Bäche und Flüsse trocknen aus
Wassermangel setzt Natur unter Stress
Luxemburg. Vom Rathaus der Stauseegemeinde in Boewen führt eine schmale Treppe hinunter zur Béiwener Baach. In den letzten Jahren konnte man hier im Sommer sitzen und die Füße ins Wasser strecken, doch seit zwei Wochen ist der Bach völlig ausgetrocknet. Das Bachbett aus Kieselsteinen lässt sich problemlos zu Fuß überqueren.
Sonja Probst und ihr Mann wohnen direkt nebenan im Dorfzentrum von Boewen. „Dass die Béiwener Baach komplett trocken war, hat es seit 1976 nicht mehr gegeben“, sagt die Anwohnerin.
Die Trockenheit hat Luxemburg fest im Griff. Seit März hat es viel zu wenig geregnet, seit Anfang Juli fast gar nicht mehr. Besonders deutlich sieht man die Auswirkungen im Ösling, wo sich die Bäche nur wenig aus Grundwasserquellen speisen, sondern in normalen Zeiten hauptsächlich aus Niederschlagswasser bestehen.
„Das Trinkwasser ist zu schade“Sonja Probst schüttelt den Kopf über die vielen Wochen der Trockenheit. Schon lange hat sie es aufgegeben, ihren großen, gepflegten Garten mit Leitungswasser zu gießen, sodass sich der Boden zwischen den Blumen in Staub verwandelt hat. „Trinkwasser ist zu schade, um es zum Gießen zu verwenden“, findet sie. Den alten Brunnen mit Schwengelpumpe vor ihrem Haus könnte sie jetzt gut gebrauchen – doch der ist seit dem Bau des Verkehrskreisels trocken.
Beim Wasserwirtschaftsamt in Esch/Alzette sieht man den Zustand der Bäche und Flüsse im Land mit Besorgnis. Ungewöhnlich ist, dass die Wasserläufe ihre extrem niedrigen Pegelstände schon so früh im Jahr erreichten. „Normalerweise registrieren wir die Tiefstände erst Anfang September“, meint Luc Zwank, stellvertretender Direktor des Wasserwirtschaftsamts. In diesem Jahr seien sie schon Ende Juli aufgetreten. Wegen der Notlage hat das Umweltministerium die Entnahme von Wasser aus den Bächen verboten, sogar wenn eine Genehmigung dafür vorliegt.
Auch der Regen der vergangenen Tage hat keine Entspannung gebracht. „Das war im wahrsten Sinne des Wortes ein Tropfen auf den heißen Stein, zumal der Regen nicht gleichmäßig über dem
Sonja Probst aus Boewen am Stausee.
ganzen Land niedergegangen ist“, sagt Luc Zwank. „Jetzt bräuchten wir lange anhaltende Niederschläge, damit der ausgetrocknete Boden wieder seine Feuchtigkeit zurückerhält.“
Während die Bäche kaum noch frisches Wasser von Niederschlägen und durch kleine Quellen bekommen, fließt ihnen fast nur noch geklärtes Abwasser aus den Kläranlagen zu. Was zunächst einmal unappetitlich klingt, sieht das Wasserwirtschaftsamt erst einmal positiv.
Geklärtes Abwasser hilft etwas
„Das Abwasser hilft schon bis zu einem gewissen Ausmaß“, meint Zwank. Weil Gemeinden und Abwassersyndikate in den letzten Jahren ihre Anlagen aufgerüstet hätten, sei das geklärte Abwasser in der Regel ziemlich sauber. Es enthält zwar viele Bakterien, „doch das ist für das Ökosystem nicht so problematisch“, meint Luc Zwank.
In Boewen, wo der sonst etwa zwei Meter breite Bach am anderen Ende des Dorfes in den Stausee mündet, ist die Situation vor allem für die Fische unangenehm. Sie haben sich in kleinen Tümpeln gesammelt, wo sie aus eigener Kraft aber nicht mehr wegkommen. „Für sie sind die niedrigen Wasserstände und stellenweise ausgetrockneten Bäche dramatisch“, sagt Carlo Hardt, Vorstandsmitglied des Sportfischerverbands. „In den Tümpeln sinkt bei den hohen Temperaturen nämlich der Sauerstoffgehalt.“Von der Trockenheit ist seiner Erfahrung nach ein Großteil des Großherzogtums betroffen: „Die Ober- und Untersauer, die Our und fast alle Bäche im Ösling haben kaum noch Wasser – ich habe so etwas seit 60 Jahren nicht erlebt“, meint Carlo Hardt.
Obersauer Stausee gut gefüllt
Ungewiss ist, wie schnell die Natur die Bachläufe zurückerobern wird, wenn im Herbst und Winter wieder normale Wasserstände erreicht sind. Manche Fischarten steigen schnell in die vormals ausgetrockneten Abschnitte auf, bei
Wie viele Bäche im Ösling ist die Béiwener Baach komplett trocken gefallen. Das war seit 1976 nicht mehr der Fall. anderen Arten kann es Monate oder sogar ein Jahr dauern, heißt es vom Wasserwirtschaftsamt.
Wenigstens ein Problem stellt sich derzeit nicht: Die Trinkwasserversorgung ist durch die Trockenheit nicht in Gefahr. Obwohl die Obersauer und die vielen anderen Zuflüsse dem Stausee kaum noch Wasser zuführen, ist er noch gut gefüllt, erklärt Christian Schroeder, stellvertretender Direktor der SEBES, die 80 Prozent der Luxemburger Bevölkerung mit Trinkwasser versorgt.
Die für gewöhnlich kritischen Monate Juni und Juli habe man gut überstanden. „Im August sinkt der Wasserverbrauch jedes Jahr, weil viele Menschen im Urlaub sind und der Bausektor als großer Wasserverbraucher wegfällt“, sagt Schroeder. Durch die Wasserentnahme und den Abfluss an der Staumauer in Esch/Sauer sinkt das Niveau des Stausees dennoch – um etwa sechs Zentimeter pro Tag.
Normalerweise registrieren wir die Tiefstände erst Anfang September. Luc Zwank, stellvertretender Direktor des Wasserwirtschaftsamts
Prognosen: August bleibt trocken Langfristig gibt es nur eines, das die Bäche und Flüsse in Luxemburg vor dem Kollaps retten kann: ergiebiger Regen. Doch da sieht es für den August nicht gut aus. Die Weltorganisation für Meteorologie sieht für die kommenden drei Wochen unterdurchschnittliche Regenfälle für Luxemburg voraus, wobei Prognosen für solche Zeiträume natürlich mit Unsicherheit behaftet sind.
Der Béiwener Baach würden zwei Wochen Regen jedenfalls richtig guttun. Dann könnten auch die Ruderboote wieder fahren, die jetzt noch fest am Ufer vertäut sind – vor ihnen erstreckt sich derzeit nur zentimetertiefes Wasser und eine große Schlammfläche.
Für Fische und Pflanzen ist die Lage dramatisch. Carlo Hardt, Sportfischerverband FLPS