Wie viel muss ich als Nachbar ertragen?
Laue Sommerabende bedeuten oft auch Ruhestörungen
Esch/Alzette. Seit Wochen wird Luxemburg von kaum gekannten hohen Temperaturen heimgesucht. Somit verbringen viele Menschen ihre freie Zeit im Garten, wenn denn dort ein Pool steht, abends mit Freunden auf der Terrasse oder vor den Cafés. Genau das birgt aber auch Streitpotential. Dann nämlich, wenn sich Menschen gestört fühlen, weil beispielsweise die Nachbarsfamilie in der Garage ihr Mittagessen einnimmt und dabei die Musikanlage bis zum Abend voll aufgedreht ist. Ein nicht selten zu beobachtendes Phänomen, etwa in Esch. Auch, weil eben nicht jeder einen Garten hinter dem Mietshaus hat.
Schwierig sind auch Nächte, in denen gut gelaunte, angetrunkene Cafébesucher vor dem Lokal auf dem Bürgersteig stehen und Anwohner um ihren Schlaf bringen. Oder wenn der Mieter aus dem Erdgeschoss eine Hausparty veranstaltet und die Haustür gleich offen lässt, damit die Gäste unkompliziert reinschneien können.
Lärmschutz auf Facebook
Die Gemeinden sind sich über diese zweischneidige Sommerzeit längst im Klaren. So hat die Gemeinde Düdelingen etwa Anfang Juli prophylaktisch schon mal auf Facebook die Lärmschutzverordnung der Stadt gepostet. Eine Erinnerung daran, sich doch bitte an die geltenden Regeln zu halten. „Nachtruhe zwischen 22 Uhr und 7 Uhr morgens“, steht da zum Beispiel drin. Die Kommentare unter dem Post ließen nicht lange auf sich warten. Die einen schreiben über lärmende, heulende Motoren, die sie jede Nacht ertragen müssten, die anderen über „Menschen ohne Manieren, die vor den Cafés rücksichtslos Kaméidi machen“.
„Im ganzen Land wurde die Polizei dieses Jahr bislang rund 4 000 Mal wegen Ruhestörung kontaktiert“, teilt Ben Eich von der Polizei auf LW-Anfrage mit. Zu einzelnen Gemeinden könne er keine Zahlen mitteilen, „logischerweise werden in Ballungsgebieten – im Zentrum und Süden – oder größeren Städten aber häufiger Ruhestörungen gemeldet als in ländlicheren Gegenden, und auch häufiger an Wochenenden als unter der Woche“, so Eich weiter.
Die Gründe, warum sich Menschen wegen Ruhestörung an die Polizei wenden, seien unterschiedlich: Nachtlärm, eine laute Baustelle, Privatpartys und lärmende Nachbarn, laute Musik in einer Disco oder einem Café oder Events wie Konzerten.
Ben Eich führt aus, dass „man zwischen den jeweiligen initialen Meldungen, die bei der Polizei eingehen, und tatsächlichen Verstößen differenzieren“muss, „da sich durchaus vor Ort herausstellen kann, dass alle Regeln eingehalten wurden oder kein Lärm festgestellt werden kann.“
Dass die Polizei dann auch immer anrückt, sobald ein verärgerter Anrufer die 113 wählt, ist nicht garantiert: „Wenn eine Ruhestörung gemeldet wird, versuchen unsere Beamten diesen Meldungen im Rahmen der Möglichkeiten und je nach Dringlichkeit anderer Einsätze, die gerade anstehen, nachzukommen“, so Eich.
Wenn die Polizei dann doch kommt, könne die Situation meistens schon an Ort und Stelle geklärt und eventuelle Streitigkeiten geschlichtet werden. „Wenn ein Verstoß festgestellt wird, können die zuständigen Autoritäten informiert oder eine Anzeige erstattet werden.“Auch, wenn der Störenfried immer wieder auf ein Neues Ärger bereitet, sollte der Anwohner Anzeige erstatten.
