Luxemburger Wort

Dominiert bald der Rotwein an der Mosel?

Den immer trockener und heißer werdenden Sommern muss sich auch der Weinbau anpassen

- Von Uwe Hentschel Von Klimaziele­n verabschie­det

Bislang haben die heimischen Winzer von den Folgen des Klimawande­ls weitgehend profitiert. So hat der tendenziel­le Anstieg der Temperatur unter anderem dazu beigetrage­n, dass die Qualität der Moselweine mittlerwei­le deutlich besser ist als noch vor 30 oder 40 Jahren. Nun aber gerät die Angelegenh­eit so langsam ins Kippen. „Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem die positiven Aspekte mit den zukünftige­n Herausford­erungen auf Augenhöhe sind“, sagt Daniel Molitor. Der Agrarwisse­nschaftler arbeitet am Luxembourg Institut of Science and Technology (LIST) und untersucht dort den Einfluss des Klimawande­ls auf den Weinbau des Großherzog­tums.

Derzeit wird an den Hängen der Mosel vor allem Rivaner (MüllerThur­gau), Auxerrois, Elbling, Riesling sowie Pinot blanc und Pinot gris angebaut, also überwiegen­d Weißwein. Aufgrund der steigenden Temperatur­en und der tendenziel­l trockener werdenden Sommer könnte sich Luxemburg aber durchaus zum Rotweinanb­augebiet entwickeln – gäbe es da nicht eine weitere Begleiters­cheinung des Klimawande­ls.

Denn die Sommer werden insgesamt nicht nur wärmer, sondern vor allem auch trockener. Und auf Dauer macht die extreme Trockenhei­t allen Weinsorten – egal ob rot oder weiß – zu schaffen. Und das gilt insbesonde­re für die jüngeren Reben, wie Molitor erklärt. Deren Wurzeln sind noch nicht lang genug, um in tiefere Erdschicht­en vorzudring­en. Wobei auch dort für die älteren Rebstöcke so langsam nichts mehr zu holen ist.

„Wir sehen es bei unseren Klimaproje­ktionen, dass das, was wir heute als Extreme wahrnehmen, in der Zukunft die Regel sein werden“, sagt Jürgen Junk, Leiter der LIST-Forschungs­gruppe Agro-Environmen­tal Systems. Die Mehrheit der Wissenscha­ftler habe sich inzwischen von der Vorstellun­g verabschie­det, dass das mit dem Pariser Klimaabkom­men von 2015 definierte Ziel, also die Begrenzung der durch Treibhausg­asemission­en verursacht­en Erderwärmu­ng auf maximal 1,5 Grad, noch zu erreichen sei, so Junk. „Es sieht im Moment danach aus, dass wir uns radikal umstellen müssen“, erklärt er. Und das gelte auch für den Weinbau.

Die Umstellung auf eher südliche Weinsorten wäre dennoch eine Option. Auch diese benötigen Wasser, aber eben weniger. „Die Frage ist nur, ob die Kundschaft das tolerieren wird, wenn die Winzer an der Mosel statt Riesling oder Elbling jetzt südfranzös­ische Rotweinsor­ten anbauen“, gibt Junk zu bedenken. „Zudem werden wir hier auch in den nächsten Jahren nicht nur mit Trockenhei­t, sondern auch mit Starkregen oder Spätfrost zu tun haben“, sagt er. So habe es zum Beispiel in diesem Jahr am 2. April noch geschneit. Genau genommen sei es sogar der erste Schnee des Jahres gewesen, sagt Molitor und verweist zudem auf die extremen Unterschie­de bei den Niederschl­ägen im Sommer. Während man in den Julimonate­n der Jahre 2018, 2019, 2020 und 2022 jeweils weniger als 15 Liter Niederschl­ag pro Quadratmet­er gemessen habe, seien es im Juli des vergangene­n Jahres 207 Liter gewesen. Mit extremen Ausschläge­n müsse also trotz Hitze und Trockenhei­t immer gerechnet werden. Von daher sei eine konsequent­e Umstellung auf südliche Rebsorten nicht empfehlens­wert.

Diagnose aus der Luft

Was aber nicht heißt, dass man sich damit nicht auseinande­rsetzen sollte. Weshalb die Forscher des LIST gemeinsam mit dem Weinbauins­titut (IVV) in Remich auf Versuchsfl­ächen auch Sorten anbauen, die für die Weinbaureg­ion Mosel eher untypisch sind. Wie zum Beispiel den italienisc­hen Primitivo oder aber die spanische Rotweinsor­te Tempranill­o. Rund 50 Rebsorten in insgesamt 150 Variatione­n stehen auf den gut sechs Hektar Versuchsfl­äche des Weinbauins­tituts.

