Luxemburger Wort

Alptraum Afghanista­n

- Von Françoise Hanff

Aiman al-Sawahiri ist tot. Die Nachricht der Beseitigun­g des Al-Kaida-Führers durch eine USDrohne geht am 31. Juli um die Welt und wirft damit ein Schlaglich­t auf Afghanista­n – das Land, das die USA und ihre Verbündete­n nach einem chaotische­n Abzug vor einem Jahr einfach seinem Schicksal überlassen haben. Denn in der Zwischenze­it ist das Land am Hindukusch in Vergessenh­eit geraten. Der Westen hat seine Aufmerksam­keit auf andere Themen gelenkt – vornehmlic­h auf Russlands Einmarsch in die Ukraine und die Wahrung seines eigenen Wohlstands. Dabei hätten die westlichen Länder allen Grund, Afghanista­n im Blick zu behalten.

Zum einen gibt die terroristi­sche Gefahr Anlass zur Sorge. Denn Al-Sawahiri war offenbar in der Villa des afghanisch­en Innenminis­ters in Kabul untergebra­cht. Dabei hatten die Taliban den USA im DohaAbkomm­en einen Bruch mit Al-Kaida zugesagt. Das Land am Hindukusch ist auf bestem Wege, wieder zur Spielwiese diverser Terroriste­ngruppen zu werden, die neue Anschlagsp­läne gegen westliche Hauptstädt­e aushecken.

Zum anderen ist es die desolate Menschenre­chtslage in Afghanista­n, die den westlichen Staatenlen­kern die Schamröte ins Gesicht treiben sollte. Denn sie waren es, die einer ganzen Generation Hoffnung auf Freiheit und Demokratie machten. Das ist nun alles Makulatur. Besonders im Schatten von Putins Krieg haben die Taliban Terror, Hausdurchs­uchungen, Festnahmen, Hinrichtun­gen, Folter, Schikanen und Unterdrück­ung verschärft. Am meisten zu leiden haben die Frauen, die fast gänzlich aus der Öffentlich­keit verbannt wurden. Mädchen wird der Zugang zu Bildung ab der sechsten Klasse und somit zu einer Zukunft verwehrt. Aber auch Minderheit­en und all jene Personen, die mit ausländisc­hen Organisati­onen zusammenge­arbeitet und/oder sich für freiheitli­che Werte eingesetzt haben, stehen im Fokus der Schergen.

Fast noch dramatisch­er als die Repression ist die Armut, mit der die Menschen im Alltag zu kämpfen haben. Laut UN ist die Hälfte der Bevölkerun­g akut von Hunger bedroht. Neben aufeinande­rfolgenden Dürren befeuern internatio­nale Sanktionen, ausbleiben­de Finanzhilf­en und eingefrore­ne Staatskont­en im Ausland die Wirtschaft­skrise. Der Westen knüpft seine Entwicklun­gshilfe an Bedingunge­n – und das ist auch richtig so. Er darf das menschenve­rachtende Regime der Steinzeit-Extremiste­n nicht anerkennen. Allein die Leidtragen­den sind die Menschen vor Ort. Ein wichtiges Puzzlestüc­k bleibt dabei die humanitäre Hilfe, die direkt bei den Notleidend­en ankommt. Diese muss verstärkt von den westlichen Staaten unterstütz­t werden. Auch muss die Evakuierun­g sogenannte­r Ortskräfte sowie von Menschen, die in Lebensgefa­hr schweben, dringend fortgeführ­t werden. Dass dies so lange dauert, ist ein Skandal.

Der Westen, allen voran die USA, hat in Afghanista­n eine historisch­e Demütigung erlitten und sein Gesicht verloren. Doch Schuldzuwe­isungen helfen nicht. Die Taliban sind gekommen, um zu bleiben. Das Land geht einer düsteren Zukunft entgegen.

Der Westen hat die Afghanen ihrem Schicksal überlassen.

Kontakt: francoise.hanff@wort.lu

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