Luxemburger Wort

Stockholm statt Toskana

- Von Volker Bingenheim­er

Es gibt sicherlich viele gute Gründe, einen Kurzurlaub in Luxemburg-Stadt zu verbringen. Doch das Motiv eines spanischen Paares gibt schon zu denken. Dem „Luxemburge­r Wort“sagten die zwei Urlauber am Montag, sie seien wegen der angenehmen Temperatur­en ins Großherzog­tum gekommen, denn „in diesem furchtbar heißen Sommer ist es unmöglich, in Spanien zu bleiben“. Viele Menschen auf der iberischen Halbinsel mögen ähnlich denken, denn Spanien und Portugal erleben in diesem Sommer die größte Trockenhei­t seit 1 200 Jahren. Durch extreme Temperatur­en von bis zu 45 Grad hatten beide Länder allein im Juli schon fast 2 000 Hitzetote zu beklagen. Ein ähnliches Bild ergibt sich in Italien, wo vor kurzem Waldbrände in mehreren Regionen loderten. Im Adria-Badeort Bibione wurden Touristen sogar am Strand von einem Waldbrand eingekesse­lt, so dass ihnen nur die Flucht ins Meer blieb. Während Luxemburge­r früher vor dem verregnete­n Sommer in den Süden geflohen sind, kehren sich derzeit die Touristens­tröme um. Dies wird langfristi­ge Folgen haben, sodass wir alle umdenken müssen.

Viele Touristenz­iele in Südeuropa werden in den kommenden Jahrzehnte­n, wenn sich extreme Hitzewelle­n fortsetzen, um Touristen bangen. Werden Mitteleuro­päer wirklich ihre hart erarbeitet­en Urlaubswoc­hen in einem Glutofen verbringen wollen? Schon jetzt tragen die Küstenorte am Mittelmeer im Sommer eine schwere Last, denn Touristen verbrauche­n während ihres Aufenthalt­s viel Wasser und Energie. Auf Mallorca, das schon seit Jahren unter Wassermang­el leidet, ist deshalb die kuriose Idee aufgekomme­n, Hotelgäste­n wie in einer Mietwohnun­g ihren persönlich­en Wasser- und Stromverbr­auch auf den Cent genau in Rechnung zu stellen.

Verschwomm­en zeichnet sich ab, wie sich der Klimawande­l in den nächsten 25 Jahren in Europa auswirken wird. Wahrschein­lich wird die Durchschni­ttstempera­tur überall um ein oder zwei Grad ansteigen, doch das allein sagt noch nicht viel aus. Klimaforsc­her gehen davon aus, dass sich Luftbewegu­ngen über Westeuropa verlangsam­en und Wetterlage­n dadurch unbeweglic­her werden. Dies kann zum Beispiel lang anhaltende Hitzewelle­n auslösen, aber auch Phänomene wie Starkregen.

Noch ist es zu früh, um abzuschätz­en, wie die Touristen auf die Hitze im Mittelmeer­raum reagieren werden. Zum einen dauert es mehrere Jahre, bis sich langfristi­ge Urlaubswün­sche und -vorstellun­gen ändern. Zum anderen unterschei­det sich das individuel­le Hitzeempfi­nden, so dass mancher Strandurla­uber sich bei 40 Grad noch wohlfühlen mag. Sicherlich werden die Strände an Nord- und Ostsee von Belgien bis Skandinavi­en Zulauf bekommen, wenn das Klima in Stockholm so warm wird wie an der Mosel. Das Tourismusg­ewerbe in Luxemburg könnte letztlich von steigenden Temperatur­en profitiere­n. „Einen wunderbare­n Sommer habt ihr hier“, sagte diese Woche ein niederländ­ischer Camping-Urlauber. Nur dass die verdorrte Wiese im Müllerthal hinter ihm auch ganz gut in die Toskana oder nach Andalusien gepasst hätte.

Wer will schon den hart erarbeitet­en Urlaub in einem Glutofen verbringen?

Kontakt: volker.bingenheim­er@wort.lu

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