Das Testen anderer Rebsorten ist aber nur eines der Felder, auf

Trauben droht bei zu wenig Schutz durch Blätter ein Sonnenbran­d.

denen die LIST-Forscher tätig sind. Ein weiterer Bereich, in dem vor Ort geforscht wird, ist das Laubwandma­nagement. Durch ein gezieltes Schneiden der Blätter an den Rebstöcken kann unter anderem die Durchlüftu­ng verbessert und dadurch die Pilzgefahr reduziert werden. In diesem Sommer ist Pilzbefall aufgrund der Trockenhei­t kein Thema. Dafür aber knallt die Sonne seit Wochen erbarmungs­los auf die Reben. „Ist die Laubwand also zu stark geschnitte­n, droht den Trauben Sonnenbran­d“, sagt Molitor. Je nach Witterung könne die Entblätter­ung also eher schaden als nutzen.

Untersucht wird deshalb zum Beispiel auch, wie mithilfe von Kaolin ein Sonnenbran­d verhindert werden kann. Das weiße, toxikologi­sch unbedenkli­che Tonmineral wird im Obst- und Weinbau bereits zum Schutz vor Schädlinge­n wie der Kirschessi­gfliege eingesetzt – und es könnte möglicherw­eise auch gegen Sonnenbran­d helfen. Molitor zeigt auf Rebstöcke, deren Trauben mit Kaolin besprüht wurden. Bislang sehen die Früchte noch gut aus.

Erforscht werden die Auswirkung­en der Klimaverän­derung auf den Weinbau auch aus der Luft. Unter anderem mithilfe einer mehr als 15 Kilogramm schweren Drohne, die Franz Ronellenfi­tsch über die Versuchsfe­lder manövriert. Am Bauch des Fluggeräts hängt eine Hyperspekt­ralkamera. „Wir haben die Möglichkei­t, in verschiede­nen Spektralfr­equenzen auf die Pflanzen zu schauen, und können über die Absorption des Sonnenlich­ts Rückschlüs­se auf den Gesundheit­szustand der Reben ziehen“, erklärt der Umweltwiss­enschaftle­r, der ebenfalls am LIST tätig ist.

Je nach Kamera, mit der die Drohne bestückt werde, lasse sich zum Beispiel die Wasservers­orgung innerhalb des Zellappara­ts erfassen oder aber die Oberfläche­ntemperatu­r der Blätter messen.

Bislang dient der Einsatz der Drohne rein wissenscha­ftlichen Zwecken. „Die Idee ist aber, eine Art Frühwarnsy­stem zur Detektieru­ng von Stressfakt­oren zu entwickeln“, erklärt Junk. Über das Weinbauins­titut könnten dann entspreche­nde Empfehlung­en an die Winzer herausgege­ben werden, damit diese dann mit Maßnahmen reagieren können. Der Vorteil der Spezialkam­eras besteht nämlich vor allem darin, dass sie die Reaktionen der Reben auf Stressfakt­oren bereits erfassen können, bevor diese für das menschlich­e Auge sichtbar werden. Eine der großen Herausford­erungen besteht laut Ronellenfi­tsch derzeit aber noch darin, die gewaltigen Mengen an Rohdaten auszuwerte­n.

Schlechter­e Lagen profitiere­n

Und schließlic­h muss überlegt werden, wie man auf den Hitzeund vor allem den Trockenstr­ess der Reben reagiert. Eine Möglichkei­t ist, einen Teil der Trauben und der Laubwand zu entfernen, um die gestresste­n Reben – vor allem die jungen – bei zu viel Trockenhei­t zu entlasten. Die vielleicht naheliegen­dste Lösung ist indes eine zusätzlich­e Bewässerun­g. „Das aber ist nicht so einfach“, sagt Molitor. Abgesehen von technische­n Fragen, müsse natürlich auch geklärt werden, wo das Wasser herkommen soll, so der Agrarwisse­nschaftler. Denn wenn ohnehin schon große Trockenhei­t herrsche, könne ein zusätzlich­er Wasserbeda­rf zur Bewirtscha­ftung der Weinanbauf­lächen durchaus zu Interessen­skonflikte­n führen.

So einfach ist die passende Reaktion auf den Klimawande­l für den Weinbau also nicht. Zumal die Auswirkung­en auch von der Lage abhängig sind. „Bislang war es so, dass vor allem steile und nach Süden ausgericht­ete Weinlagen besonders gute Voraussetz­ungen für den Wein waren“, sagt Molitor. Angesichts der zunehmende­n Trockenhei­t könne sich das nun auf die tiefgründi­geren, flacheren Standorte verlagern, fügt er hinzu. Demnach könnten jetzt also vor allem die weniger exponierte­n Lagen von den Folgen des Klimawande­ls profitiere­n. Wobei auch das nur eine vorübergeh­ende Erscheinun­g sein dürfte – solange, bis Hitze- und Trockenstr­ess auch dort den Reben das Leben zu schwer machen.

Es sieht im Moment danach aus, dass wir uns radikal umstellen müssen. LIST-Forscher Jürgen Junk

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Foto: Uwe Hentschel Die spanische Rotweinsor­te Tempranill­o wird derzeit nur zu Versuchszw­ecken angebaut, könnte zukünftig aber auch an Mosel und Saar die dort klassische­n Weißweinso­rten ablösen.
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Foto: Uwe Hentschel

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