Luxemburger Wort

„Ich habe im Glauben viele Schätze gefunden“

Sänger Michael Patrick Kelly über seine Zeit im Kloster und Missstände in der katholisch­en Kirche

- Interview: Olaf Neumann

Michael Patrick Kelly war der Mädchensch­warm der Kelly Family. Heute, mit 44 Jahren, gehört der Sänger, Songwriter und Produzent mit unverwechs­elbarer Vier-Oktaven-Stimme zu den erfolgreic­hsten Solokünstl­ern Europas. Das autobiogra­fische Album „B.O.A.T.S“ist der Nachfolger seines 2017 erschienen­en Erfolgshit­s „iD“, mit dem er in den deutschspr­achigen Ländern die Charts stürmte. Am Freitag, dem 9. September, ist der amerikanis­ch-irische Künstler zu Gast im Atelier in Luxemburg-Stadt. Vor diesem Auftritt stand noch ein Interview mit dem „Luxemburge­r Wort“auf der Agenda, das sich unter anderem um das Thema Glaube drehte.

Michael Patrick Kelly, Ihr aktuelles Album trägt den Titel „B.O.A.T.S“– „Based on a true Story“(Basierend auf einer wahren Geschichte). Ist es eine durch und durch autobiogra­fische Platte?

Die 15 Songs basieren sowohl auf eigenen biografisc­hen Erfahrunge­n wie auch auf wahren Geschichte­n von anderen, die mich inspiriert haben.

Ich wollte ein Album erschaffen, das Menschen Mut macht, tröstet und Hoffnung spendet in einer Zeit, in der wir täglich mit schlechten Nachrichte­n konfrontie­rt werden. Wir haben alle in dieser Pandemie gemerkt, dass es auch „Seeleninzi­denzen“gibt. Die Feuerwehr und Polizei sind für unsere Sicherheit zuständig, die Leute in der

Wirtschaft für das Fließen der Kohle und die Politiker fürs Regieren. Und wir Musiker sind für die Emotionen da. Musik kann da manchmal heilsam wirken. Wie eine Therapie, die hilft, Emotionen zuzulassen. Ich habe bei diesem Album versucht, über Themen zu schreiben, die mir persönlich viel bedeuten und vielleicht dem ein oder anderen da draußen guttun.

Wie wird aus einer persönlich­en Begegnung ein Song?

Ich trete manchmal in Gefängniss­en auf, und vor vielen Jahren hatte ich eine Begegnung mit einem Häftling. Er durfte sich ein bisschen freier bewegen als die anderen, trug einen langen Bart und wirkte friedlich und ausgeglich­en. Auf dem Weg zu seiner Zelle erfuhr ich, dass er lebensläng­lich bekommen und nur noch ein paar Jahre vor sich hatte. Was er verbrochen hatte, weiß ich bis heute nicht. Er kam mir aber in dem Moment nicht wie ein Mörder vor.

Wie sah seine Zelle aus?

Sie war voller Ikonen, die er gemalt hatte. Er erzählte mir, dass er im Gefängnis zu einem gläubigen Menschen geworden sei. Für eine Ikone brauchte er drei Monate. Das Ganze soll man betend und meditieren­d tun. Ich erfuhr von ihm, dass er sich einem griechisch­en Kloster angeschlos­sen hatte, in das er nach seiner Entlassung auch als Mönch eingezogen ist. Aus dieser

Inspiratio­n heraus ist der Song „Icon“entstanden. Selbst in einem Mörder steckt noch irgendwo ein guter Samen drin. Wenn man den erweckt, kippt der ganze Mensch. Solche „Redemption Stories“finde ich als Songwriter extrem spannend.

Sie haben selbst sechs Jahre als

Mönch in einem Kloster in Frankreich gelebt. Haben Sie das getan, weil Sie nicht wussten, wie es bei Ihnen weitergehe­n soll?

Teilweise ja. Ich hatte mit Anfang 20 eine persönlich­e Krise, mein damaliges Leben ein bisschen satt und die Leidenscha­ft für Musik fast verloren. Damals interessie­rten mich die Frage nach Gott und philosophi­sche Themen wie die Suche nach dem Sinn des Lebens. Wer bin ich? Wo komme ich her? Wo gehe ich hin, wenn ich sterbe? Der mönchische Lifestyle war ideal, um dem auf den Grund zu gehen.

Wer oder was hat Sie damals aus der Krise gerettet?

Ich habe die Gelben Seiten aufgeschla­gen, einen Therapeute­n angerufen und mich parallel für Religion und Philosophi­e interessie­rt. Heute spricht man viel offener über Mental Health als früher. Wenn man vor 20 Jahren erzählte, man geht zum Therapeute­n, galt das als Zeichen von Schwäche. Dabei packte man ein Problem an der Wurzel an. Amerikaner wie

Oprah Winfrey und Larry King waren uns da voraus, indem sie ständig Psychologe­n in ihre TV-Shows einluden. Ich habe damals eine eineinhalb­jährige Therapie absolviert und mich gleichzeit­ig in christlich­e Mystik und Spirituali­tät vertieft. Schließlic­h führte es dazu, dass ich fünf Jahre später im Kloster einen Reset machte.

Sie haben mal gesagt, Sie hätten durch die Zeit im Kloster den inneren Frieden gefunden. Ist heute die Musik für Sie eine Zugangsfor­m zu Gott?

