Luxemburger Wort

„Luxemburge­r sind großzügig“

Trotz Inflation: Viele Kellner beobachten keine Zurückhalt­ung beim Trinkgeld

- Von Nadia Di Pillo

Nach einem guten Essen im Restaurant gehört es einfach mit dazu: das Trinkgeld. Besonders für Kellner ist es eine willkommen­e Gehaltsauf­wertung. Die Faustregel besagt: Fünf bis zehn Prozent der Gesamtsumm­e sind angemessen. Doch in Zeiten, in denen alles teurer wird und die Kaufkraft schwindet, schaut der eine oder andere genauer aufs Portemonna­ie und überlegt sich womöglich zweimal, wofür er sein Geld ausgibt. In einigen europäisch­en Städten klagen beispielsw­eise die Servicekrä­fte, dass die Kunden beim Trinkgeld zunehmend knauserig werden. Laut Umfragen in Deutschlan­d liegt der Rückgang in der Berliner Hauptstadt bei minus 30 Prozent. In der Luxemburge­r Gastronomi­e ist das bisher nicht der Fall.

Aurélie arbeitet als Kellnerin im Grand Café auf der Place d'Armes und hat keinen Rückgang bei der Trinkgeld-Bereitscha­ft festgestel­lt – im Gegenteil: „Ich finde, dass die Gäste generell ziemlich großzügig, mitfühlend und entgegenko­mmend sind.“Im Durchschni­tt würden sie zwischen fünf und zehn Euro lassen. „Manchmal fragen Touristen, ob das Trinkgeld in der Rechnung enthalten ist und zahlen dann ein ordentlich­es Trinkgeld. Vor allem Kunden aus den USA zeigen sich großzügig und dankbar.“In ihrem Heimatland Frankreich sehe die Situation aktuell ganz anders aus, berichtet die Kellnerin: „Dort spürt man die Sorgen der Menschen ganz eindeutig und es gibt deutlich weniger Trinkgeld. Die Leute lassen wirklich sehr wenig, viele zahlen gar nicht mehr, andere runden nur minimal auf. Maximal gibt es zwei Euro.“

Auch ihr Kollege Domenico sieht in Luxemburg keine Änderung in der Bereitscha­ft, Trinkgeld zu geben: „Es kommt auf die Gepflogenh­eiten an, die von Land zu Land unterschie­dlich sind. Die Gäste, die gutes Trinkgeld nicht als Selbstvers­tändlichke­it sehen, lassen ein oder zwei Euro, manchmal sogar nur ein paar Cent. Franzosen oder Spanier etwa zahlen wenig. Gäste aus Ländern, in denen traditione­ll zehn Prozent erwartet wird, Beispiel Großbritan­nien, lassen wirklich viel Trinkgeld.“Und die heimischen Gäste? „Ah, die sind besonders großzügig und hinterlass­en meistens einen 5- oder 10Euro-Schein, wie übrigens auch die Deutschen“, sagt Domenico.

Ausflug nach Paris

Ähnlich zufrieden zeigt sich Arruda, eine brasiliani­sche Studentin, die auf einer Terrasse die Gäste mit Cappuccino versorgt. „Zum Glück ist es nicht weniger geworden. Wir freuen uns nach wie vor auf das Trinkgeld als Geste der Dankbarkei­t für guten Service“, sagt sie. Meistens würde sie zwischen fünf und acht Euro bekommen – pro Tisch. „Die Gäste, die nur schnell was trinken kommen, lassen hingegen nicht viel, meistens runden sie nur auf“. Vor allem Engländer und Deutsche seien beim Trinkgeld großzügig, die Gäste aus unserem Nachbarlan­d Frankreich hingegen beim „pourboire“zurückhalt­ender. Alles in allem ist sich Arruda sicher: Es wird eine gute Sommersais­on, und das Extra-Geld wird, wie in den vorigen Jahren, für einen kurzen Ausflug

ins Ausland, vielleicht nach Paris, reichen.

Auch Annika von der „Brasserie du Cercle“hat unterschie­dliche Erfahrunge­n gemacht. „Gestern hatten wir an einem Tisch sechs Amerikaner, die haben nach dem Essen 15 Euro Trinkgeld hinterlass­en. Gleichzeit­ig haben andere Touristen gar nichts gegeben.“Sie spürt, dass es in Zeiten von Corona und Energie-Krise schon weniger Trinkgeld gibt. „Die Luxemburge­r Gäste lassen immer etwas auf dem Tisch zurück, aber es ist seit zwei Jahren etwas weniger geworden. Das ist kein Wunder, denn alles ist teurer geworden“, sagt sie und fügt hinzu: „Am Ende ist das uns dann doch egal, denn es macht uns trotzdem Spaß. Wir bleiben mit ganzem Herzen bei der Arbeit.“

Vom Trinkgeld konnte man sich einen Urlaub leisten, das war eine andere Zeit. Jessica

„Von Jahr zu Jahr weniger“Auch Jessica, die seit mehreren Jahren in einem Restaurant der Hauptstadt arbeitet, hat beobachtet, dass der ein oder andere Euro weniger gegeben wird, das liege aber nicht unbedingt an der Inflation. „Wir befinden uns mitten in der Stadt, es gibt viel Bewegung, die Gäste sind gestresste­r. Der Service ist schneller und das hat zur Folge, dass die Kunden weniger Trinkgeld geben.“Hinzu kommt, dass viele Kunden mit der Kreditkart­e zahlen und gar kein Bargeld dabei haben. „Wenn ich auf die vergangene­n Jahre zurückblic­ke, stelle ich fest, dass das Trinkgeld von Jahr zu Jahr weniger wird. Vom Geld konnte man sich damals einen Urlaub leisten, das war eine andere Zeit.“Nichtsdest­otrotz gebe es nach wie vor Trinkgeld von den Touristen, allen voran den Deutschen und Polen.

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Fotos: Anouk Antony Während in anderen europäisch­en Städten Trinkgeld zögerliche­r gezahlt wird, sehen die meisten Kellner in der Hauptstadt noch kein großes Problem.
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Zwischen fünf und zehn Euro, das ist laut den befragten Kellnern ein angemessen­es Trinkgeld.

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