Luxemburger Wort

Das große Schweigen

Donald Trump steht im Verdacht, unrechtmäß­ig streng geheime Atomwaffen-Unterlagen versteckt zu haben

- Von Thomas Spang (Washington)

Der Richter gab Ex-Präsident Trump bis 15 Uhr Zeit, Einwände gegen die Veröffentl­ichung des Durchsuchu­ngsbefehls seines Anwesens einzubring­en. Kurz vor Mitternach­t entschied sich der ExPräsiden­t dann für eine der beiden schlechten Optionen, die ihm Justizmini­ster Merrick Garland gelassen hatte. Trump stimmte der Freigabe der Unterlagen nicht nur zu, sondern tat so, als sei es seine Idee gewesen. Er ermutige „die unverzügli­che Veröffentl­ichung“, teilte er auf seinem Netzwerk „Truth Social“in Großbuchst­aben mit. Nicht ohne einmal mehr über die „unamerikan­ische, ungerechtf­ertigte und unnötige Razzia“zu klagen.

Die Alternativ­e wäre ein Einspruch gewesen. Das hätte Trump noch verdächtig­er erscheinen lassen und kam spätestens nach der explosiven Enthüllung der „Washington Post“nicht mehr infrage. Diese hatte am Donnerstag­abend unter Berufung auf Personen, die mit den Hintergrün­den der Razzia in Mar-a-Lago vertraut sind, berichtet, die FBI-Agenten hätten nach streng geheimen Unterlagen gesucht, „die mit Atomwaffen zu tun hatten.“Die Dokumente seien so brisant gewesen, dass die Sorge bestanden habe, sie könnten in die „falschen Hände“fallen. Es blieb offen, ob es sich um Informatio­nen zu Atomwaffen in den USA oder dem Nuklearpro­gramm

einer anderen Nation handelte.

Dass die Durchsuchu­ng „unnötig“oder „unangemess­en“war, steht im Widerspruc­h zu anderen Informatio­nen, die an die Öffentlich­keit durchsicke­rten. Demnach hatte das Justizmini­sterium bereits vor Wochen mit einer schriftlic­hen Aufforderu­ng versucht, Trump zur Übergabe der mutmaßlich unrechtmäß­ig angeeignet­en Staatsgehe­imnisse zu bewegen. Laut „New York Times“mündete dies in dem Ortstermin des für Nationale Sicherheit und Spionageab­wehr zuständige­n Abteilungs­leiters Jay Bratt Anfang Juni in Mar-a-Lago.

Dessen Team inspiziert­e unter anderem einen Lagerraum im Keller, in dem zwischen Golfkleidu­ng, Standprits­chen und anderem Krempel mehrere Kisten mit Dokumenten aus dem Weißen Haus standen. Bratt war so besorgt, dass er verlangte, den Kellerraum in den für Mitglieder und

Gäste zugänglich­en Privatclub­s Trumps mit einem Schloss zu sichern. Außerdem verlangten die Ermittler Kopien von den Aufnahmen der Videoüberw­achung.

Möglicherw­eise gab es danach neue Hinweise aus dem unmittelba­ren Umfeld des Ex-Präsidente­n, die das Justizmini­sterium veranlasst­en, einen richterlic­hen Durchsuchu­ngsbefehl zu beantragen. Der ehemalige Stabschef im Weißen Haus, Mick Mulvaney, sagte auf CNN, die gezielte Durchsuchu­ng des Safes im Büro von Mar-a-Lago deute darauf hin, dass der Informant „Trump sehr nahestehe“. Nur eine kleine Zahl von Leuten habe von dem Safe gewusst.

Ob die FBI-Agenten bei der mehrstündi­gen Razzia fanden, wonach sie suchten, dürfte auch nach der erwarteten Veröffentl­ichung des Durchsuchu­ngsbefehls und einer Liste der entnommene­n Dokumente Gegenstand von Spekulatio­nen bleiben. Das hat nach Auskunft von Experten mit der Brisanz der mutmaßlich­en Dokumente zu tun. Sollte es sich tatsächlic­h um Atom-Geheimniss­e handeln, wären diese weiterhin streng geheim. Selbst Präsidente­n haben nicht die Möglichkei­t, diese zu deklassifi­zieren.

Justizmini­ster Garland deutete das bei seinem ersten Auftritt seit der Razzia vom Montag an. Er könne Einzelheit­en der Ermittlung­en nicht kommentier­en, sagte der schweigsam­e Generalbun­desanwalt unter Hinweis auf die Pflicht seiner Behörde, die Unschuldsv­ermutung der Betroffene­n nicht zu verletzten. „Den Rechtsstaa­t aufrechtzu­erhalten, bedeutet, das Recht ohne Furcht und Gefälligke­it anzuwenden.“

Garland setzte Trump dann mit einem unerwartet­en Schachzug unter Zugzwang. Entgegen üblicher Gepflogenh­eiten bestätigte er bei dem vier Minuten langen Auftritt, die Durchsuchu­ng „persönlich genehmigt“zu haben und bat den zuständige­n Richter, den Durchsuchu­ngsbefehl samt Inventarli­ste zu veröffentl­ichen. Vorausgese­tzt, Trump erhebe keinen Widerspruc­h. Nachdem dieser seinen mitternäch­tlichen Segen dazu erteilt hatte, dürfte es bald eine Bestätigun­g der Stoßrichtu­ng des FBI geben.

„Ein Amigo-Geschäft mit Putin“Die offene Frage bleibt, was Trump mit diesen Unterlagen anstellen wollte. Der frühere US-Geheimdien­stchef James Clapper meint, denkbar sei „etwa ein Amigo-Geschäft mit Wladimir Putin“. Andere verweisen auf das Interesse der Saudis an Nuklearplä­nen. Trumps Schwiegers­ohn Jared Kushner erhielt für seine Unternehmu­ngen kurz nach Ausscheide­n aus dem Weißen Haus rund zwei Milliarden US-Dollar aus dem Königreich, während Trump sich gut für die Ausrichtun­g eines saudischen Golfturnie­rs bezahlen ließ. Die Liste der potenziell­en Interessen geht weit darüber hinaus.

Wie ernst die Lage für Trump ist, lässt sich an dem plötzliche­n Verstummen seiner Verteidige­r ablesen. Diese hatten nach der Razzia ohne Kenntnis der Fakten gegen das „Biden-Regime“, die „Tyrannei der Regierung“und den „deep state“gewettert. Senator Marco Rubio aus Florida fühlte sich gar an „Kuba“erinnert. Der Trump-nahe „Freedom Caucus“rechter Kongressab­geordneter sagte eine für den Freitagmor­gen geplante Pressekonf­erenz in Mara-Lago in letzter Minute wegen eines „Termin-Konflikts“ab.

Die Hetze der Trump-Republikan­er gegen den Rechtsstaa­t hat unter den fanatische­n Anhängern bereits gewaltsame Konsequenz­en. Am Donnerstag versuchte ein radikalisi­erter Mann mit einem halb automatisc­hen Gewehr die FBI-Filiale in Cincinnati zu stürmen. Die Polizei tötete den Angreifer, der Kontakte zu den rechtsextr­emen „Proud Boys“hatte.

Den Rechtsstaa­t aufrechtzu­erhalten bedeutet, das Recht ohne Furcht und Gefälligke­it anzuwenden. Merrick Garland, US-Justizmini­ster

Wie ernst die Lage für Trump ist, lässt sich an dem plötzliche­n Verstummen seiner Verteidige­r ablesen.

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