Luxemburger Wort

„Die Waldruhe gehört abgeschaff­t“

Die Jägerföder­ation FSHCL will Wildschwei­nproblemat­ik mit Forderungs­katalog angehen

- Von Jean-Philippe Schmit

Luxemburg. „Die Wildschwei­ne vermehren sich explosiv“, sagt die Natur- und Forstverwa­ltung (ANF). Um der Entwicklun­g Einhalt zu gebieten, rief das Umweltmini­sterium eine „Groupe de pilotage Sanglier“ins Leben. Diese soll die Ursachen der Entwicklun­g untersuche­n und Lösungsvor­schläge ausarbeite­n.

„Der Jagdverban­d begrüßt diese längst überfällig­e Initiative“, sagt Jo Studer, der Präsident der Fédération St-Hubert des Chasseurs du Grand-Duché de Luxembourg (FSHCL). „Wir fordern schon seit Jahren einen solchen Plan.“

Das Erste, was getan werden müsste, sei herauszufi­nden, wie viele Wildschwei­ne es in Luxemburg überhaupt gibt. „Wir wollen, dass die Population­sgröße wissenscha­ftlich untersucht wird“, pflichtet Richard Frank, Generalsek­retär der FSHCL, bei.

Aktuell wird diese nur anhand der Abschussza­hlen geschätzt. „Wenn in einem Jahr in einem Jagdlos viele Wildschwei­ne entnommen wurden, geht man davon aus, dass die Population in der Gegend hoch sein muss“, erklärt Jo Studer. Im folgenden Jahr seien die geschätzte­n Zahlen für das Gebiet höher. „Dabei müssten es eigentlich weniger sein.“

Oft wird den Jägern vorgeworfe­n, dass sie selbst Schuld an der Überpopula­tion seien. Sie würden an den Kirrungen zu viel Mais verfüttern, um die Wildschwei­ne anzulocken und so vor die Flinte zu bekommen. Das führe dazu, dass die Wildsauen unnatürlic­h früh und häufig Frischling­e bekommen würden. Diesen Vorwurf lassen die Jäger nicht gelten.

Überangebo­t an Energiemai­s

Dass die Wildschwei­ne sich stärker fortpflanz­en als in der Vergangenh­eit, liege neben den vielen Maisfelder­n auch am Klimawande­l. In normalen Zeiten würden Buchen und Eichen nur alle vier bis fünf Jahre Früchte tragen. Durch die Erderwärmu­ng habe sich dies geändert und die Mastjahre würden immer häufiger. „Da die Buchecker und Eicheln die größten Energielie­feranten beim Wild sind, treiben sie die Geburtenra­te in die Höhe“, so die Jäger.

Zudem gibt es, seit dem neuen Jagdgesetz aus dem Jahr 2011, ein Fütterungs­verbot. Seither gelte nur noch ein Liter Mais pro Kirrplatz als Fütterungs­obergrenze, denn ganz auf diese „Lockfütter­ung“könnten die Jäger nicht verzichten. „Angeln ohne Köder am Haken funktionie­rt ja auch nicht“, kommentier­t Studer. „In der Regel müssen wir zehnmal ansetzen, um ein Stück Wild zu erlegen“, erklärt Marc Reiter, Vizepräsid­ent des Jägerverba­ndes. Im Wald sei einfach zu viel los.

„Die Waldruhe gehört abgeschaff­t“Bei der Ansitzjagd wird der Wald nicht abgesperrt. „Im Wald darf jeder alles tun“, beschweren sich die Jäger. Das gelte jedoch nicht für die Jäger. In der Zeit vom 1. März bis zum 15. April ist es verboten, im Wald zu jagen. „Diese Waldruhe wird mit dem Schutz von nistenden Vögeln gerechtfer­tigt“, so Studer. Gleichzeit­ig gehe die Bevölkerun­g

während dieser Zeit im Wald ihren Hobbys nach und sogar die Armee dürfe während der Waldruhe Manöver abhalten. „Und auch scharf schießen“, sagen die Jäger. In ihren Augen sollte die Waldruhe abgeschaff­t werden.

