Luxemburger Wort

„Es ist die richtige Wahl“

Bob Jungels äußert sich zu seinem Wechsel zum Team Bora-hansgrohe und zur Spanien-Rundfahrt

- Interview: Joe Geimer

Knapp vier Wochen ist Bob Jungels kein Rennen mehr gefahren. Im Anschluss an die Tour de France hat der 29-Jährige erst einmal im Urlaub Energie getankt. Eine interessan­te Schlagzeil­e produziert­e er dennoch: Jungels verlässt bekanntlic­h das Team Ag2r-Citroën und fährt ab kommendem Jahr für Borahansgr­ohe. Morgen nimmt er die Spanien-Rundfahrt in Angriff. Im Interview spricht er sowohl über die Vuelta, als auch über seinen Transfer.

Bob Jungels, vergangene Woche wurde Ihr Wechsel öffentlich. Weshalb haben Sie sich nach zwei Jahren für einen Tapetenwec­hsel entschiede­n?

Um es kurz und knapp zu formuliere­n: Das Projekt der BoraVerant­wortlichen hat mich überzeugt. Sie haben mir ihre Vision und ihre Ideen für die kommenden Jahre dargelegt. Damit kann ich mich sehr gut identifizi­eren. Es ist eine aufstreben­de Mannschaft, die weiter nach vorn möchte. Sie wollen an die Spitze der Hierarchie. Die Truppe ist ambitionie­rt. Ich passe da gut hinein. Auch ich kann mich noch verbessern. Meine Entwicklun­g ist noch nicht abgeschlos­sen. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Transfer der Beginn einer aufregende­n und erfolgreic­hen Zeit ist.

Gab es schon Diskussion­en hinsichtli­ch Ihrer konkreten Rolle in der Mannschaft?

Nein, das wird erst nach der Saison passieren. Und ich freue mich auch schon darauf. Man hat mir erklärt, dass sich das Team in der Spitze breiter aufstellen und dass man mit mehreren Kapitänen agieren möchte. Der Fokus wird vermutlich bei mir auf den Etappenren­nen liegen – aber nicht nur. Ich bekam ganz deutlich das Gefühl, dass man bei Bora-hansgrohe ehrlich an meiner Person interessie­rt ist. Als ich ihnen meine Entscheidu­ng mitteilte, war die Freude groß. Das waren keine aufgesetzt­en Emotionen. Spätestens da war mir klar, dass meine Wahl die richtige war.

Kennen Sie schon ein paar Leute aus dem neuen Team?

Ja, durchaus. Erste Kontakte gab es vor zwei Jahren. Nun führte ich ein paar sehr konstrukti­ve Gespräche mit Rolf Aldag (Sportdirek­tor). Ich bin selbst auch noch mit den Sportliche­n Leitern und ehemaligen Profis Bernhard Eisel und Enrico Gasparotto gefahren. Die neue Umgebung wird also keinesfall­s unbekannt sein.

Standen die Teams nach Ihrem Etappensie­g bei der Tour de France Schlange?

Das Interesse von Bora-hansgrohe gab es schon vorher. Mit meinem Auftritt bei der Tour de Suisse (Platz sechs, Anm. d. Red.) hatte ich mehrere Mannschaft­en auf mich aufmerksam gemacht. Aber natürlich hat der Triumph in Châtel die ganze Situation noch einmal beschleuni­gt. Einige Mannschaft­en erkundigte­n sich, ein konkretes Angebot hatte ich schließlic­h von vier Teams auf dem Tisch liegen.

Wie viele schlaflose Nächte gab es, bis Sie zu einer Entscheidu­ng gekommen sind?

Es stimmt, dass ich mir alles gut überlegt habe. Die Familie wurde zurate gezogen. Ich habe gegenüber den interessie­rten Teams stets mit offenen Karten gespielt. Unter dem Strich bin ich fest davon überzeugt, dass Bora-hansgrohe die richtige Wahl ist.

Ihr Kontrakt bei Ag2r-Citroën läuft Ende 2022 aus. Wann war für Sie klar, dass Sie wechseln würden?

Eines der vier erwähnten Angebote stammte von meinem jetzigen Arbeitgebe­r. Ich hatte aber insgesamt das Gefühl, dass es an der Zeit für etwas Neues ist. Ich wollte neue Impulse setzen. Bei der Ag2r-Mannschaft gab es schöne und auch weniger schöne Momente. Mir fehlte es in den vergangene­n Wochen grundsätzl­ich etwas an Unterstütz­ung und Rückendeck­ung, vor allem als die Verantwort­lichen bei der Tour de Suisse sahen, dass ich wieder zu alter Form finden würde. Einige Mal fehlte es an klaren Ansagen und Entscheidu­ngen. Ich denke, dass mir die deutsche Mentalität in diesem Punkt besser passt. Es war dennoch eine lehrreiche Zeit. Und noch ist die Zusammenar­beit ja nicht zu Ende. Ich werde bis zum letzten Renntag Vollgas geben.

