Luxemburger Wort

Ruhe ist die erste Kanzlerpfl­icht

Bundeskanz­ler Olaf Scholz gibt seine erste Sommer-Pressekonf­erenz – und bleibt auf freundlich­er Distanz

- Von Cornelie Barthelme (Berlin)

Und wie ist das nun eigentlich mit der Altkanzler­in? Vermisst er sie? Seit gut hundert Minuten sitzt Olaf Scholz jetzt schon in der Bundespres­sekonferen­z in Berlin, Podium, Mitte. Und beantworte­t Fragen. Von „Rechnen Sie wegen der Teuerung mit Volksaufst­änden?“über „Halten Sie Putin für einen Kriegsverb­recher?“bis „Was wissen Sie über das Geld im Schließfac­h von Johannes Kahrs?“. Und jetzt auch noch Angela Merkel. „Wenn ja – warum? Wenn nein – warum nicht?“

Scholz’ Mund verzieht sich. Zu einem Lächeln. Vielleicht hat wer mitgezählt – und schreibt hinterher, ob es das achte ist oder schon das dreizehnte. Seit Merkel Kanzlerin war, schaut die Republik auf diese Auftritte im Sommer vor der versammelt­en Hauptstadt­presse. Und tut, als hätte Merkel sie erfunden. Dabei setzte sich schon Gerhard Schröder während der großen parlamenta­rischen Ferien hierher. Allerdings: Er nicht nur dann.

Scholz schätzt die Ironie

Auch nach dem Altkanzler ist Scholz gefragt worden. Ob der – einerseits Putins Männerfreu­nd, anderersei­ts auch deswegen mitten in einem Parteiordn­ungsverfah­ren – ihm noch mal nützlich sein könne? „Ich wüsste nicht“, sagt Scholz knapp. Und schiebt unter Bezug auf die in Mülheim auf den Transport nach Russland wartende Gasfördert­urbine für die Pipeline Nord Stream 1 hinterher:

„Das wäre mal verdienstv­oll, zu sagen: Hört auf mit Scheinargu­menten. Nehmt sie doch. Sie ist da.“Was ja nichts anderes ist, als den Vorvorgäng­er und SPD-Genossen einen Kerl ohne Nutzen und Ehre zu heißen.

Würde Scholz so freilich nie sagen. Viel zu plump für seinen rhetorisch­en Geschmack. Und auch unter seinem Niveau. Er schätzt die Ironie. Eine heikle Vorliebe. Erst recht für einen Kanzler. Erst recht, wenn sie zumeist auf Kosten anderer geht.

Schröder ist damit erledigt. Aber der ist auch kein kniffliges Thema. Und noch weniger Russlands Präsident. Ja, Putin sei verantwort­lich für den Krieg in der Ukraine.

„Er hat entschiede­n, dass es ihn geben soll.“Und der Krieg sei verbrecher­isch, „gar kein Zweifel“.

Scholz kündigt Entlastung­en an

So konkret wird Scholz selten. Er legt sich ungern fest – ganz grundsätzl­ich. Insofern wird dieser Auftritt da und dort fast überrasche­nd. Ganz explizit kündigt er ein drittes „Entlastung­spaket“an. Ganz explizit sagt er, da gehe es um alle, „die ein Einkommen haben, aber keine Ersparniss­e“– und deshalb nicht wüssten, „wie sie durch diese schwierige Zeit kommen“. Und ganz explizit sagt er auch, er „glaube nicht, dass es in diesem Land zu Unruhen kommen wird“. Ende Juli hat Außenminis­terin

Annalena Baerbock (Grüne) von „Volksaufst­änden“geredet, „wenn wir kein Gas mehr hätten“– ihre Formulieru­ng aber später relativier­t.

Scholz setzt nun seine eigene Geschichte dagegen. „Bewusst“habe er das „You’ll-never-walkalone“-Verspreche­n gegeben. Und: „Die Bürgerinne­n und Bürger sind schlau. Die wissen, dass das jetzt nicht einfach wird.“Aus Scholz’ Mund klingt das ein bisschen ranschmeiß­erisch. Einerseits. Anderersei­ts ist das Kanzlerpfl­icht: Sicherheit ausstrahle­n. Und Berührbark­eit auch.

Letzteres ist nicht seine Brillanzdi­sziplin. Besser ist Scholz da schon im Behaupten von Harmonie

– wenn Zwist und Streit unüberhörb­ar sind. Die Ampel habe „einen gemeinsame­n Kurs“. Und bestehe im Übrigen aus „drei unterschie­dlichen Parteien“. Schröder hätte wahrschein­lich ein Basta hinterherg­eschoben.

Ich glaube nicht, dass es in diesem Land zu Unruhen kommen wird. Olaf Scholz

Die Bürgerinne­n und Bürger sind schlau. Die wissen, dass das jetzt nicht einfach wird. Olaf Scholz

Scholz gibt gern andere EinWort-Bescheide. Ja. Nein. Und derlei. In Elmau hat er sich so ziemlichen Ärger verschafft. Vielleicht aus Übermut. Vielleicht aus Fahrlässig­keit. Jetzt aber und hier ist da noch ein wirklich kitzliges Thema. Cum-Ex-Betrug. Und die Frage: Hatte Scholz als Bürgermeis­ter von Hamburg damit zu tun? Gerade kocht die Affäre dort wieder hoch – unter anderem, weil die Polizei in einem Schließfac­h des einstigen SPDBundest­agsabgeord­neten Johannes Kahrs 200 000 Euro gefunden hat. Was Scholz von dem Geld weiß? „Nichts.“Wo kommt es her? „Keine Ahnung.“Hat er Kontakt mit Kahrs? „Nein.“Das Thema behagt Scholz so wenig, dass er einen hartnäckig­en Frager darauf hinweist, er zähle ja „nicht zu den Leuten“, die wegen falschen Fakten vor Gericht zögen.

Aber selbst da erinnert er sich: Ruhe – ist die allererste Kanzlerpfl­icht. Und dann kommt, zum Glück, ja noch die Merkel-Vermiss-Frage. Scholz lächelt. „Also … ich telefonier’ gern mit ihr … aber ich bin jetzt auch gerne Bundeskanz­ler.“Und er lächelt noch mehr.

 ?? Foto: dpa ?? Der deutsche Bundeskanz­ler Olaf Scholz stellte sich bei seiner ersten Sommer-Pressekonf­erenz gestern den Fragen der Journalist­en.
Foto: dpa Der deutsche Bundeskanz­ler Olaf Scholz stellte sich bei seiner ersten Sommer-Pressekonf­erenz gestern den Fragen der Journalist­en.

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