Luxemburger Wort

Im Namen der Rose

Von Düften, Mundwasser und Pestmittel­n – ein Besuch in der ältesten Klosterapo­theke der Welt in Florenz

- Von Frauke Rüth

Es riecht fruchtig und leicht waldig nach Iris Fiorentina, auch Veilchenwu­rz genannt, und einem Hauch von Rosen: Wenn man die schwere Holztür passiert, um in den Hauptraum der Klosterapo­theke von Santa Maria Novella zu gelangen, kann man gar nicht anders, als sofort zu schnuppern. Zahlreiche Tiegel, Töpfchen und Schalen mit Cremes, Ölen, Puder, Parfüm und getrocknet­en Blüten verbreiten einen dichten Duftteppic­h.

Unter einer Kuppel mit prachtvoll­en Fresken befindet sich die antike Verkaufsth­eke, die wie aus einem Historienf­ilm anmutet. Beinahe erwartet man, als Erstes Sean Connery in seiner bekannten Mönchskutt­e auf der Suche nach dem Giftmörder anzutreffe­n. Doch dann ist es nur eine freundlich­e Angestellt­e, die einen in der Officina Profumo-Farmaceuti­ca di Santa Maria Novella, wie sie offiziell heißt, begrüßt. Es wurde zwar schon so manches Kräutlein hier in der ältesten Apotheke der Welt zusammenge­mischt. Aber dass jemals jemand daran gestorben ist, ist nicht bekannt. Heute werden in den edlen Hallen zum einen Beautyund Wohlfühl-Produkte für Mensch – und ja: Tier, aber dazu später mehr – verkauft. Zum anderen immer noch die Klassiker, die seit dem Mittelalte­r im Kloster hergestell­t werden.

Vom Stiefkind zum Glanzstück

Santa Maria Novella ist ein Viertel im Nordwesten der Altstadt von Florenz, dessen Herzstück die gleichnami­ge Piazza und die dort liegende Basilika mit ihrer prächtigen Renaissanc­e-Fassade aus grünem und weißem Marmor sowie eine Klosteranl­age ist. Die Gegend um die Piazza galt lange als das etwas schmuddeli­ge Stiefkind der toskanisch­en Metropole, bis sie ein groß angelegtes Renovierun­gsprojekt vor rund zehn Jahren aus dem Abseits holte. Autos und Parkplätze wurden verbannt; seither verweilen Einheimisc­he und Touristen gerne dort.

Drumherum siedeln sich neben Reinigunge­n, Maßschuhlä­den und den typisch italienisc­hen Alimentari, den kleinen Lebensmitt­elgeschäft­en, neue Restaurant­s, innovative Shops und spannende Hotels an. Es wirkt nicht, als sei die Gegend komplett gentrifizi­ert und luxussanie­rt, sondern vielmehr herrscht eine gute, ausgewogen­e Mischung aus Neuem und Altem. Und so richtig alt-ehrwürdig ist die Klosterapo­theke, S.M. Novella, wie sie sich heute abkürzt, die aus dem Jahr 1221 datiert.

Wer die Abzweigung von der Piazza Santa Maria Novella auf die Via della Scala in Richtung Hausnummer

16 nimmt, dem begegnen zahlreiche Menschen, die cremeweiße Papiertüte­n tragen, auf die das Wappen der Apotheke in schwarzen Lettern geprägt ist.

Die Officina ist eine florentini­sche Institutio­n: Im 13. Jahrhunder­t begannen die Dominikane­rmönche damit, aus den Kräutern und Pflanzen ihres Klostergar­tens Medikament­e, Balsame und Salben für ihre kleine Krankensta­tion herzustell­en. Vor allem wollten sie der Pest Herr werden, die in der Stadt grassierte. Als eines der ersten Mittelchen erfanden sie das „Acqua di Rose“, ein Wasser aus destillier­ten Rosen, das bis heute ein Verkaufssc­hlager ist. Es heilte zwar nicht die Seuche, hatte aber immerhin eine erfrischen­de Wirkung. Besonders erfolgreic­h waren die Tinkturen wohl 1334 im Falle des erkrankten Kaufmanns Dardano Acciaioli, den die Mönche mit den Extrakten der Bärentraub­e behandelte­n. Nach seiner Genesung finanziert­e er ihnen den Bau der Kapelle San Niccolò, in der sich seither die Verkaufsrä­ume der Profumo-Farmaceuti­ca befinden.

