Was man gegen das Insektensterben tun kann
Ein Blick auf Ursachen und Gegenmaßnahmen im Großherzogtum
Luxemburg. Dr. Alexander Weigand steht im Naturmuseum vor einem Setzkasten mit verschiedenen Bienenarten und zeigt auf unterschiedlichste Exemplare, um den Artenreichtum zu verdeutlichen. Einige Exemplare sind mehrere Zentimeter große Hummeln. Andere Arten sind so klein und unscheinbar, dass man sie auch für Fliegen halten könnte. „In Luxemburg gibt es nach unserem Wissensstand allein 350 Arten von Wildbienen“, erklärt Weigand. „Ebenso wie Schmetterlinge, Schwebfliegen und manche Käfer bestäuben sie auf der Pollensuche teilweise ganz bestimmte Blütenpflanzen.“
Die Ursachen des Insektensterbens Gerade die offenen Landschaften im Landessüden beherbergen eine Vielzahl unterschiedlicher Insekten. Die zunehmende Urbanisierung schränkt die Lebensräume der Tiere dort aber immer mehr ein.
„Untersuchungen zeigen, dass der bei Weitem größte negative Einfluss auf die Biomasse und Vielfalt der Insekten auf Folgen der Landwirtschaft zurückzuführen sind, gefolgt von der Verstädterung“, sagt Weigand. „Daraus folgt ja nicht, dass Landwirte durch ihre Form der Bewirtschaftung ein Insektensterben herbeiführen wollen. Besonders konventionelle Landwirte tragen jedoch de facto dazu bei. Anreize durch die Regierung zu umweltschonenderem Wirtschaften sind wichtig und werden teilweise bereits gesetzt.“
Alexandra Arendt, Biologin und Mitglied im Luxemburger Landesverband für Bienenzucht, weist darauf hin, dass Dünge- und Spritzmittel Insekten sowohl direkt als auch indirekt schädigen: „Insekten leiden auch unter fehlenden Blütenpflanzen.“
Diese Pflanzen bevorzugen oft magere Böden. Daher wachsen sie nicht auf stark gedüngten Flächen. Auch Arendt möchte nicht allein die Landwirtschaft in die Verantwortung nehmen, zumal es auch Bauern gibt, die weniger bis gar keinen chemischen Kunstdünger einsetzen oder spritzen.
Betrifft das Sterben alle Insekten? Weigand fordert bei der Auseinandersetzung mit dem „buzz word“Insektensterben differenziertes Denken. Schließlich gehe es nicht allen Arten schlecht. Wenn eine Art selten auftauche, könne das viele Gründe haben. „Es kann sein, dass wir eine Art im Moment noch selten beobachten, weil sie mit steigenden Temperaturen gerade erst bei uns heimisch wird – eine Auswirkung des Klimawandels.“Über die Landesgrenze hinweg gehe es der Art möglicherweise gut und sie komme in Frankreich schon sehr häufig vor.
Aber auch das Gegenteil kann der Fall sein, zum Beispiel bei Hirschkäfern. Die kamen in Luxemburg vor allem im nördlichen Teil des Landes vor, wo viele Wälder stehen, denn sie sind auf Totholz als Nahrungsquelle angewiesen.
„Wir Menschen wollen es immer ‚ordentlich‘ haben: Wir mähen den Rasen und entfernen Totholz aus dem Wald. Vielfalt herrscht aber nicht da vor, wo alles ordentlich gestutzt ist, sondern dort, wo Natur ihren Freiraum
hat. Daher bin ich froh, dass inzwischen wieder ein Umdenken stattfindet und zum Beispiel Totholz auch mal im Wald belassen wird. Vielleicht kehrt der Hirschkäfer ja bald aus Deutschland nach Luxemburg zurück“, fügt Weigand hinzu.
Ein funktionierendes Ökosystem
Artenvielfalt und ausreichende Bestände an Insekten haben nicht nur einen ideellen Wert. Insekten spielen wichtige Rollen in den Ökosystemen, in denen sie leben. Diese positiven Aspekte nehmen wir vielleicht gar nicht wahr, bis die Tiere nicht mehr da sind.
„Bienen sind natürlich ein Aushängeschild der Insekten“, schmunzelt Arendt. „Viele andere Insekten sind leider eher unbeliebt. Dabei sind sie so wertvoll für die Ökosysteme, in denen sie leben. Aber um sie kümmern sich, anders als um die vielen Honigbienen, keine Imker.“
Auch Weigand betont den Nutzen der kleinen Sechsbeiner: „Viele Leute nutzen gern Naherholungsmöglichkeiten in Parks, und ein wichtiger Teil der Natur sind Insekten, die als ÖkosystemDienstleister Pflanzen bestäuben, Überpopulationen durch Befall oder Fraß eindämmen, in Gewässern filtrieren und vieles mehr. Es ist ein kompliziertes System, das hinter der Kulisse der Natur steckt, und von dem Sie oft erst etwas mitbekommen, wenn es aus dem Gleichgewicht gerät.“
Viele Insekten sind unbeliebt. Dabei sind sie wertvoll für die Ökosysteme, in denen sie leben. Alexandra Arendt, Biologin
Insekten brauchen „Straßen“Arendt ist dem Landesverband für Bienenzucht beigetreten, um ihre Perspektive als Naturschützerin dort einzubringen. „Ich habe das Gefühl, dass in letzter Zeit viele neue Züchter beigetreten sind, weil auf die Honigbiene aufmerksam gemacht wurde, und diese Leute der Natur näher sein und etwas für den Naturschutz machen wollen.“Sie sieht viele mögliche Maßnahmen für den Schutz von Umwelt und Insekten – auch, aber nicht nur in der Landwirtschaft.
Zwar hat Luxemburg die prozentual höchste Landesfläche an Naturschutzarealen Europas – leider aber auch die fragmentierteste. Ein Austausch zwischen den „Naturinseln“kann daher oft nicht stattfinden. „So, wie es bereits Tunnel unter Straßen oder grüne Brücken über Straßen gibt, wären entsprechend bepflanzte Naturkorridore eine gute Möglichkeit für den effektiven Austausch zwischen Insektenpopulationen“, so Weigand.
Solche Naturkorridore in Form von Hecken, Sträuchern und Waldstrichen kommen in einer fragmentierten Kulturlandschaft voller Äcker und Weiden nicht unbedingt vor.
Eine Weide mit Wohlfühlwert
Ein positives Gegenbeispiel nahe der Hauptstadt bietet der „Kass Haff“. Bio-Landwirt Tom Kass lässt seine Kühe zum Beispiel auf einer großen Weide grasen und