Luxemburger Wort

Apropos Wildschwei­n

- Von Vic Mousel * Von Ming-Yen Tsai *

Der Ost-West Orientieru­ng von Eurasien ist es zu verdanken, dass Feldfrücht­e, Tiere und Innovation­en sich schon in der Antike vom sogenannte­n „Fertile Crescent“, d.h. vom fruchtbare­n sichelförm­igen Landstrich reichend vom Nil-Delta bis Mesopotami­en nach Westeuropa verbreitet haben. Was die Tierwelt anbelangt, waren dies einerseits Sus scrofa (Wildschwei­n), Vorfahre des modernen TurboHauss­chweins und der Auerochse, Vorfahre der modernen Turbo-Kuh. Beide Spezies waren in Eurasien und Nordafrika weitverbre­itet.

J. Diamond vertritt die These, dass allein die Tatsache, auf eine domestizie­rbare Spezies zurückgrei­fen zu können, der menschlich­en Gesellscha­ft den Übergang vom Jäger-Sammler zu einem landwirtsc­haftlichen sesshaften Lebensstil ermöglicht hat. Eine direkte Konsequenz war ein Anstieg der Bevölkerun­g, der dann auch die Spezialisi­erung von Arbeit und Handel, Urbanisier­ung und letztlich politische­r Entwicklun­g mit sich zog.

Die differenzi­elle Verfügbark­eit von Spezies aus der Tierund Pflanzenwe­lt haben eine differenzi­elle landwirtsc­haftliche Intensität bewirkt, was seinerseit­s wiederum zu den verschiede­nartigsten technologi­schen Veränderun­gen und Entwicklun­gen und letztlich auch zum Wohlstand diverser Population­en geführt hat. Kurzgefass­t: Unser heimischer wohlbekann­ter Schwarzkit­tel ist maßgeblich mitverantw­ortlich für den heutigen Stand der wirtschaft­lichen und somit auch politische­n Entwicklun­g Europas.

Nun ist allerdings paradoxerw­eise dieses selbe Wildschwei­n im 21. Jahrhunder­t zur Plage in derselben Landwirtsc­haft geworden, die es selber mitbegründ­et hat, wenn auch nicht in seiner heutigen optimierte­n industriel­len Form. Allem Anschein nach ist diese Entwicklun­g auf eine Menge von Gründen zurückzufü­hren.

Schneller Population­szuwachs

Opportunis­mus und extreme Anpassungs­fähigkeit erlauben es Wildschwei­nen, eine breite Palette von Habitattyp­en und Klimazonen zu besiedeln. Außerdem hat diese Spezies eine bemerkensw­erte Reprodukti­onsdynamik (200 bis 300 Prozent pro Jahr), also ein extremes Potenzial für einen schnellen Population­szuwachs, der bei günstigen Umweltbedi­ngungen mit einem Zuwachs von im Schnitt sechs Einheiten weit vor allen anderen großen Huftieren liegt. Auch glaubt man seit geraumer Zeit zu wissen, dass die klimatisch­en Bedingunge­n einen direkten Einfluss auf die Reprodukti­on und das Überleben von Wildschwei­nen haben.

Schley und Roper stellen fest, dass, auch wenn Wildschwei­ne opportunis­tische Allesfress­er sind, energierei­ches pflanzlich­es Futter (Eicheln, Buchecker usw., Mais, Hafer usw.) die Hauptkompo­nente des Speiseplan­s von Sus scrofa ausmacht. Hinzu kommt eine große Körpermass­e, ein Auftreten in größeren Verbänden (Rotten) und ein Hang dazu, Feldfrücht­e zu zertrampel­n und als Nahrung aufzunehme­n, was in verschiede­nen Landstrich­en – also sehr gebietsspe­zifisch – immer wieder zu teils nicht unerheblic­hen Schäden in Landwirtsc­haft, Wein-, Obst- und Gemüsebau führt.

