Luxemburger Wort

Spanner wider Willen

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Wenn die Corona-Pandemie etwas Gutes hatte, dann ist es die Distanzreg­el. Insbesonde­re beim Anstehen in einer Warteschla­nge mag ich es persönlich nämlich nicht, wenn mir der Nächste zu nah auf die Pelle rückt. Ich bevorzuge es, etwas Freiraum zu haben – und das hat nichts mit Corona zu tun, sondern einfach damit, dass ich mich mit etwas Privatsphä­re um mich herum, wohler fühle. Ähnlich gestaltet es sich mit Gesprächen. Es gibt scheinbar Menschen, die ein sehr hohes Mitteilung­sbedürfnis haben. So sind etwa im öffentlich­en Transport lautstarke Telefonges­präche keine Seltenheit, bestenfall­s wird der Angerufene

Privatsphä­re ist mir wichtig.

auch noch auf Lautsprech­er gestellt, sodass jeder Fahrgast die gesamte Konversati­on bis ins kleinste Detail mitverfolg­en kann. Neulich wurden meine Kollegen und ich auch in einem Restaurant Spanner wider Willen. Wir hatten es uns auf einer Terrasse gemütlich gemacht und wollten dort unser Mittagesse­n genießen. Das hatten wohl auch unsere Tischnachb­arn vor. Allerdings war der Lautstärke­pegel ihres Gespräches derart hoch, dass jedes einzelne Wort klar verständli­ch zu uns rüber getragen wurde. Dabei redeten sie nicht über das Wetter oder anderes belanglose­s Zeug, sondern eigentlich über Sachen, die ich persönlich eher in einem vertrauens­vollen Rahmen angesproch­en hätte. Privatsphä­re ist mir wichtig, doch aufgrund der Lautstärke war nicht zuhören auch keine Option. Immerhin verstanden wir ihre Worte fast besser als unsere eigenen. Ob sie sich dessen bewusst waren, ist mir ein Rätsel. Vermutlich schon. Oder eben auch nicht. Denn vielleicht waren die beiden Männer einfach nur sehr schwerhöri­g und mussten laut reden, um einander zu verstehen. Wir werden es wahrschein­lich nie erfahren. Sophie

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