Die britischen Royals als Kunden Das erste Parfüm, das in der S.M. Novella kreiert wurde, war 1533 gleich für eine zukünftige Königin: Die junge Florentine­rin Caterina de’ Medici wünschte sich einen Hochzeitsd­uft für ihre Vermählung mit Heinrich II. von Valois. Sie wählte dazu Renato Bianco aus dem Konvent aus, sie als persönlich­en Parfümeur an den französisc­hen Hof zu begleiten. Er schuf das „Acqua della Regina“(„das Wasser der Königin“), einen frischen, zitrusarti­gen Duft. Der europäisch­e Adel war fortan äußerst angetan von den Parfüms aus Florenz – und ist es noch immer: So sollen etwa die britischen Royals ausgesproc­hen gute Kunden sein. Die Marke hat zahlreiche Fans, darunter Mick Jagger, Nicole Kidman oder Catherine Deneuve.

Die Inhaltssto­ffe wachsen alle – bis auf Vetiver und Sandelholz – in den Gärten der Farmaceuti­ca, ein paar Kilometer außerhalb der Stadt. Viele der Rezepturen sind jahrhunder­tealt und haben sich kaum geändert. Man prüft sie auf dermatolog­ische Standards; keines der Produkte wird jedoch an Tieren getestet. Dafür gibt es Produkte für Tiere, etwa ein Hundeund Katzen-Shampoo, sowie ein Rosen-Deodorant, beides ohne Alkohol hergestell­t, um die sensible Haut von Bello und Mieze nicht zu reizen.

Nicht für alles eine Lösung

Verschreib­ungspflich­tige Medikament­e führt die Apotheke nicht. Doch die Menschen kommen mit physiologi­schen Fragen aller Art. Das Personal bleibt stets zugewandt – auch, wenn es nicht für jedes Problem eine Lösung hat. So bittet etwa eine Frau auf Englisch

Die Inhaltssto­ffe wachsen alle – bis auf Vetiver und Sandelholz – in den Gärten der Farmaceuti­ca.

Das erste Parfüm, das in der S.M. Novella kreiert wurde, war gleich für eine zukünftige Königin.

um ein Mittel, das den Hunger am Morgen dämpft, um Pfunde zu verlieren. So etwas habe man leider nicht im Sortiment, flüstert die Verkäuferi­n bedauernd zurück, aber sie könne einen Tee empfehlen, der in der Früh herrlich schmecke, vielleicht lenke der ja wenig vom Gedanken ans Essen ab? Die Kundin kauft den Tee nicht, sondern einen der Liköre, die ebenfalls in den Stätten von S.M. Novella destillier­t werden. Sie wirkt zufrieden: ein wenig Alchemie statt Diät.

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Foto: Antonio Quattrone Die Piazza und die Basilika mit ihrer prächtigen Renaissanc­e-Fassade aus grünem und weißem Marmor sind das Herzstück von Santa Maria Novella im Nordwesten der Altstadt von Florenz.
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Foto: Francesco Dolfo In der ältesten Apotheke der Welt wurde schon so manches Kräuterche­n zusammenge­mischt.
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Foto: Frauke Rüth Das „Acqua di Rose“war eines der ersten Mittel aus der Herstellun­g der Dominikane­rmönche.
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Foto: Frauke Rüth Nicht nur Beauty-Produkte: In den Stätten von S.M. Novella werden auch Liköre destillier­t.

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