Von der Kapelle zum Zelt
Seit 60 Jahren betreut eine christliche Initiative Camping-Touristen in Luxemburg
Dillingen. Teamleiter Jenne Minnema steht im Küchenzelt auf dem mit Gras bewachsenen Boden und macht sich erst einmal eine Tasse Kaffee. In einer Viertelstunde wird eine Kinderschar nebenan zum großen weißen Zelt strömen, da will er vorher noch einmal die Ruhe genießen.
Das große weiße Zelt auf einer Wiese in Dillingen bei Befort ist eine Institution. Kaum ein niederländischer oder belgischer Camping-Tourist, der noch nicht davon gehört hat. Seit 60 Jahren bildet das „Grote Witte Tent“eine Anlaufstelle für niederländischsprachige Touristen auf der Suche nach „Gezelligheid“. Hier können sie andere Urlauber kennenlernen, bei einer Tasse Kaffee Gespräche über Gott und die Welt führen und den Sonntagsgottesdienst in ihrer Sprache besuchen.
Vier Wochen lang ist das Festzelt gegenüber dem Campingplatz in Dillingen aufgebaut. Jenne Minnema leitet das sechsköpfige Team der zweiten Schicht. Die ehrenamtlichen Betreuer bleiben noch bis zum Dienstag in acht Tagen, wenn die Verleihfirma das Festzelt wieder abbaut.
Küchenzelt mit Strom und Wasser
Während ihres Aufenthalts in Dillingen gönnt sich das Team nicht mehr Komfort als die Campinggäste: Die Betreuer übernachten auf Luftmatratzen in privaten Zelten, gekocht wird im Küchenzelt, das Strom- und Wasseranschluss hat. Eine Toilette gibt es nicht, dafür müssen die Freiwilligen die Landstraße überqueren und zum Campingplatz gehen. „Es empfiehlt sich, das fünf Minuten im Voraus zu planen“, meint Jenne Minnema augenzwinkernd.
„De Grote Witte Tent“ist eine christliche Initiative, bei der Angehörige aller Konfessionen willkommen sind. Das Team und die Besucher müssen hier täglich bereit sein, Brücken zu schlagen – zwischen Katholiken und Protestanten, aber auch zwischen Flamen und Niederländern, wo es manchmal zu Verständnisschwierigkeiten kommt.
Fahrbare Kapelle
Gerade fahren zwei Betreuer mit geöffneter Heckklappe über den Campingplatz in Dillingen. Über einen Lautsprecher laden sie zum „Kinderclub“ein, der gleich beginnt. Dort werden die Kinder über Bibelgeschichten sprechen und anschließend auf dem Sportfeld ein Ballspiel machen. Manche Eltern kommen mit, um im weißen Festzelt ein wenig zu plaudern.
Die Geburtsstunde von „De Grote Witte Tent“schlug 1962, als zwei protestantische Pfarrer aus den Niederlanden Camping-Urlaub an der Sauer machten. Sie bedauerten, dass nirgendwo ein Gottesdienst für ihre Landsleute angeboten wurde, und beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Sie organisierten eine fahrbare Kapelle auf einem Anhänger, die sich schnell zu einem festen Anziehungspunkt für niederländische Touristen entwickelte. Die Aktion endete einige Jahre später, als die Pfarrer auf der Autobahn von der Polizei angehalten wurden – das mobile Gotteshaus hatte Überbreite. An seine Stelle trat fortan ein weißes Festzelt, das gut und gerne hundert Menschen Platz bietet.
Tausende niederländische Touristen
Das luxemburgische Sauerufer war in den 1960er Jahren im Sommer von Abertausenden, meist niederländischen und belgischen Touristen bevölkert. Allein im kleinen Dillingen gab es damals fünf Campingplätze. Übrig geblieben ist nur einer von ihnen, zwar im XXL-Format mit 400 Stellplätzen. Des Öfteren besuchen auch Touristen von Campingplätzen in Nachbardörfern das „Grote Witte Tent“; sogar Niederländer, die in Luxemburg wohnen, kommen bisweilen zu Besuch.
Jenne Minnema hat selbst eine persönliche Verbindung zu der