Gravuren aus der Märchenwelt
Die junge Künstlerin Florence Everling spricht über ihre Arbeiten, in denen sie Fantasie-Elemente mit der Realität vermischt
Die Pariser Kunststudentin Florence Everling aus Luxemburg erhielt letztes Jahr bei der „Biennale des étudiants en art et jeunes artistes“in Vianden den zweiten Platz. Dieses Jahr stellte sie einige ihrer Kunstwerke, die während der Künstlerresidenz in der Veiner Konstgalerie entstanden sind, in Vianden aus.
Florence Everling, wie würden Sie Ihre Kunst beschreiben? Was glauben Sie, machen Ihre Werke aus, was sind die Merkmale?
Also vorweg muss ich sagen, dass alles was ich mache, sehr persönlich ist. Ich inspiriere mich sehr viel an meinen eigenen Erinnerungen, Erlebnissen und Träumen. Die Quelle meiner Kunst ist damit etwas Individuelles. Was meine Kunst ebenfalls ausmacht, ist die Technik, die ich momentan anwende. Ich mache zu diesem Zeitpunkt ausschließlich Gravuren; entweder auf Linoleum, Holz oder auf Kupfer – und das ist natürlich auch etwas, das sofort ins Auge sticht. Dann kommt dazu, dass meine Abbildungen sehr fantasievoll sind beziehungsweise der Welt der Fantasie entspringen. Also ich arbeite auch mit realistischen Elementen, wie Porträts, aber meine Werke zeichnen sich in erster Linie durch verträumte und märchenhafte Elemente aus. Schließlich gibt es eine Figur, die immer wieder in meinen Werken auftaucht: Egal, welche Situation ich abbilde, meistens taucht dasselbe Mädchen in meinen Werken auf. Diese junge Frau zieht sich wie ein roter Faden durch meine Gravuren.
Trägt diese weibliche Figur einen Namen, beziehungsweise stellt sie eine bestimmte Person dar?
Ich habe ihr eigentlich nie einen Namen gegeben und zu Beginn wollte ich auch auf keinen Fall, dass die Figur mir in irgendeiner Weise ähnelt. Das heißt, ich habe zunächst schlichtweg ein Mädchen abgebildet, ihm sogar schwarze Haare verliehen, damit es sich tatsächlich von mir unterscheidet, denn ich bin ja blond. Dann musste ich allerdings feststellen, dass die Figur sich Stück für Stück in eine Abbildung meiner selbst verwandelte. Trotzdem möchte ich immer noch eine bestimmte Distanz zu der Figur bewahren. Da das letzte meiner Werke jedoch ein Selbstporträt ist, zeige ich damit immer deutlicher, dass ich in meinen Abbildungen persönliche Geschichten erzähle.
Wussten Sie bereits vor der Residenz in der Veiner Konstgalerie, dass es Sie selbst sind, die diese immer wiederkehrende Figur in Ihren Bildern darstellen oder hat sich das während den Tagen in Vianden so entwickelt?
Da einige der in der Kunstgalerie in Vianden ausgestellten Werke bereits vor der Künstlerresidenz entstanden sind, wusste ich eigentlich schon davor, dass die Figur mir ähneln würde, also eigentlich seitdem ich mit der Drucktechnik angefangen habe. Die Idee des eindeutigen Selbstporträts
ist allerdings in Vianden entstanden. Damit ist es vielleicht in etwa dasselbe Konzept, allerdings noch etwas weiterentwickelt.
Wie würden Sie denn den Stil ihrer Werke bezeichnen?
Also diese Drucktechnik, die ich anwende, ist ja eigentlich etwas sehr Traditionelles. Ich versuche jedoch etwas damit zu spielen, die Technik etwas zu variieren, indem ich sie auf unterschiedliche Art und Weise anwende – jetzt vor allem auch anhand der Bildergröße. Gravuren werden eigentlich eher auf kleineren Flächen abgebildet, mit einem
DIN A3-Format ist meistens schon das Maximum erreicht. Ich versuche allerdings enorm großflächige Abbildungen zu erstellen, auch indem ich die einzelnen Elemente wie ein Puzzle zusammenbaue. Meinen Stil selbst würde ich daher als sehr detailliert, sehr pointiert beschreiben und eben sehr verträumt und fantasievoll. Außerdem arbeite ich oft mit Kontrasten, also ich benutze oft Schwarz- und Weißfarben – das stammt ja auch von der Drucktechnik, aber auch Blautöne kommen in meinen Werken vor. Da ich allerdings noch studiere, bin ich der Überzeugung, dass sich mein Stil sicherlich noch weiterentwickeln oder sogar verändern wird. Ich merke, dass ich immer noch viel experimentiere und mich ausprobiere.
Das heißt, Sie arbeiten eher mit wenigen Farbtönen?
Genau! Ich konzentriere mich eher auf die Linien, als auf die Farben. Auch wenn ich Farben sehr mag, bin ich der Auffassung, dass Farben enorm ablenken. Deswegen fokussiere ich mich bevorzugt auf die Formen. Ich arbeite mit den Linien und mit deren Breite.
Wurde Ihre letzte Ausstellung, also die in der Kunstgalerie in Vianden, von einem bestimmten Thema bestimmt?
Da ich ja schon im Vorfeld an diesen großen Projekten gearbeitet habe, habe ich mir natürlich auch selbst ein Thema ausgedacht. Und zwar spielt in vieler meiner Werke Kintsugi eine Rolle. Das ist eine japanische Technik, bei der es darum geht, Zerbrochenes – wie zum Beispiel Porzellanteller, wie sie auch in meinen Bildern vorkommen – wieder zusammenzufügen. Allerdings nicht so, dass die Bruchstellen nicht mehr sichtbar sind, sondern mit Gold. Der Akzent wird damit auf die Bruchstelle, die Wunde und deren Wiederzusammenfügen, deren Heilung gesetzt. Es geht um das Schöne im Unvollkommenen. Dies gebrauche ich in meinen Werken als Metapher, als Versinnbildlichung des Menschen, der von seinen persönlichen Erlebnissen geprägt ist. Alle Teller zeigen eigentlich unterschiedliche Geschichten, wobei das alles meine persönlichen Geschichten und Narben sind. Zudem versuche ich in all meinen Bildern, das Gefühl von Ruhe und vom inneren Frieden wiederzugeben. Auch mithilfe der Farbe Blau.
Glauben Sie, dass Ihre Kunst in Ihrer Studienstadt Paris anders ist als in Luxemburg beziehungsweise in Vianden?
Auf jeden Fall! In Vianden haben ganz andere Einflüsse auf mich eingewirkt: Hier in Luxemburg bin ich ruhig und von der Natur umgeben. Paris ist natürlich eine Großstadt, das ist ein enormer Unterschied, vor allem, weil ich dort auch nicht den Platz habe, derart große Projekte zu erstellen. Aber auch thematisch bietet Paris ganz andere Inspirationsquellen.