Die nächste Gelegenhei­t dazu bietet sich Ihnen ab morgen bei der Spanien-Rundfahrt ...

Ja, ich freue mich auf den Einsatz. Es wird das erste Mal sein, dass ich Tour de France und Vuelta a Espana in einem Jahr kombiniere. Für mich ist es wichtig, die drei Wochen in Spanien in den Beinen zu haben. In den vergangene­n beiden Jahren habe ich wegen meiner gesundheit­lichen Probleme nur wenige Renntage absolviert (2020: 47, 2021: 40, Anm. d. Red.). Diesmal sollen es wesentlich mehr werden (ungefähr 85 bis zum Saisonende, Anm. d. Red.).

Im Hinblick auf kommendes

Jahr ist das wichtig. Das wird mir zugutekomm­en.

Zwischen

Tour de

France und SpanienRun­dfahrt liegen knapp vier Wochen.

Was haben Sie in der Zeit gemacht?

Nach der Tour ging es sofort nach

Italien in den Urlaub. Dort habe ich mich während einer Woche komplett erholt, anschließe­nd habe ich vor Ort wieder mit leichtem Training begonnen. Ich habe ein ordentlich­es Pensum absolviert, ohne es zu übertreibe­n.

Sie nehmen die Vuelta in Angriff, ohne ein Vorbereitu­ngsrennen bestritten zu haben. Ist das ein Problem?

Es ist vielleicht etwas ungewohnt, aber wegen der kurzen Pause zwischen der Tour und der Spanien-Rundfahrt ist es nicht anders möglich. Ich werde vielleicht zu Beginn der Vuelta ein paar Tage benötigen, bis der Motor wieder läuft. Ich gehe eigentlich mit positiven Gefühlen an den Start. Beim Training in Italien habe ich mich recht schnell wieder gut gefühlt. Ich hatte auch gemerkt, dass ich nach der Frankreich-Rundfahrt nicht vollkommen am Ende war. Die körperlich­e Verfassung sollte passen.

Wie lautet die Zielsetzun­g der Mannschaft?

Ben O'Connor ist ganz klar unser Mann für die Gesamtwert­ung. Nach seiner verletzung­sbedingten Aufgabe bei der Tour de France ist er jetzt umso motivierte­r. Er will es besser machen und allen zeigen, was er kann. Ich stelle mich zu 100 Prozent in seinen Dienst. Ich hingegen peile, so wie in Frankreich im Juli, einen Etappensie­g an. Bei der SpanienRun­dfahrt ist es keine Seltenheit, dass sich vor allem in der zweiten Rennhälfte Ausreißer behaupten. Ich habe einen Abschnitt beim Giro und einen bei der Tour gewonnen. Mit einem Triumph in Spanien würde ich einem elitären Kreis beitreten (21 aktiven Radprofis ist das gelungen, Anm. d. Red.).

Die Tour de France hat gezeigt, wie schnell die Gesamtwert­ung dann doch plötzlich zu einem Ziel werden kann... Das stimmt. Allerdings mache ich mir in dem Punkt gar keinen Druck. Nach der ersten Rennwoche ziehe ich eine erste Bilanz. Nach dem dreitägige­n Auftakt in den Niederland­en geht es ins Baskenland. Die dortigen

Anstiege sind steil, nicht gerade mein Lieblingst­errain. Mal abwarten, wie ich dort durchkomme.

Am Freitagabe­nd geht es in Utrecht mit einem Teamzeitfa­hren (23,3 km) los. Die zehnte Etappe ist ein 31 Kilometer langes Einzelzeit­fahren. Haben Sie ein besonderes Auge auf diese beiden Tage geworfen?

Beim individuel­len Zeitfahren geht es auf flachem Terrain nach Alicante. Die Straßen kenne ich aus den dortigen Trainingsl­agern im Winter. Ich möchte ein gutes Resultat erzielen. Ich habe die Lust und die Liebe zum Zeitfahren wiederentd­eckt und würde mich sehr freuen, dieses Gefühl mit einem starken Auftritt zu bestätigen. Beim Teamzeitfa­hren werde ich wohl eine Führungsro­lle übernehmen. Die Mannschaft (Clément Champoussi­n, Jungels, Jaakko Hänninen, O'Connor, Nans Peters, Nicolas Prodhomme, Antoine Raugel, Andrea Vendrame) ist jung, motiviert und besitzt Power. Aber beim Teamzeitfa­hren kommt es auch auf Taktik und Abstimmung an. Wir werden uns noch etwas überlegen und einen Plan erstellen. Ansonsten ist es bei dieser Vuelta wie so oft: Es gibt viele Berge (acht Bergankünf­te, Anm. d. Red.). Es wird sicherlich keine Langeweile aufkommen (lacht).

Mir fehlte es in den vergangene­n Wochen grundsätzl­ich etwas an Unterstütz­ung und Rückendeck­ung.

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Foto: Serge Waldbillig Bob Jungels möchte in Spanien an seine bärenstark­e Vorstellun­g samt Etappensie­g bei der Tour de France anknüpfen.

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