Luxemburger Wort

Spanien brennt

Seit 1994 ist nicht mehr so viel Wald in Flammen aufgegange­n wie dieses Jahr

- Von Martin Dahms (Madrid)

Letztes Jahr verbrannte­n in Spanien an die 85 000 Hektar Wald. Dieses Jahr, bis zum Freitag, sind es schon 245 000 Hektar, was fast der Fläche Luxemburgs entspricht – und es brennt immer weiter. „Die Feuerkrise hört nicht auf“, sagt Mónica Parrilla, Waldbrande­xpertin von Greenpeace Spanien. „Was in einem Jahr nicht brennt, brennt im nächsten.“Das klingt fatalistis­ch, ist aber nicht so gemeint.

Spanien hat mit dem Feuer zu leben gelernt. In den 1980er-Jahren brannten jährlich durchschni­ttlich 236 000 Hektar Wald, in den 2010er-Jahren waren es noch 96 000 Hektar, weniger als die Hälfte. Dieses Jahr ist ein ganz außergewöh­nliches Katastroph­enjahr. Zum letzten Mal brannte es 1994 so schlimm; da gingen im ganzen Jahr 438 000 Hektar Wald in Flammen auf. Danach wurden in Spanien die Gesetze geändert: Seitdem darf abgebrannt­er Wald nicht mehr in Bauland umgewidmet werden, und Brandstift­ung wurde zur Straftat erklärt. Das half gegen die Feuerteufe­l.

Warum es dieses Jahr wieder so schlimm aussieht wie vor langer

Zeit, dafür gibt es keine alles erklärende Antwort. „Unser Regierungs­chef sagt: Der Klimawande­l tötet“, bemerkt Parrilla. Der sozialisti­sche Premiermin­ister, Pedro Sánchez, vergesse aber zu erwähnen, dass die öffentlich­en Verwaltung­en ihre Aufgaben schlecht erfüllten. „Nur vom Klimawande­l zu reden, ist ein einfacher Weg, sich vor der eigenen Verantwort­ung zu drücken.“Die Verantwort­ung, von der die Greenpeace-Expertin spricht, ist das Waldmanage­ment, das sie für dringend verbesseru­ngsbedürft­ig hält.

Spanien ist in den vergangene­n Jahrzehnte­n immer besser darin geworden, Feuer zu vermeiden, Feuer frühzeitig zu erkennen und diese Feuer schnell zu löschen. „Die

Brandbekäm­pfer machen sehr gute Arbeit, trotz ihrer schlechten Arbeitsbed­ingungen“, sagt Parrilla.

Um sich einen Eindruck von den Fortschrit­ten zu machen, nehme man die Zahlen von 2012, das ein ziemlich, aber nicht ganz so katastroph­ales Waldbrandj­ahr war wie dieses. Damals brachen bis Ende Juli 11 661 Feuer aus, von denen 63 Prozent so frühzeitig entdeckt wurden, dass sie weniger als ein Hektar Land verbrannte­n. Dieses Jahr gab es deutlich weniger Brände, nämlich 6 816, von denen 68 Prozent früh genug erspäht und gelöscht wurden, um sich nicht weiter auszubreit­en.

„Mosaikarti­ges“Gelände schaffen Das Drama dieses Jahres aber ist, dass sich von den 2 183 verbleiben­den Bränden 37 zu veritablen Feuerwalze­n entwickelt­en, die jeweils mehr als 500 Hektar Land verbrannte­n. Die gewaltigst­e von ihnen, in der Sierra de Culebra nahe der portugiesi­schen Grenze, machte sich über 25 000 Hektar her. Das war einer der schlimmste­n Waldbrände in der jüngeren spanischen Geschichte. Anfangs verbrannte­n dort 1 700 Hektar pro Stunde. Das Feuer war ein gefräßiges Monster.

Weil es gut zu fressen bekam. Mónica Parrilla sagt das so: „Wenn wir uns nicht um den Wald kümmern, kümmert sich das Feuer um ihn.“Eine noch so gute Feuerwehr ist machtlos, wenn eine große zusammenhä­ngende Waldfläche einmal in Brand geraten ist. Zumal, wenn Hitze und Trockenhei­t Bäume und Büsche zu Zunder verwandelt haben, der nur auf seinen ersten Funken wartet.

Wenn Parrilla also von besserem Waldmanage­ment spricht, meint sie vor allem eine Landschaft­splanung, die ein „mosaikarti­ges“Gelände aus abwechseln­d Wald und Wiese schafft, oder doch mindestens für genügend zahlreiche und breite Feuerschne­isen sorgt. Das hält sie für die zentrale Aufgabe einer effektiven, vorbeugend­en Waldbrandp­olitik.

Trotz aller Brände wächst die Waldfläche in Spanien (wie in der ganzen EU): laut Zahlen der Weltbank innerhalb der vergangene­n 30 Jahre von 29 Prozent des gesamten Landes auf heute 37 Prozent. Ursache ist der Rückzug der Landwirtsc­haft. Das hat einen paradoxen Effekt: Je mehr sich der (schlecht gepflegte) Wald ausbreitet, umso mehr wächst die Waldbrandg­efahr.

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Foto: AFP Von den 6 816 Bränden, die dieses Jahr ausgebroch­en sind, konnten 68 Prozent frühzeitig entdeckt werden.

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