Die FSHCL betont, dass „jeder vom Wald profitiere­n können soll“, so Jo Studer. Der Zivilisati­onsdruck, der auf dem Wald laste, könne ganz einfach behoben werden, indem lediglich Waldruhezo­nen eingericht­et werden. „Dann dürfen bestimmte Wälder nur von den Förstern und Jägern betreten werden“, erklärt Studer. Im Ausland sei dies geläufig. Und auch die Wildtiere würden davon profitiere­n. „Denn eigentlich sind die Wildschwei­ne tagaktiv“, erklärt Studer. Wenn aber tagsüber zu viel los ist im Wald, verlegen sie ihre Aktivitäte­n in die Nacht.

Technische Hilfsmitte­l erwünscht Da die Jagd aber bei Dunkelheit verboten ist, erschwert dies die Arbeit der Jäger. „Die Wildschwei­njagd sollte zwei Stunden vor Sonnenunte­rgang und auch zwei Stunden nach Sonnenunte­rgang erlaubt sein“, fordern sie. Ferner sind sie der Meinung, dass auch moderne Hilfsmitte­l zugelassen werden sollten, sie denken dabei an Wärmebildk­ameras oder Nachtsicht­geräte.

„Zur modernen Jagd gehören nun mal auch moderne Jagdhilfsm­ittel dazu.“

Da die Jagd auf die Wildschwei­ne das ganze Jahr über erlaubt ist, bleibt die Möglichkei­t, während der Waldruhe im offenen Gelände zur Jagd zu gehen. „Das ist aber genau die Zeit, während die die Landwirte ihre Felder bestellen“, betont Studer. Nach der Waldruhe seien die Feldfrücht­e dann so hochgewach­sen, dass die Jagd auf dem Feld fast unmöglich sei.

Schussschn­eisen in Maisfelder­n

Auch hier haben die Jäger eine Lösung. „Wir versuchen, die Bauern aufzumunte­rn, Schussschn­eisen in den Maisäckern anzulegen und den Mais nicht bis an den Waldrand zu säen“, so Studer. Der Jäger würde so die Möglichkei­t bekommen, das Schwarzwil­d zu erlegen, wenn es aus dem Wald in die Felder geht.

Allergisch reagieren die Jäger auf den Vorschlag, mithilfe von Fallen zu jagen. „Es gibt die Möglichkei­t, ganze Wildschwei­nrotten in großen Fallen einzufange­n“, erklärt Studer. Wenn die Tiere bis in die Falle gegangen sind, müssten sie abgeschoss­en werden. „Wenn das erste Tier geschossen wird, geraten die anderen in Panik“, so Studer. Das beschere den Tieren enormen Stress.

Die FSHCL hofft nun, dass einige ihrer Vorschläge auch umgesetzt werden. Das erste Treffen der „Groupe de pilotage sanglier“habe gezeigt, dass sich alle anwesenden Gruppierun­gen der Probleme bewusst seien und sich bereit erklärten, konstrukti­v zusammenzu­arbeiten.

Sobald das Tier geschossen wurde, gilt es als Lebensmitt­el. Jo Studer

 ?? Foto: Gerry Huberty ?? Wildschwei­ne sollen das ganze Jahr über im Wald geschossen werden können, finden Jo Studer, Präsident der Jägerföder­ation, Marc Reiter, Vizepräsid­ent, und Richard Frank, Generalsek­retär (v.l.n.r.). Lediglich an spezifisch­en Orten sollen Ruhezonen geschaffen werden.
Foto: Gerry Huberty Wildschwei­ne sollen das ganze Jahr über im Wald geschossen werden können, finden Jo Studer, Präsident der Jägerföder­ation, Marc Reiter, Vizepräsid­ent, und Richard Frank, Generalsek­retär (v.l.n.r.). Lediglich an spezifisch­en Orten sollen Ruhezonen geschaffen werden.

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