Die neue Regierung weiß, dass sie die Gunst der Stunde nutzen muss und keine Zeit zu verlieren hat.
Der radikale Umbau der Wirtschaft könnte auch Europa und ganz besonders Deutschland treffen, das aus Kolumbien fünf Prozent seiner Kohleimporte bezieht und die Quote gerne erhöhen möchte. Die deutschen Stromkonzerne sind händeringend auf der Suche nach Ersatz für russische Kohle. Deutschland wird also möglicherweise nicht nur daheim die Klimawende verschieben, sondern sie auch im fernen Südamerika verzögern oder ganz verhindern. Noch hat sich die neue kolumbianische Regierung nicht zum deutschen Wunsch positioniert.
Ambitionierte Agenda
Petros Agenda ist ausgesprochen ambitioniert, zumal der linke Staatschef mit den Streitkräften und den Unternehmern immer noch wichtige Akteure gegen sich hat, die er für seine großen Reformen braucht. Vielleicht werden die kommenden Jahre auch nur eine Art Übergangsregierung, bei der mehr Fundamente für nachhaltige Veränderungen gelegt als tatsächlich aktuell Reformen umgesetzt werden. Aber wie auch immer: die neuen Machthaber sind entschlossen, ein friedliches und sauberes Kolumbien zu schaffen. Dafür gebührt ihnen jede Unterstützung.
Sein erstes bilaterales Treffen hielt Gustavo Petro Anfang der Woche dann auch vielsagend mit Gabriel Boric ab. Kolumbien und Chile wollen mit ihren jungen, aktuellen, aber zerbrechlichen Themen beispielgebend in Lateinamerika sein. „Unsere Komplizenschaft ist nicht nur rhetorisch“, sagte Boric in Bogotá. Man müsse dringend die Lebensqualität der Bevölkerungen und vor allem der strukturell Marginalisierten verbessern. „Das Herz Lateinamerikas beginnt im Takt zu schlagen“, unterstrich der chilenische Staatschef.