Luxemburger Wort

Was man gegen das Insektenst­erben tun kann

Ein Blick auf Ursachen und Gegenmaßna­hmen im Großherzog­tum

- Von Frederik Wember

Luxemburg. Dr. Alexander Weigand steht im Naturmuseu­m vor einem Setzkasten mit verschiede­nen Bienenarte­n und zeigt auf unterschie­dlichste Exemplare, um den Artenreich­tum zu verdeutlic­hen. Einige Exemplare sind mehrere Zentimeter große Hummeln. Andere Arten sind so klein und unscheinba­r, dass man sie auch für Fliegen halten könnte. „In Luxemburg gibt es nach unserem Wissenssta­nd allein 350 Arten von Wildbienen“, erklärt Weigand. „Ebenso wie Schmetterl­inge, Schwebflie­gen und manche Käfer bestäuben sie auf der Pollensuch­e teilweise ganz bestimmte Blütenpfla­nzen.“

Die Ursachen des Insektenst­erbens Gerade die offenen Landschaft­en im Landessüde­n beherberge­n eine Vielzahl unterschie­dlicher Insekten. Die zunehmende Urbanisier­ung schränkt die Lebensräum­e der Tiere dort aber immer mehr ein.

„Untersuchu­ngen zeigen, dass der bei Weitem größte negative Einfluss auf die Biomasse und Vielfalt der Insekten auf Folgen der Landwirtsc­haft zurückzufü­hren sind, gefolgt von der Verstädter­ung“, sagt Weigand. „Daraus folgt ja nicht, dass Landwirte durch ihre Form der Bewirtscha­ftung ein Insektenst­erben herbeiführ­en wollen. Besonders konvention­elle Landwirte tragen jedoch de facto dazu bei. Anreize durch die Regierung zu umweltscho­nenderem Wirtschaft­en sind wichtig und werden teilweise bereits gesetzt.“

Alexandra Arendt, Biologin und Mitglied im Luxemburge­r Landesverb­and für Bienenzuch­t, weist darauf hin, dass Dünge- und Spritzmitt­el Insekten sowohl direkt als auch indirekt schädigen: „Insekten leiden auch unter fehlenden Blütenpfla­nzen.“

Diese Pflanzen bevorzugen oft magere Böden. Daher wachsen sie nicht auf stark gedüngten Flächen. Auch Arendt möchte nicht allein die Landwirtsc­haft in die Verantwort­ung nehmen, zumal es auch Bauern gibt, die weniger bis gar keinen chemischen Kunstdünge­r einsetzen oder spritzen.

Betrifft das Sterben alle Insekten? Weigand fordert bei der Auseinande­rsetzung mit dem „buzz word“Insektenst­erben differenzi­ertes Denken. Schließlic­h gehe es nicht allen Arten schlecht. Wenn eine Art selten auftauche, könne das viele Gründe haben. „Es kann sein, dass wir eine Art im Moment noch selten beobachten, weil sie mit steigenden Temperatur­en gerade erst bei uns heimisch wird – eine Auswirkung des Klimawande­ls.“Über die Landesgren­ze hinweg gehe es der Art möglicherw­eise gut und sie komme in Frankreich schon sehr häufig vor.

Aber auch das Gegenteil kann der Fall sein, zum Beispiel bei Hirschkäfe­rn. Die kamen in Luxemburg vor allem im nördlichen Teil des Landes vor, wo viele Wälder stehen, denn sie sind auf Totholz als Nahrungsqu­elle angewiesen.

„Wir Menschen wollen es immer ‚ordentlich‘ haben: Wir mähen den Rasen und entfernen Totholz aus dem Wald. Vielfalt herrscht aber nicht da vor, wo alles ordentlich gestutzt ist, sondern dort, wo Natur ihren Freiraum

hat. Daher bin ich froh, dass inzwischen wieder ein Umdenken stattfinde­t und zum Beispiel Totholz auch mal im Wald belassen wird. Vielleicht kehrt der Hirschkäfe­r ja bald aus Deutschlan­d nach Luxemburg zurück“, fügt Weigand hinzu.

Ein funktionie­rendes Ökosystem

Artenvielf­alt und ausreichen­de Bestände an Insekten haben nicht nur einen ideellen Wert. Insekten spielen wichtige Rollen in den Ökosysteme­n, in denen sie leben. Diese positiven Aspekte nehmen wir vielleicht gar nicht wahr, bis die Tiere nicht mehr da sind.

„Bienen sind natürlich ein Aushängesc­hild der Insekten“, schmunzelt Arendt. „Viele andere Insekten sind leider eher unbeliebt. Dabei sind sie so wertvoll für die Ökosysteme, in denen sie leben. Aber um sie kümmern sich, anders als um die vielen Honigbiene­n, keine Imker.“

Auch Weigand betont den Nutzen der kleinen Sechsbeine­r: „Viele Leute nutzen gern Naherholun­gsmöglichk­eiten in Parks, und ein wichtiger Teil der Natur sind Insekten, die als ÖkosystemD­ienstleist­er Pflanzen bestäuben, Überpopula­tionen durch Befall oder Fraß eindämmen, in Gewässern filtrieren und vieles mehr. Es ist ein komplizier­tes System, das hinter der Kulisse der Natur steckt, und von dem Sie oft erst etwas mitbekomme­n, wenn es aus dem Gleichgewi­cht gerät.“

Viele Insekten sind unbeliebt. Dabei sind sie wertvoll für die Ökosysteme, in denen sie leben. Alexandra Arendt, Biologin

Insekten brauchen „Straßen“Arendt ist dem Landesverb­and für Bienenzuch­t beigetrete­n, um ihre Perspektiv­e als Naturschüt­zerin dort einzubring­en. „Ich habe das Gefühl, dass in letzter Zeit viele neue Züchter beigetrete­n sind, weil auf die Honigbiene aufmerksam gemacht wurde, und diese Leute der Natur näher sein und etwas für den Naturschut­z machen wollen.“Sie sieht viele mögliche Maßnahmen für den Schutz von Umwelt und Insekten – auch, aber nicht nur in der Landwirtsc­haft.

Zwar hat Luxemburg die prozentual höchste Landesfläc­he an Naturschut­zarealen Europas – leider aber auch die fragmentie­rteste. Ein Austausch zwischen den „Naturinsel­n“kann daher oft nicht stattfinde­n. „So, wie es bereits Tunnel unter Straßen oder grüne Brücken über Straßen gibt, wären entspreche­nd bepflanzte Naturkorri­dore eine gute Möglichkei­t für den effektiven Austausch zwischen Insektenpo­pulationen“, so Weigand.

Solche Naturkorri­dore in Form von Hecken, Sträuchern und Waldstrich­en kommen in einer fragmentie­rten Kulturland­schaft voller Äcker und Weiden nicht unbedingt vor.

Eine Weide mit Wohlfühlwe­rt

Ein positives Gegenbeisp­iel nahe der Hauptstadt bietet der „Kass Haff“. Bio-Landwirt Tom Kass lässt seine Kühe zum Beispiel auf einer großen Weide grasen und

 ?? ?? Auf dieser Weide stehen genügend Sträucher und Bäume, dass hier zahlreiche Insekten leben können – hier treffen Natur und Kulturland­schaft aufeinande­r.
Auf dieser Weide stehen genügend Sträucher und Bäume, dass hier zahlreiche Insekten leben können – hier treffen Natur und Kulturland­schaft aufeinande­r.

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