, dass die Sonnenblumen blühen. Von Nacktschnecken keine
Spur. Entweder sind sie weitergezogen, als sie die Sonnenblumen abgegrast hatten oder sie sind in der Hitze vertrocknet. Auf jeden Fall haben die Sonnenblumen neue Blüten gebildet. Dem Mais geht es prächtig und es wird es wohl eine reiche Ernte geben. Jean-Philippe
vor allem auch rasten. Auf der Weide stehen Bäume und mehrere Flecken voller Sträucher, an den Rändern ist sie von Hecken und Waldstücken begrenzt.
Auf einem kleinen Areal in der Nähe einer Trockenmauer lässt Kass im Frühjahr Schafe weiden. Die Trockenmauer hat er unter anderem als Rückzugsort für Feuersalamander angelegt, sie dient aber auch verschiedenen Insekten als Lebensraum. „Wir halten die verschiedenen Grünstellen am Hof für unterschiedlich lange Zeit kurz, sodass verschiedene Pflanzen zu unterschiedlichen Zeiten blühen. Schließlich soll die Blütenpracht nicht einmal im Jahr für drei Wochen da sein und dann verschwinden.“
Zu den unterschiedlichen Habitaten am Hof zählt auch ein kleiner Bach, der früher auf dem Gebiet des Hofs verrohrt war. Kass hat ihn nach Übernahme des Geländes gleich offengelegt. „Als Landwirt habe ich viele Auflagen, zu denen auch das Offenlegen solcher Bachläufe gehört. Das hatten wir aber ohnehin gleich in Angriff genommen.“
Bei der Umsetzung anderer Naturschutzmaßnahmen sieht Kass ein Problem in der menschlichen Vorstellung von Ordnung oder Ordentlichkeit – sei es beim Bauern selbst oder beim Pächter, „der nicht zu viel Sträucher, Büsche oder Unkraut auf seinem Land haben möchte“.
Nährstoffe ohne Industriedünger Die bekanntesten Schutzmaßnahmen in der Bio-Landwirtschaft dürften der Verzicht auf das Spritzen von Pestiziden und das Verwenden von tierischem Dünger statt industrieller Düngemittel sein. Diese industriellen Dünger enthalten die für Pflanzen wichtigen Elemente Stickstoff, Phosphor und Kalium. „Phosphor ist eine erschöpfliche Ressource und wird langsam knapp. Die Landwirtschaft braucht zwingend eine Alternative“, betont Kass. Die Übernutzung von Phosphor könnte zukünftig zu einer größeren Krise führen.
Tierischer Dünger ist nicht die einzige Quelle für die Nährstoffe, die Pflanzen benötigen. So kann beispielsweise Stickstoff auch auf anderem Wege zugeführt werden. „Das schaffen wir durch einen Fruchtwechsel, das heißt, wir pflanzen auf einem Acker nicht immer Getreide an. Stattdessen haben wir mehrere Jahre, in denen sogenannte Leguminosen wie Klee oder Luzerne dort wachsen. Die nehmen Stickstoff aus der Luft und lagern ihn in zahlreichen Knöllchen unterirdisch ein. Nach einigen Jahren haben sie den Boden so mit genügend Stickstoff angereichert, um dort Getreide pflanzen zu können, das auf diese Vorräte zugreift.“
Wie Arendt und Weigand betont auch Kass mit seinen Beispielen, wie wichtig die Synergien des Ökosystems für dessen Funktionieren sind – und wie letztlich auch Menschen davon profitieren. Die
Förderung von Bio-Landwirtschaft und eine zurückhaltendere Urbanisierung, etwa indem möglichst wenige Flächen versiegelt werden und möglichst viele Flächen naturbelassen bleiben, helfen dabei natürlich auch, aber nicht nur den Insekten: Unberührte Natur ist mehr als nur ein touristisches Reklame-Schlagwort, und in den vielen Ökosystemen Luxemburgs spielen Insekten eine unersetzliche Rolle.