Kosten der Untätigkeit
Lange war der Klimawandel ziemlich weit weg. Zwar wurde man regelmäßig mit Modellrechnungen und Szenarioanalysen bombardiert, die voraussagten, welche Katastrophen uns in zehn, 20 oder 40 Jahren erwarten könnten. Dennoch blieb das alles ziemlich abstrakt. Bis vor ein paar Jahren. Seither wird immer deutlicher, was der Klimawandel konkret für unseren Alltag bedeuten wird. Beinahe jedes Jahr werden neue Hitzerekorde aufgestellt. Wochen, manchmal Monate, ohne Regen fachen in ganz Europa Waldbrände an oder führen zu Ernteausfällen, wie kürzlich die Luxemburger Baueren-Allianz beklagte. Gleichzeitig macht die lange Trockenheit manche europäische Flüsse für den Frachtverkehr unpassierbar. Die Pegelstände des Rheins werden nicht zuletzt in den Managementetagen von Industriebetrieben gerade mal wieder mit Argusaugen betrachtet. Ist der Fluss nicht mehr beschiffbar, könnte das für Firmen wie BASF in Ludwigshafen Produktionsausfälle bedeuten, weil sie ihre Vorprodukte nicht mehr in ausreichendem Ausmaß erhalten. In Süddeutschland droht dann der Treibstoff knapp zu werden und auch Luxemburg wird über diesen Verkehrsweg beliefert.
Es gibt wenig Gründe anzunehmen, dass das vorübergehende Phänomene sind. Zu den nun beinahe jährlich auftretenden Trockenphasen kommen unvorhersehbare Extremwetterereignisse wie die Flut an Mosel und Ahr im vergangenen Jahr. Neben den menschlichen Dramen, die das mit sich bringt, verursacht der Klimawandel somit erhebliche wirtschaftliche Schäden. So kam eine kürzlich erschienene Studie zu dem Ergebnis, dass die globale Erwärmung dafür sorgen könnte, dass das Wirtschaftswachstum bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu 50 Prozent geringer ausfällt. Der Kampf gegen den Klimawandel ist also längst nicht mehr nur ein moralisches Gebot. Unser zukünftiger Wohlstand und der unserer Kinder ist zunehmend an die Frage geknüpft, ob es zum einen gelingt, das Ausmaß der Erwärmung so gut es geht zu begrenzen, zum anderen auch daran, Wege zu finden, mit den Folgen des Klimawandels zu leben.
Die Auswirkungen der globalen Erwärmung, die wir heute bereits spüren, wären vielleicht zu vermeiden gewesen, wenn man bereits vor 25 Jahren weltweit einen radikalen Umbau der Energiesysteme entschlossen in Angriff genommen hätte. Das ist nicht geschehen, und das wird jetzt teuer. Investitionen in erneuerbare Energien reichen längst nicht mehr aus, vielmehr muss viel Geld in Maßnahmen gesteckt werden, die die Folgen der Wetterkapriolen abmildern. Soll der Rhein beispielsweise weiterhin eine Verkehrsader der europäischen Industrie bleiben, muss die Fahrrinne des Stroms dringend vertieft werden. Forst- und Landwirte müssen sich auf dauerhaft längere Trockenperioden einstellen. Gemeinden müssen neue Stauwehren bauen, um gegen Überschwemmungen gewappnet zu sein. Städte müssen anders geplant werden, um die Bürger vor künftigen Hitzewellen zu schützen. Längst zeigt sich in aller Deutlichkeit, dass der Klimawandel kein Drama ist, das sich in ferner Zukunft abspielt – wir sind bereits mittendrin.
Der Klimawandel spielt sich nicht in ferner Zukunft ab, wir sind mittendrin.