„Ich bin eine aus dem Volk“
Schauspielerin Katerina Jacob über Senioren auf dem Bildschirm, ein mögliches Karriereende und Brustkrebsvorsorge
Die Krimiserie „Der Bulle von Tölz“machte sie bekannt: Jahrelang ermittelte Katerina Jacob in dem populären Format an der Seite von Ottfried Fischer im bayerischen Voralpenland. Im Fernsehfilm „Anna und ihr Untermieter“– zu sehen heute um 20.15 Uhr in der ARD – spielt die 64-jährige gebürtige Münchnerin eine patente Frührentnerin, die ein Zimmer ihrer Wohnung an einen älteren Herrn (Ernst Stötzner) vermietet und ständig mit ihm im Clinch liegt.
Katerina Jacob, in „Anna und ihr Untermieter“geht es um Senioren. Kommt diese Generation im Fernsehen häufig zu kurz?
Ja, im deutschen Fernsehen schon. In Filmen gibt es im Hintergrund zwar bisweilen die nette Großmutter, aber es geht nicht wirklich um diese Personengruppe. Ich glaube jedoch, es tut sich jetzt was. Die Amerikaner haben
Ich trage nicht Kleidergröße 36, ich habe meine grauen Haare, ich sehe aus wie 80 Prozent der Frauen in diesem Alter aussehen.
es uns mit Serien wie „Kominsky Method“mit dem fast 80-jährigen Michael Douglas vorgemacht, und was dort gang und gäbe ist, kommt jetzt endlich hier auch an.
Ältere Menschen rücken auch in der deutschsprachigen Fernsehlandschaft stärker in den Fokus?
Ich glaube ja. Nehmen Sie „Anna und ihr Untermieter“. Als ich die Rolle bekommen habe, habe ich zehnmal nachgefragt: Meinen die wirklich mich? Muss ich jetzt erst 20 Kilo abnehmen? Aber nein, es hieß, ich sei ihre Traumbesetzung. Ich glaube, dass viele Leute sich mit der Protagonistin identifizieren können und sagen: Hey, die sieht aus wie ich, aber das ist eine Macherin!
Verstehen Sie sich als Role Model für Ihre Generation?
Ja! Ich bin eine aus dem Volk. Ich trage nicht Kleidergröße 36, ich bin weder geliftet noch sonst was, ich habe meine grauen Haare, ich sehe aus wie 80 Prozent der Frauen in diesem Alter ausschauen. Ein gelebtes Gesicht, das zeigt, was es erlebt hat, ist doch etwas ganz Tolles. Warum soll ich mir denn mit Operationen mein Leben aus dem Gesicht wegretuschieren?
Waren Sie immer schon so mit sich im Reinen?
Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, ich fand immer alles toll an mir. Ich habe auch schon einige Diäten gemacht, aber eher aus gesundheitlichen Gründen. Es ist doof, schnaufend erst dann oben auf dem Berg anzukommen, wenn alle anderen schon mit der Jause fertig sind und wieder absteigen wollen.
Lange hieß es, Frauen jenseits der 50 bekommen keine Rollenangebote mehr. Hatten Sie selber eine Durststrecke?
Ja natürlich. Dadurch, dass ich nach Kanada gezogen bin (ihr Mann Jochen Neumann ist Deutsch-Kanadier, Anm. d. Red.) und mich auf diese Art selber rausgenommen habe, wurde es noch schwieriger. Die Durststrecke kam nach dem „Bullen“, da war ich erstmal verbrannt, weil man hierzulande nach so einem Erfolg immer auf ein Rollenfach festgenagelt ist.
Sie meinen die Krimireihe „Der Bulle von Tölz“, in der Sie an der Seite von Ottfried Fischer im schönen Bayern ermittelten …
Danach war erst einmal tote Hose. Es hieß: Die hat immer die Kommissarin gespielt und die bleibt jetzt Kommissarin, die können wir für andere Rollen nicht benutzen. Ich habe Castings für andere Serien gehabt, unter anderem für die Nonne in „Um Himmels Willen“mit Fritz Wepper. Meine Kollegin Janina Hartwig und ich waren am Ende übrig, und Fritz Wepper hat sich gegen mich entschieden. Wir sind ja befreundet, und später habe ich ihn gefragt, was das sollte. Da hat er gesagt: „Schatz, bei dir hätte ich im Geiste immer Strapse unter der Kutte gesehen.“Dieses Kompliment hat mich eine Rolle gekostet.
Vor drei Jahren wollten Sie die Schauspielerei sogar mal ganz hinschmeißen ...
Weil nur Schrottangebote kamen. Frau ab 60, die im Rollstuhl sitzt und im ganzen Film nur ein Wort sagen darf. Oder die Großmutter, die nur nett zwitschernd durch die Gegend spaziert. Da sage ich: Habt ihr einen Schuss? Ich bin doch Schauspielerin, ich gehe nur vor die Kamera, wenn es ein super Buch ist, wenn es eine gute Rolle ist, wenn ich die Kollegen als Schauspieler akzeptieren kann. Und natürlich muss auch noch das Geld stimmen. Und „Anna“hat genau das gebracht.
Und inzwischen sprudeln die Rollenangebote wieder?
Nein, leider nicht. Es ist nach wie vor für Frauen in unserem Alter sehr schwierig.
Die Filmfigur Anna in „Anna und ihr Untermieter“muss sich Haus und Hof mit einem anderen Menschen teilen. Wie stellen Sie sich das Wohnen im Alter vor?
Das ist die große Frage. Mein Mann ist ja 15 Jahre älter als ich, und die Möglichkeit, dass er vor mir stirbt, ist relativ groß. Komme ich nach Deutschland zurück oder bleibe ich in Kanada? Gehe ich in ein tolles Altersheim? Gehe ich zurück ins Haus meiner Mutter, das schon altersgerecht umgebaut wurde, und eine Pflegekraft würde mit mir im Haus wohnen? Ich weiß es nicht.
Sie haben vor einer Weile öffentlich gemacht, dass Sie sich wegen mehrere Knoten in der Brust einer
Operation unterziehen mussten. Warum diese Offenheit?
Ich habe etwa 180 000 Follower bei Facebook und Instagram, und die Leute nehmen mich als Vorbild. Was mich unglaublich ehrt. Und wenn ich was bewirken kann, wenn ich Frauen dazu bringen kann, zur Mammografie zu gehen, und ich rette damit nur zwei Leben, hat sich das gelohnt. Sie glauben gar nicht, wie viele E-Mails ich bekomme von Frauen, die sagen: Durch Sie bin ich zur Mammografie und man hat etwas bei mir gefunden. Eine Freundin und eine Nachbarin haben mir erzählt, dass sie beide Brustkrebs hatten, aber ich hatte davon keine Ahnung. Die Krankheit wird immer noch tabuisiert.
Wollen Sie dieses wichtige Thema bewusst aus der Tabuzone rausholen?
Ja, denn in vielen Fällen ist der Krebs heilbar. Warum haben die Frauen so eine irrsinnige Angst, dass sie ihre Haare verlieren? Die wachsen doch wieder. In Kanada habe ich viele Frauen gesehen, die ohne Augenbrauen, ohne Haare rumgelaufen sind, die ganz unbekümmert damit umgegangen sind. Also auch in dieser Hinsicht sind die dort weiter als wir.
Wenn ich Frauen dazu bringen kann, zur Mammografie zu gehen, und ich rette damit nur zwei Leben, hat sich das gelohnt.