„Man darf nie fanatisch sein“
Georges Mischo (CSV) über seine erste Legislaturperiode als Abgeordneter
Im November 2017 wurde Georges Mischo als erster CSV-Bürgermeister der Stadt Esch vereidigt. Bei den Parlamentswahlen 2018 schaffte der langjährige Sportlehrer den Sprung in die Chamber. Sport spielt nach wie vor eine große Rolle in seinem Leben – und seiner parlamentarischen Arbeit.
Mit welchen vier Adjektiven würden Sie sich beschreiben?
Es ist zwar immer schwer, sich selbst zu beschreiben, aber ich bin auf jeden Fall zielstrebig. Sportlich trifft es auch, genau wie offen, beziehungsweise aufgeschlossen, und loyal. Besonders diese Eigenschaft ist mir auch bei anderen sehr wichtig.
Was hat Sie dazu bewogen, nationalpolitisch aktiv zu werden?
Erstens finde ich es wichtig, dass Esch gut in der Chamber vertreten ist – also nicht nur durch mich als Bürgermeister, sondern auch durch andere Escher Politiker –, da vieles unsere Stadt ja auch betrifft. Zweitens ist es mein Ziel, mitzuhelfen, das Land nachhaltig und zukunftsfähig zu gestalten. Wenn wir alle an einem Strang ziehen, klappt das auch, davon bin ich überzeugt. Bereits mein Vater war Mitglied der CSV. Für mich ist es die Partei, die meine Werte am besten vertritt – die Partei der Mitte, beziehungsweise des Volkes.
Mit welchen Erwartungen traten Sie Ihr Mandat an und wurden diese erfüllt?
Ich wollte oder will mitgestalten und helfen, wichtige politische Entscheidungen für das Land zu treffen. Wenn wir dann am Ende sagen können, da ist etwas zustande gekommen, weil wir alle zusammen dafür eingetreten sind, ist das Ziel erreicht. Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass viele verschiedene Menschen in der Chamber vertreten sind, also nicht nur Anwälte oder Politikwissenschaftler, sondern Menschen von allen Ufern, demnach auch ein Sportlehrer, wie ich es bin. Wenn man Teil einer Mannschaft von 21 Abgeordneten ist, ist es allerdings manchmal etwas schwerer, sich durchzusetzen.
Wer ist Ihr politisches Vorbild und warum?
Mein Vater, Josy Mischo. Er hat eine ganz ehrliche Politik gemacht und war für die Menschen da. Ich habe viel von ihm gelernt. Zum Beispiel hat er immer gesagt, dass man zu seinen Werten und zu seinen Leuten stehen soll, jedoch nie fanatisch sein darf, weder im Sport noch in der Politik. Das habe ich mir zu Herzen genommen. Er war es auch, der mir beigebracht hat, offen gegenüber allen Menschen zu sein, auf sie zuzugehen und zu helfen, egal ob sie schwarz, rot, blau, grün oder violett sind.
Für welchen Bereich interessieren Sie sich besonders und warum?
Da ich 17 Jahre lang als Sportlehrer gearbeitet habe, natürlich für den Sport und das Bildungswesen im Allgemeinen. Sehr interessiert mich aber auch die Mobilität. Es ist schlicht nicht mehr zukunftsweisend, zwei, drei oder sogar vier Autos in der Garage stehen zu haben. Klar können wir nicht jeden Morgen zu fünft im Wagen zur Arbeit fahren, das wäre eine Illusion, dennoch müssen wir das Auto in Zukunft viel weniger einsetzen. Wenn die Kinder ein gewisses Alter erreicht haben, müssen sie nicht mehr ständig von den Eltern hin und her gefahren werden und schon gar nicht bis in den Klassensaal. Etwas anderes, das ich durch Esch2022 mehr schätzen gelernt habe, ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Besonders die grenzüberschreitende Mobilität gilt es zu fördern.
Welches parlamentarische Ereignis hat Sie bisher am meisten beeindruckt?
Eindeutig die Geschlossenheit – bis auf wenige Ausnahmen – des Parlaments während der Pandemie, insbesondere im Lockdown. Stundenlang saßen wir in intensiven und schwierigen Sitzungen im Cercle zusammen, um für das Land zu arbeiten. Niemand hatte Erfahrung mit einer Pandemie. Das hat auch mich viel Kraft gekostet und uns allen großes Kopfzerbrechen bereitet. Aber wir wussten, dass wir zusammenstehen und gemeinsam nach Wegen suchen müssten, weil es sonst schiefgehen würde.
Welche persönlichen Lehren ziehen Sie aus den vergangenen vier Jahren?