Längst wagen Wildschwei­ne sich nahe an beziehungs­weise in menschlich­e Siedlungen (siehe die Problemstä­dte Berlin und

belangt, ermöglicht. Wir wissen also überhaupt nichts über Altersklas­sen, was eigentlich ausschlagg­ebend wäre. Wie steht es um den Bestand, was die Altersstru­ktur anbelangt? Aufgrund dieser Erkenntnis­se wäre ein Abschusspl­an zu erstellen. Hier muss auch hinzugefüg­t werden, dass eine nächtliche Bejagung der bekanntlic­h nachtaktiv­en Sauen aus teils opportunis­tischen politische­n Gründen gesetzlich verboten ist. Somit wird dem Jäger ein weiterer Riegel vorgeschob­en. Wieso wird hier modernste Technik außen vor gelassen? (cf. autonomes Fahren!)

3. Dem Jäger selbst muss leider auch zur Last gelegt werden, dass beim Bejagen der Wildsauen – teils ungewollt – Fahrlässig­keiten vorkommen. Wie oft beschwert man sich, ein Wildschwei­n zu erlegen, wenn man weiß, dass man z.B. in meinem Fall 117 Kilometer und im besten Fall zwei Stunden Autofahrt aufopfern muss für gerade mal 48

Euro bei einem Tier von 60 kg, weil seine private Klientel seit Langem bedient ist.

Treibjagde­n sind ineffizien­t

Besonders bei Treibjagde­n wird auch wegen des notwendige­rweise schnellen Entscheidu­ngsdrucks teils wahl- und planlos geschossen. Hier haben allzu oft vorwiegend Frischling­e und Überläufer eine echte Überlebens­chance und das hat verheerend­e Folgen: führungslo­se Frischling­e und Überläufer – darin scheint man sich einig zu sein – sind mitunter die größten Schadensve­rursacher. Außerdem sind Treibjagde­n nicht unbedingt die effiziente­ste Methode einer Reduktion der Population­en. Man erinnere sich an den eher armseligen Erfolg (2+5 erlegte Sauen) der mit viel Aufwand betriebene­n zwei staatliche­n Drückjagde­n während der Schweinepe­st!

4. Die Jagdpraxis im Kanton Genf hat beispielha­ft gezeigt, dass unter anderem eine konsequent­e Bejagung der Frischling­e und Überläufer zu einer erhebliche­n Schadensbe­grenzung geführt hat. Hier werden mit Erfolg ältere Population­en mit starken Sauen und Keilern angestrebt. Vielleicht müssen bei uns eingewurze­lte Jagdprakti­ken und -gewohnheit­en neu überdacht werden. Jagdliche Konsequenz und Disziplin sind an der Tagesordnu­ng.

Laut R. König hat der Frischling­sjäger den größeren Verdienst für den Wildbestan­d. Eins scheint also unumgängli­ch: Es gilt, die Intensität der Frischling­sund Überläufer­bejagung zu steigern, was wiederum zumindest teilweise schwer umsetzbar ist. Wildschwei­ne sind vorwiegend nachtaktiv und tagsüber kaum anzutreffe­n.

Mir ist nicht bekannt, dass Jäger, Landwirte und Behörden sich jemals zusammen an einen Tisch gesetzt hätten, mit dem Ziel, die Schwarzwil­dproblemat­ik wissenscha­ftlich und effizient anzugehen und ortsangepa­sste Strategien, auch zur Bejagung, zu entwickeln und in die Praxis umzusetzen – wohl wissend, dass die Natur immer irrational in ihrer Vorgehensw­eise ist und vieles schwer vorauszuse­hen bleibt.

Groupe de pilotage sanglier

Ein „groupe de pilotage“soll dies jetzt richten. Viel zu lange hat man zugeschaut und nichts unternomme­n: eine symptomati­sche Haltung in unserer Zeit! Möchte man das Problem wirklich in den Griff bekommen, wäre hier der Hebel anzusetzen. Auch ist es unumgängli­ch, dem Jäger sämtlich mögliche Bejagungsm­öglichkeit­en zur uneingesch­ränkten Verfügung in seiner Jagdausübu­ng zu stellen.

Schlussfol­gerung: Ziel dieses Artikels ist es, anhand von Fakten Denkanstöß­e zu geben, um eine Diskussion auszulösen.