Wer sich durch Lärm seitens der Nachbarn gestört fühlt, solle zunächst das Gespräch mit dem Nachbarn suchen und versuchen, sich im Dialog zu einigen, rät die Polizei. „Sollte auf diesem Weg keine Lösung gefunden werden oder es sich um ein Café handeln, kann man eine lokale Polizeidienststelle kontaktieren.“
Jeannot Behm würde nicht unbedingt dazu raten, immer erst das Gespräch mit dem Nachbarn zu suchen. Für den Leiter des Service écologique der Stadt Esch „prallen zwei Emotionen unmittelbar aufeinander“, nämlich der aufgebrachte Nachbar und der unbekümmerte Feierlustige. „Ab 22
Uhr herrscht Nachtruhe“, sagt er, „und wenn die nicht eingehalten wird, würde ich die Polizei rufen“, antwortet er resolut. Wenn also die Musik nebenan um diese Zeit weit über Zimmerlautstärke durch die Wände dröhnt – Behm nennt 35 Dezibel – müsse das niemand hinnehmen.
Beschwerden fast täglich
Auch die Gemeinde ist in diesen Wochen mit Beschwerden von Escher Bürgern beschäftigt. „Fast täglich kommen Beschwerden bei uns rein“, sagt Behm. Bei rund 100 pro Jahr liege der Schwerpunkt auf den Sommermonaten. „Juni, Juli, August und September sind traditionell die Monate, an denen die meisten Lärmbelästigungen gemeldet werden. Das ist normal.“Die meisten Ärgernisse gebe es über laute Cafés oder Leute, die nachts zu laut auf den Straßen unterwegs sind. Über das Bürgerportal report-it, das die Stadt Esch vor einigen Jahren ins Leben gerufen hat, können Bürger in einer Textmaske eine Nachricht hinterlassen und auf einer interaktiven Karte den genauen Standort markieren. „In den meisten Fällen müssen wir antworten, dass wir leider nichts tun können, da wir als Gemeinde keine Handhabe haben“, erklärt Behm. „Wir raten dann dazu, die Polizei einzuschalten.“Diese sei verpflichtet, eine Anzeige aufzunehmen.
Handelt es sich um ein Café, in dem es immer wieder zu Problemen kommt, könne die Gemeinde dem Café höchstens die Lizenz zur Nuit blanche, also die verlängerte Öffnungszeit bis 3 Uhr morgens, entziehen. „Das kommt in Esch drei- bis viermal im Jahr vor“, so Behm. Die Frage nach konkreten Café-Hotspots in Esch „kann und will ich nicht beantworten“, so der Beamte weiter. Eschern dürften ohnehin Orte wie das Grenzviertel oder die Kanalstraße als belebte Gegend nicht unbekannt sein.
„Wenn wir von Cafés wissen, die regelmäßig über die Stränge schlagen, schicken wir da unsere Bannhüter hin, um mit den Betreibern zu sprechen“, ergänzt Behm. Dann werde auch schon mal gedroht, die Lizenz wegzunehmen.
Ausnahmen seien Jubiläen wie neulich im weit über Esch hinaus bekannten Pitcher-Café. Das Lokal feierte im Juli 25 Jahre, dementsprechend viele Menschen belagerten die Bürgersteige der Grand-Rue bis tief in die Nacht. „Da haben wir auch Beschwerden bekommen, aber in dem Fall handelt es sich ja um eine einmalige Sache, genau wie die Francofolies und Wikibeach, da machen wir nichts.“
Ein Rat zu guter Letzt: Wer sich wegen einer Lärmbelästigung an die Polizei wenden will, sollte dies bestenfalls nicht erst am Tag danach tun. „Weil die Polizeibeamten den Lärm vor Ort dann möglicherweise nicht mehr feststellen und die Situation nicht entsprechend einschätzen können“, heißt es vonseiten der Polizei.
Manchmal stellen wir vor Ort fest, dass alle Regeln eingehalten worden sind. Ben Eich, Polizei