Manche meiner Texte sind zweideutig, aber nicht jeder hat eine transzende­nte oder spirituell­e Ebene. Auf meinem neuen Album „B.O.A.T.S“erzähle ich auch Geschichte­n, die das Leben schreibt. Zum Beispiel bei „Mother’s Day“. Meine Mutter ist schon mit 36 Jahren an Brustkrebs gestorben, ich war damals fünf und lebte in einem kleinen Dorf in Nordspanie­n. Ein halbes Jahr später wollte ich ihr zum Muttertag Blumen bringen. Auf dem Weg dahin habe ich einfach das gepflückt, was ich auf den Feldern finden konnte. Als ich dann am Friedhof ankam, sah ich, dass die anderen Grabsteine schöne Blumensträ­uße hatten, dagegen sahen meine Wildgewäch­se nicht sehr cool aus. Deswegen habe ich die Blumen von allen anderen Gräbern geklaut und auf das Grab meiner Mutter gelegt. Darum geht es in „Mother's Day“.

Haben Sie das Grab Ihrer Mutter in letzter Zeit besucht?

Ich bin mit einem Pick-up Truck voller Blumensträ­uße in dieses Dorf gefahren, um das mit dem Klauen wiedergutz­umachen. Auf jedes Grab habe ich einen Strauß gelegt. Ein paar Frauen aus dem Dorf bekamen das mit und fingen an zu weinen. Damit schloss sich für mich ein Kreis. „Mother’s Day“ist ein happy-sad Song mit einem Augenzwink­ern.

Im Song „Fake Messiah“geht es unter anderem um staatliche und kirchliche Programme in Nordamerik­a, die Kinder der Native Americans in Umerziehun­gsschulen schickten. Was ist dort mit den Kindern passiert?

Ich kann mich als gläubiger Mensch nicht mit Dingen identifizi­eren, die das Gegenteil von christlich sind. Das versuche ich mit „Fake Messiah“zu beleuchten. In der ersten Strophe geht es um die Umerziehun­gsschulen in Kanada und Nordamerik­a. Man wollte den Indianer im Kind töten, und so beginnt auch die erste Zeile, „You kill the Indian in the child and dare to say God is on your side” (Du bringst den Indianer in dem Kind um und wagst es zu sagen, dass Gott auf Deiner Seite ist, Anm. d. Red.). Es ist das Gegenteil von wahrer Religion, wenn man Menschen ihre Freiheit raubt und Gott als Rechtferti­gung für Gräueltate­n benutzt.

Besitzt die Kirche für Sie nach den vielen Missbrauch­sfällen noch Glaubwürdi­gkeit?

Ich persönlich habe im christlich­en Glauben viele Schätze gefunden, aber es gibt in der Kirche auch sehr viel Schmutz, der aufgeräumt werden muss. Napoleon soll mal zu einem Kardinal gesagt haben: „Sie wissen, dass ich in der Lage bin, die Kirche zu zerstören!“Darauf bekam er vom Kardinal die Antwort: „Das haben selbst wir in all den Jahrhunder­ten nicht geschafft!“

Musik kann manchmal heilsam wirken. Wie eine Therapie, die hilft, Emotionen zuzulassen.

Im Song „Home“machen Sie sich Gedanken über den Ort, an dem Sie einmal begraben sein möchten. Ist das nicht etwas zu früh?

Ich habe allein im vorigen Jahr im nahen Umfeld vier Menschen verloren, zum Teil jung und völlig unerwartet. Niemand von uns weiß, wann es soweit ist. Ich finde, dass wir in unserer westlichen Kultur das Thema Tod zu sehr verdrängen. Wir lernen laufen und sprechen, lieben und arbeiten, aber nicht, wie man sich auf den großen Übergang vorbereite­t und sich in Frieden verabschie­det. Will Smith sagte in einer Rede: „Face your fears!“(Stell Dich Deinen Ängsten, Anm. d. Red.) und einer unserer größten Ängste ist der Tod, weil wir nicht wirklich wissen, was danach passiert. Für manche ist dann das Spiel aus, für andere gibt es eine Seele, die weiterlebt. Ich habe mich diesem Thema gestellt und akzeptiert, dass es irgendwann mit mir auf Erden vorbei ist.

Ich kann mich als gläubiger Mensch nicht mit Dingen identifizi­eren, die das Gegenteil von christlich sind.

1. Lesung (Jes 66, 18–21)

Sie werden alle eure Brüder aus allen Nationen herbeibrin­gen

Lesung aus dem Buch Jesája.

So spricht der Herr: Ich kenne die Taten und die Gedanken aller Nationen und Sprachen und komme, um sie zu versammeln, und sie werden kommen und meine Herrlichke­it sehen. Ich stelle bei ihnen ein Zeichen auf und schicke von ihnen einige, die entronnen sind, zu den Nationen, zu den fernen Inseln, die noch keine Kunde von mir gehört und meine Herrlichke­it noch nicht gesehen haben. Sie sollen meine Herrlichke­it unter den Nationen verkünden. Sie werden alle eure Brüder aus allen Nationen als Opfergabe für den Herrn herbeibrin­gen auf Rossen und Wagen, in Sänften, auf Maultieren und Kamelen, zu meinem heiligen Berg nach Jerusalem, spricht der Herr, so wie die Söhne Israels ihre Opfergabe in reinen Gefäßen zum Haus

Wen der Herr liebt, den züchtigt er

Lesung aus dem Hebräerbri­ef.

Schwestern und Brüder! Ihr habt die Mahnung vergessen, die euch als Söhne anredet: Mein

 ?? Foto: Harald Hoffmann ?? Wird im Rahmen seiner aktuellen Tour am 9. September auch im Großherzog­tum auftreten: Sänger und Produzent Michael Patrick Kelly.
Foto: Harald Hoffmann Wird im Rahmen seiner aktuellen Tour am 9. September auch im Großherzog­tum auftreten: Sänger und Produzent Michael Patrick Kelly.

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