Auf der Suche nach Spaß
Julie Meynens Schwimmkarriere stand auf der Kippe, nun kämpft sie sich bei der EM zurück
Die Europameisterschaften in Rom sind wichtig für Julie Meynen. Und das nicht, weil die 24 Jahre alte Schwimmerin ein gutes Ergebnis braucht, sondern, weil Meynen darauf hofft, bei ihrem Rennen in der italienischen Hauptstadt wieder richtig Spaß zu haben. „Das Training ist nicht immer so toll, aber solange mir der Wettkampf Spaß macht, ist alles in Ordnung“, gibt die Luxemburgerin einen Einblick in ihre Gefühlslage.
Denn in vielerlei Hinsicht befindet sich Meynen im Aufbau. Bei den kontinentalen Titelkämpfen startet sie deshalb nur über 50 m Freistil und in der Mixed-Staffel (beides am Montag). „Die 100 m individuell lasse ich weg, weil ich noch nicht genug trainiert habe, um da mitzuhalten“, stellt die Sprintspezialistin klar. Denn Meynen ist erst seit etwa neun Wochen wieder im Wasser unterwegs. Zuvor hatte sie fünf Monate Pause gemacht – eine Ewigkeit für eine Schwimmerin.
Entlastendes Gespräch
Meynens Entschluss war kein Schnellschuss. Die Entscheidung, dass Körper und Geist einen Neustart brauchen, reifte bereits seit langer Zeit. „Seit 2020 und Corona ging es bergab“, verrät sie. Nach den Olympischen Spielen in Tokio und ihrer Zeit in den USA kehrte sie nach Luxemburg zurück, um mehr Planungssicherheit für ihre sportliche und berufliche Karriere zu haben. Doch weil schwimmen und leben in den USA etwas anderes bedeutet als im Großherzogtum, fiel Meynen in ein Loch.
„Ich habe gemerkt, dass es mir schwer fällt, weiterzumachen“, erzählt die 24-Jährige. Nach der enttäuschenden Kurzbahn-WM in Abu Dhabi im Dezember vertraute sie sich ihrem Trainer an. „Ich habe ihm gesagt, dass es jetzt genug ist. Das hat lange gedauert, weil ich mich vorher zwei Jahre durchgekämpft hatte. Das Gespräch hat mir gutgetan, hat mich entlastet.“
Drei Monate lang hatte Meynen mit dem Schwimmbecken nichts zu tun. Erst als ihr Club SCDE um Unterstützung bat, kam die Lust zurück. „Es war schwierig, das Schwimmen zu sehen und nicht dabei zu sein“, erläutert die COSLElitesportlerin. „Jeden Tag ins Becken zu steigen macht nicht immer Spaß, aber ich habe gemerkt, dass ich ohne das Schwimmen auch nicht leben kann.“Klar ist: Die Pause hat Julie Meynen gutgetan. „Ich habe wieder angefangen, weil ich wirklich Lust hatte“, sagt sie. „Die Motivation ist noch da.“Doch sie gesteht: „Am Anfang wusste ich nicht, ob ich jemals wieder zurückkommen werde.“
Nun ist Meynen zurück, doch eine Topleistung erwartet sie bei der EM nicht. „Ich habe noch Schwierigkeiten, aber es geht viel besser als in den ersten Wochen“, erzählt sie. „Ich frage mich schon, ob die Teilnahme noch ein bisschen früh ist. Aber andererseits, wenn ich in Rom nicht dabei wäre, würde die Motivation vielleicht wieder runtergehen. Deshalb bin ich jetzt hier und schaue, wo ich dran bin.“
Wieder bei null anfangen
Durch den Formverlust sieht sich Meynen in die Anfänge ihrer Karriere zurückversetzt. Denn auch jetzt musste die 24-Jährige fast wieder bei Null anfangen. „Ich mache Fortschritte, das fühlt sich gut an“, erklärt sie. „Aber ich habe auch immer den Vergleich mit dem Level, auf dem ich schon einmal war. Da ist es nicht so einfach, positiv zu bleiben.“
Genießen kann Meynen die Zeit in Rom dennoch. Nach der Anreise am späten Montagabend freute sich die Schwimmerin vor allem auf die Zeit mit ihren Teamkollegen. Denn der Verband FLNS reiste mit einer großen Delegation nach Italien, zu der neben Meynen und dem Trainerteam auch Monique Olivier, Julien Henx, Pit Brandenburger, Max Mannes und Rémi Fabiani gehören.
Die Nervosität vor dem ersten großen Wettkampf seit langer Zeit kommt vermutlich erst, wenn das Rennen näher rückt. „Natürlich ist die Aufregung nicht mit meiner ersten EM oder Olympia vergleichbar, aber das heißt nicht, dass das hier nicht wichtig ist“, erläutert Meynen. Während Henx und Olivier die Titelkämpfe bereits morgen eröffnen, wird Meynen fleißig Trainingsbahnen ziehen – und natürlich ihr Team unterstützen. „Der Urlaub kommt erst danach.“
Einen weiten Blick in die Zukunft wagt die Kaderathletin noch nicht. „Natürlich wäre es schön, in Richtung Paris zu gehen (Olympische Spiele 2024, Anm. d. Red.), aber momentan schaue ich Woche für Woche.“Auch die Tatsache, dass Meynens Arbeit als Lehrerin an einer internationalen Schule im September wieder beginnt, könnte zur Herausforderung für die sportlichen Ambitionen werden.
„Bis man im Schwimmen wieder in die Gänge kommt, dauert immer ein bisschen länger als in anderen Sportarten“, verrät Julie Meynen. „Ich bin froh, dass ich die Pause gemacht habe. Jetzt will ich wieder Spaß am Schwimmen haben.“
Am Anfang wusste ich nicht, ob ich jemals wieder zurückkommen werde. Julie Meynen