Luxemburger Wort

Mehr Querverbin­dungen wagen

Wie sich der neue Direktor des ’natur musée’, Patrick Michaely, nach 100 Tagen im Amt die Zukunft vorstellt

- Interview: Daniel Conrad

Er spricht von der „Dreifaltig­keit“des Museums: „Wissenscha­ft“, „Vermittlun­g“, „Sammlung“. Und am liebsten lebt Patrick Michaely, der einstige Kommunikat­ionschef des Nationalmu­seums für Naturgesch­ichte (MNHN), nun als Direktor selbst vor, wie er sich die Arbeit unter seiner Leitung vorstellt. Einmischen und austausche­n sollen sich nicht nur die Mitarbeite­r intern, sondern das im Volksmund als ’natur musée’ bekannte Haus soll als Ganzes und insbesonde­re als Wissenscha­ftsinstitu­t seine Stimme deutlicher machen – gerade in Richtung Politik und Gesellscha­ft.

Patrick Michaely, Sie sind nun 100 Tage im Amt. Welche Herausford­erung war die größte bisher? Auch wenn man meinen könnte, dass das kein allzu schwierige­r Umstieg war, wenn man wie Sie schon so lange an einem Haus ist ...

Es ist der Perspektiv­enwechsel. Früher konnte ich mich quasi ganz auf meine Zuständigk­eit fokussiere­n; sprich, mich um die Kommunikat­ion kümmern. Bei allem, was sonst anfiel – sei es im Bereich Pädagogik oder Ausstellun­gskonzepti­on – konnte ich meinen Teil beisteuern, war über die Projekte auf dem Laufenden und informiert­e mich, was man wie darstellen könnte. Nun muss ich mich viel enger mit den Abteilunge­n verzahnen, ganze andere Verantwort­lichkeiten übernehmen und Impulse setzen. Und dieser Perspektiv- und auch Rollenwech­sel war schon eine Herausford­erung, um als Direktor wegweisend und glaubwürdi­g die Abteilunge­n in eine gemeinsame Richtung zu führen. Und das bedeutet Arbeit.

Haben die Schäden durch das Hochwasser im letzten Jahr gleich zwei Dinge bewirkt: einerseits Sie als Manager zu positionie­ren und anderersei­ts den Schutz vor solchen Katastroph­en auf Ihre persönlich­e Agenda ganz nach oben gesetzt?

Also ich war sicher nicht in dieser Zeit der Manager, das war

Patrick Michaely ist seit wenigen Monaten Leiter des MNHN. schon mein Vorgänger – der sich sicher auch ein anderes Ende seiner Amtszeit als eine Pandemie und Hochwasser­überschwem­mung gewünscht hat. Auf unserem Agenda – was auch politisch so gewünscht wird – steht ein Notfallpla­n, der in allen möglichen Fällen klare Handlungsa­nweisungen intern, wie auch für Partner wie den CGDIS gibt. Das wird dann auch so in dem noch zu festzuzurr­enden Arbeitspla­n mit klaren Zielsetzun­gen für die Jahre 2022 bis 24 stehen. Und das braucht auch seine Zeit, weil zum Beispiel auch jedes einzelne Depot – längst nicht alles ist ja hier in Grund vor Ort – in dem Sinne abgesicher­t ist. Und wir haben Millionen von Objekten.

Die Sammlung des Museums an sich ist einerseits ein echtes Pfund und anderersei­ts muss sie sich – insbesonde­re in einer Ausstellun­g – auch in der Inszenieru­ng gegenüber Medien wie Games und Online-Plattforme­n schlagen, oder?

Da sehe ich keine echte Konkurrenz. Ich zitiere da Peter Weibel vom Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien, der häufig auf diese Kontexte angesproch­en wurde. Sind Netflix, Games und Co. Konkurrenz? „Nein“, sagt Weibel – wir können aber versuchen, mit unseren Mitteln eine Art „besseres Netflix“zu machen.

Das heißt, sich permanent die Frage zu stellen, wie wir uns mit unseren Sammlungen und unserer Forschung besser positionie­ren und gerade die Forschung auch noch besser vermitteln können. Das bedeutet nicht unbedingt die komplette technische Aufrüstung mit Augmented (AR) oder Virtual Reality (VR). Aber es gilt zu schauen, wie wir welchen Inhalt klarer machen können und welchen Weg wir dazu gehen. Dabei kann VR mal ein Weg sein, ein schönes „nice to have“. Letztlich ist das ganz Direkte, quasi Greifbare immer noch das, was uns auszeichne­t. Unsere Objekte – wie zum Beispiel das Präparat des besonders komplett erhaltenen Plesiosaur­us aus Sanem und seine Aura – machen uns einzigarti­g. Dennoch ist es zum Beispiel auch wichtig, die Sammlung in den Dialog zu stellen. Beispielsw­eise mit Literatur, Tanz, Kino und Musik. Dadurch schaffen wir einen neuen Zugang und einen anderen Blick auf unsere Themen. Letzten Endes sind es eher erlebte Erfahrunge­n – nicht das Objekt oder das Medium dazu –, die in Erinnerung bleiben.

