Mit digitalen Augen durch die Straßen
Google Street View arbeitet derzeit an einem Update für Luxemburg – bis September laufen die Aufnahmen dazu
Wie notwendig es ist, den Datensatz für Luxemburg zu erneuern, merkt Michiel Sallaets bereits auf seinem Weg zum Termin in Howald. Der aus Belgien angereiste Kommunikationsleiter von Google Belux schafft es nicht rechtzeitig, weil sein Navigationssystem mit den Gegebenheiten vor Ort überfordert ist. Höchste Zeit also für ein Update. Und genau daran wird derzeit gearbeitet. Wobei es sich dabei nicht um eine Aktualisierung der Daten von Google Maps handelt, sondern von Google Street View. Der kostenlose Online-Dienst des Datenkonzerns liefert 360-Grad-Aufnahmen von Straßen, zeigt die Fassaden der Häuser, die Umgebung und alles, was dazu gehört. Das alles basierend auf Unmengen an Bildern, die dazu im Vorfeld mit speziellen Kameras auf Fahrzeugen gesammelt wurden.
Einmal verpixelt, immer verpixelt Die jüngsten derzeit verfügbaren Aufnahmen von Luxemburg stammen von 2014, ein Großteil der Straßenaufnahmen allerdings noch von 2009. Damals sind die Opel Astras mit ihren Kameras das erste Mal durch die Straßen des Großherzogtums gezogen, haben dabei für viele Aufnahmen und mindestens ebenso viel Aufregung gesorgt. Der Grund: Bürger, die nicht wollten, dass von ihren Häusern Fotos gemacht werden, hatten nicht die Möglichkeit, das im Vorfeld zu verhindern. Einen Antrag zu stellen, das eigene Haus oder Grundstück unkenntlich zu machen, war zwar möglich und auch recht unkompliziert, aber eben erst im Nachhinein, also wenn das Bildmaterial bereits im Netz ist.
Dagegen gab es Protest. Weshalb die nationale Datenschutzkommission seinerzeit die Aktion stoppte, bis der Sachverhalt geklärt war. Am Ende setzte sich Google durch, begründete das zum einen mit dem enormen Aufwand, den ein Einspruch im Vorfeld der Datenerfassung mit sich brächte, und zum anderen auch mit der Rechtslage in Luxemburg. Die nämlich gibt das her.
13 Jahre später hat sich daran nichts geändert. Nur dass sich die meisten längst daran gewöhnt haben. „Wir bewegen uns nur im öffentlichen Raum“, sagt Sallaets. Von daher verstoße das, was Google praktiziere, auch in keiner Weise gegen geltendes Recht. Zudem seien die Algorithmen des Systems so zuverlässig, dass jedes Gesicht und jedes Fahrzeugkennzeichen automatisch verpixelt werde, versichert er. Dass das nicht funktioniere, komme nur äußerst selten vor, und werde dann – sofern es jemand feststelle – nachträglich korrigiert. Gleiches gelte nach wie vor auch für das Verpixeln der Aufnahmen vom eigenen Grundstück, betont er. Nur mit dem Unterschied, dass dieser Vorgang dann dauerhaft sei. Heißt: Wer sich einmal dazu entschieden hat, sein Anwesen unkenntlich machen zu lassen, muss nicht befürchten, dass es irgendwann doch wieder sichtbar ist, wenn das Bildmaterial aktualisiert wird. Was derzeit ja passiert.
Das hat Vorteile, aber eben auch Nachteile. Und für den GoogleMitarbeiter überwiegt bei einem solchen Schritt erwartungsgemäß eher der Nachteil. „Dieses Unkenntlichmachen kann nicht rückgängig gemacht werden“, sagt er. Selbst wenn das Haus oder Grundstück verkauft wird und der neue Eigentümer möchte, dass man sein Haus bei Google Street View sehen kann, weil er dort zum Beispiel ein Café oder Geschäft betreibt, so ist das laut Sallaets nicht mehr möglich.
Datenverkehr auf dem Postweg
Seit gut einem Monat sind die Street-View-Fahrzeuge im Land unterwegs. Die meisten Straßen wurden bereits fotografiert, im September soll alles im Kasten sein. Bis das Datenmaterial im Netz dann aber aktualisiert sein wird, werden noch weitere Monate vergehen. „Bei jeder Fahrt werden Millionen von Aufnahmen gemacht“, erklärt der Google-Mitarbeiter. Und dann müssten die ganzen Aufnahmen ja auch noch zusammengefügt werden. Das brauche eben seine Zeit.
Die große Datenmenge ist auch der Grund, warum das Material nicht etwa sofort in eine Cloud hochgeladen wird, sondern zur weiteren Verarbeitung in der ITAbteilung auf dem Postweg verschickt wird. So ist auf dem Rücksitz des Autos ein recht unscheinbarer Rechner installiert, über den die Aufnahmen auf Datenträgern abgespeichert werden. Ist ein Speichermedium voll, kommt es in einen handelsüblichen Umschlag und geht dann auf die analoge Reise. „Das ist in der Tat noch etwas Old School“, sagt Sallaets grinsend, „aber anders wäre das nicht zu machen.“
Für die Aufnahmen gibt es verschiedene Kameras. Ganz oben an der rund 15 Kilogramm schweren Apparatur, die auf dem Dach des Fahrzeugs befestigt ist, befindet sich ein blauer, leicht organisch geformter Klotz mit insgesamt sieben hochauflösenden Kameras in allen Richtungen. Darunter sind dann noch einmal zwei ultrahochauflösende Kameras, mit denen die Fassaden der Häuser noch etwas detaillierter erfasst werden. „So können zum Beispiel auch die Öffnungszeiten von Geschäften, die oft auf den Türen stehen, fotografiert werden und dem Nutzer als zusätzliche Information zur Verfügung gestellt werden“, erklärt Sallaets.
Wo das System an seine Grenzen stößt, ist dort, wo auch der Autofahrer nicht mehr weiterkommt. Wie zum Beispiel, wenn Baustellen die Straße blockieren oder aber aktuell in der Stadt die Schueberfouer, für die ebenfalls ein Teil der Innenstadt über Wochen hinweg nicht befahrbar ist. „In solchen Fällen müssen wir auf neue Aufnahmen verzichten und dann einfach bis zum nächsten Mal warten, bis wir für diese Bereiche das Material aktualisieren“, sagt der Google-Sprecher. Insgesamt aber werde im Land alles an Straßen abgefahren, was möglich sei. Selbst kleine Nebenstraßen und Wege seien diesmal auf dem Radar. Das Material für Luxemburg werde also nicht nur aktualisiert, sondern auch erweitert.
In einigen Monaten lässt sich Luxemburg somit nahezu komplett am Bildschirm, auf dem Handy oder auf dem Tablet erkunden – ganz im Gegensatz zu Deutschland, wo Google an den datenschutzrechtlichen Bedenken vieler Bürger scheiterte. 2010 sollten dort ebenfalls im ersten Schritt die 20 größten Städte abfotografiert werden. Weil aber aufgrund der Vielzahl an Widersprüchen zum Teil sogar ganze Straßenzüge verpixelt werden mussten, verzichtete Google darauf, auch den Rest des Landes zu erfassen. Diese Lücke wurde zwischenzeitlich ein Stück weit vom Google-Konkurrenten Apple gefüllt, der vor einigen Jahren mit seinem Dienst Look Around nachgezogen hat.
Bei jeder Fahrt werden Millionen von Aufnahmen gemacht. Michiel Sallaets, Google