Ich bin der Letzte, der sagen würde, dass alles richtig und gut war, aber indem man etwas tut, lernt man. Ein Beispiel: Ich bin Präsident von Esch2022, komme aber nicht aus der Kultur, doch ich habe mich eingearbeitet und sehr viel hinzugelernt. Das gilt auch für andere Ressorts, für die ich als Bürgermeister verantwortlich bin, wie Mobilität oder Finanzen. Diese Erfahrungen habe ich wiederum mit in die Chamber genommen. Als Sportler weiß ich, dass es falsch wäre, weinend liegenzubleiben, wenn man einmal auf die Nase fällt. Dann muss man wieder aufstehen und weitermachen.
Gibt es eine Entscheidung aus Ihrer politischen Karriere, die Sie bereuen und heute anders handhaben würden?
Es gibt immer mal kleine Entscheidungen, wo man im Nachhinein denkt, dass man sie anders hätte treffen können. Bisher war aber nichts dabei, das ich als richtigen
Für Sport nimmt sich der CSV-Abgeordnete nach wie vor Zeit. Dreimal die Woche geht er laufen.
Griff ins Klo bezeichnen würde. Ich kann jeden Morgen ganz gewissenhaft in den Spiegel schauen.
Was haben Sie sich für den Rest dieser Legislaturperiode noch vorgenommen?
Ich habe die eine oder andere Idee, was im Sport verbessert werden könnte. Auch im Bereich ESanté könnte noch einiges bewegt werden. Dass auf einem derart kleinen Territorium wie Luxemburg die vier großen Spitäler nicht miteinander
Mein Vater hat eine ganz ehrliche Politik gemacht. Ich habe viel von ihm gelernt.
Eine Computertastatur, das Regelwerk der Chamber, zwei, drei Bücher und die Gebrauchsanweisung für den Stuhl, auf dem wir sitzen. Sonst tatsächlich nichts. Alles andere habe ich immer in meiner Tasche mit dabei. Dazu gehört beispielsweise ein Medikament gegen Heuschnupfen, Augentropfen, Taschentücher, also in gewisser Weise mein Notfallset.
Bei welchem historischen Ereignis wären Sie gerne dabei gewesen?
Bei der Mondlandung 1969. Mit Neil Armstrong ein bisschen durch den Mondsand hüpfen, wäre schon toll gewesen. Das Ganze live vor dem Fernseher zu verfolgen, war sicher auch schon ein großes Erlebnis, aber direkt mit in der Rakete wäre natürlich noch besser gewesen.
Welches Buch empfehlen Sie als Sommerlektüre?
Ich lese wenig Bücher, dafür aber ganz viele Magazine und Zeitungen. Ein Buch, das ich dennoch empfehlen kann, ist die Biografie von Helmut Schmidt – ein ganz großer Politiker, aus dessen Erfahrungen man viel lernen kann. Ein Satz von ihm ist mir stets im Kopf geblieben: Man muss wissen, in welcher Situation man wie viel Verantwortung übernimmt. Tatsächlich musste er während seiner Amtszeit viele Krisensituationen bewältigen, wenn ich zum Beispiel
an die RAF denke, an das Olympiaattentat 1972, die Geschichten um Baader-Meinhof, die Entführung der Lufthansa-Maschine 1977. Es erfordert Mut, in solchen Momenten zu entscheiden und nicht zu zögern.
Welche Serie oder welchen Film würden Sie für verregnete Tage empfehlen?
Im Moment schaue ich mir die Politserie „Borgen“auf Netflix an, die von einer fiktiven dänischen Politikerin handelt und in der man sich manchmal selbst wiedererkennt. Die eine oder andere Staffel
„House of Cards“habe ich ebenfalls gesehen. Das war mir manchmal doch etwas zu überspitzt. „Borgen“gefällt mir besser, weil sie realistischer ist, es gibt nicht so viele Tote wie in „House of Cards“.
Wie verbringen Sie am liebsten Ihre Zeit außerhalb der Chamber?
Mit der Familie, vor allem mit meinen Kindern, für die mir oft die Zeit fehlt. Als Junge habe ich selbst erlebt, wie es ist, wenn der Vater nicht jeden Tag da ist. Während der Ferien stehen meine Kinder deshalb an erster Stelle. Dann gehe ich auch nur in Notfällen ans Telefon. Ganz wichtig sind mir darüber hinaus meine Freunde, die ich viel weniger sehe, seit ich Bürgermeister und Abgeordneter bin. Sehr gerne mache ich natürlich nach wie vor Sport. Vor ein paar Wochen habe ich gemerkt, dass ich nicht mehr so belastbar bin, schnell müde werde und gelegentlich überreagiere. Deshalb gehe ich jetzt dreimal die Woche laufen. Dafür nehme ich mir dann wirklich Zeit. Ich gehe auch gerne ins Schwimmbad oder Radfahren.
Werden Sie 2023 erneut bei den Chamberwahlen kandidieren?
Das entscheidet meine Partei, müsste die Antwort lauten, aber ja, Politik mache ich wirklich mit Leidenschaft. Wenn ich gefragt werde, gehe ich gerne noch einmal mit. Motiviert bin ich definitiv.