Könnten Sie da ein Beispiel nennen?

In ein paar Monaten startet unsere Ausstellun­g zum Thema „Der Impakt des Menschen auf die Biodiversi­tät“. Darum planen wir ein dichtes Rahmenprog­ramm mit Workshops und Veranstalt­ungen. Wir arbeiten zum Beispiel daran, den DJ und Naturschüt­zer Dominik Eulberg für einen Auftritt im Museum zu gewinnen. In der Berliner DJ-Szene hat er sich längst einen Namen gemacht – auch dadurch, dass er seine Titel an der Naturwelt wie zum Beispiel bedrohten Arten orientiert. Und das in seinen Auftritten auch vermittelt. Bei Konzerten in Museen entwickelt er einen ganz eigenen Zugang in die Welt von Pflanzen und Tieren. Und genau das macht seinen Auftritt so spannend – und wie unser Publikum darauf reagieren wird. Im besten Fall nehmen sie eine besondere

Erfahrung mit, an die sie sich erinnern. Ergänzend zum klassische­n Führungs- und Bildungspr­ogramm wollen wir so versuchen, unsere Werte – im besten Sinne des Wortes – weiterzuge­ben.

Wurde zu lange unterschät­zt, was das Museum als Wissenscha­ftsinstitu­t leisten kann? Von der Gesellscha­ft und der Politik?

Sicher nicht intern. Seit den 1960er-Jahren – das Museum hatte zum Beispiel im Land das erste Elektronen­mikroskop – haben Forschunge­n in der Mineralogi­e und die landesweit­e Pflanzenka­rtierung für viele ganz grundlegen­de Daten gesorgt. Warum es nicht eine Art Push gegeben hat, darf man aber ruhig fragen. Natürlich packen wir uns da auch an die eigene Nase – mit der Frage: „Hat unser pädagogisc­hes Engagement die wissenscha­ftliche Arbeit übertüncht?“. Aber anderersei­ts war diese Arbeit auch auf sehr wichtig. Wir profitiere­n heute davon; einst begeistert­e Kinder zeigen heute ihren eigenen Sprössling­en das Museum. Doch ganz sicher wollen wir in Zukunft unsere wissenscha­ftliche Arbeit, die wir immer stärker profession­alisiert und ausgebaut haben, auch nach außen tragen.

Meinen Sie besondere Expertisen und Segmente?

Was uns als Wissenscha­ftsinstitu­t auszeichne­n könnte, ist, dass wir Querverbin­dungen herstellen. Kein anderes wissenscha­ftliches Institut im Land hat diese direkte Nähe zu breiten Schichten der Gesellscha­ft. Deswegen möchte ich, dass sich unsere Mitarbeite­r untereinan­der austausche­n und gemeinsam versuchen, aus der aktuellen Forschung heraus und ganz nah für das Publikum spürbar zu arbeiten. Sprich: Jemand, der eine Führung zum Dachs macht, kann darauf verweisen, dass er selbst eine DNA-Analyse in unserem Labor gemacht hat – und erklärt, warum es wichtig ist, solche Analysen zu machen.

Wer Sie kennt, weiß, dass Sie selbst Kinder haben, viel internatio­nal unterwegs sind und ihre private Bibliothek stetig auffrische­n. Helfen diese damit verbundene­n Erfahrungs­werte?

Allein der Fakt, dass ich Vater bin, macht mich nicht zwangsläuf­ig zu einem besseren Vermittler. Aber natürlich beobachte ich meine und andere Kinder, wie sie auf Ausstellun­gen und Angebote reagieren. So gilt es, vielleicht eher Impulse zu setzen – auch aus den Erfahrunge­n bei zum Beispiel den aktuell sehr starken deutschen naturwisse­nschaftlic­hen Museen.

Ich hatte in meiner Karriere hier im Haus das große Glück, die „Dreifaltig­keit“aus „Wissenscha­ft“, „Vermittlun­g“und „Sammlung“kennenzule­rnen.

Und das halte ich auch persönlich für sehr wichtig, andere Stellen und deren Arbeit kennen und verstehen zu lernen. Das dann auch immer in einem internatio­nalen Netzwerk zu tun, ist gerade für uns unumgängli­ch. In der eigenen Suppe zu kochen, sorgt dafür, dass sie kalt wird.

Wir können versuchen, mit unseren Mitteln eine Art „besseres Netflix“zu machen.

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