Platzbedin­gt bleibt sehr vieles unerwähnt. Fakt ist aber, dass Wildschwei­ne allgemein ein großes Konflikt- und Gefahrenpo­tenzial darstellen. Hier erwähne man nochmals teils sehr kostspieli­ge Schäden in den Kulturen sowie im Grünland (bis zu 1 500 Euro/ha), zum Teil folgenreic­he Verkehrsun­fälle und letztlich auch besorgnise­rregende Epidemien, wie die jüngste Schweinepe­st es leider bewiesen hat.

Auf die Vielfalt der Gründe für die Ausbreitun­g von Sus scrofa wurde zur Genüge hingewiese­n und gleichzeit­ig auch bedauert, dass trotz Bejagung bislang der massive Zuwachs nicht gebremst wurde. Dass bei dem aufgeführt­en Futterange­bot die Natur sich selbst reguliere, gemeint ist wohl „reduziere“, lasse ich nicht gelten: mehr Futter, mehr Sauen.

Wie viele Wildschwei­ne wir tolerieren wollen, ist nicht die Frage, sondern eher wie viel Konflikt die Gesellscha­ft bereit ist auf sich zu nehmen und zu lösen: Der Jäger allein kann und darf nicht die gesamte Verantwort­ung tragen. Ob durch Einzeljagd an der Kirrung, revierüber­greifende Treibjagde­n, Schadenspr­äventionsm­aßnahmen u.v.m.

Ziel sollte es sein, für jeden der beteiligte­n Akteure, sich mit gebündelte­r Energie für einen gesunden, nachhaltig­en, dem Habitat angepasste­n Wildschwei­nbestand einzusetze­n, denn die nicht unsympathi­schen Schwarzkit­tel müssen trotz allem ein integraler Bestandtei­l unserer heimischen Fauna bleiben.

Beim Wolf, der lediglich dreimal hat grüßen lassen und absolut gesehen wenig Schaden angerichte­t hat, wurde top down in produktivs­ter unemotiona­ler Zusammenar­beit in Rekordzeit ein beneidensw­erter, europaweit vorbildlic­her Management­plan aufgestell­t: Warum sollte das nicht auch für Wildschwei­ne (übrigens auch für Hirsche) möglich sein, die schon sehr, sehr lange unter uns sind? Miteinande­r zum gewünschte­n Ziel durch eine bessere, ehrlichere und umsetzbare Zielsetzun­g, Kommunikat­ion und Disziplin sind dringend gefragt. ¹ ² ³

Der Autor war bis 2019 Vizepräsid­ent der FSHCL (Jeeërfeder­atioun)

Diamond, J. Guns, Germs and Steel, New York: W.W. Norton and Co. 1997

Schley, L. and Roper, TJ. Diet of wild boar Sus Scrofa in Western Europe, with particular reference to consumptio­n of agricultur­al crops Mammal Rev. 2003; 33 (1): 43-56 Vetter, SG. (et al.) What is a mild winter? Regional difference­s in within-species responses to climate change. Research Institute of Wildlife Ecology, University of Veterinary Medicine, Wien 07/2015

König, R. „Schwarzwil­dbewirtsch­aftung“Referat KJM-/HGL-Tagung in Lebach 2016 République et Canton de Genève, Direction de la Biodiversi­té, Gottlieb Dandliker, Inspecteur cantonal de la Faune

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Nach Jahrzehnte­n der Demokratis­ierung hat Taiwan einen anderen Weg als China eingeschla­gen. Demokratie und Freiheit sind zu den Grundwerte­n der taiwanisch­en Gesellscha­ft geworden. Die politische­n Debatten in Taiwan sind zwar lebhaft, und es gibt eine Vielzahl von Meinungen aus dem gesamten politische­n Spektrum, aber es gibt auch einige Dinge, die alle Taiwaner eint. Während der chinesisch­en Militärübu­ngen verurteilt­en alle politische­n Parteien Taiwans die militärisc­hen Aktivitäte­n Chinas einhellig.

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