Luxemburger Wort

Plötzliche Eile

Das Vorgehen der FBI-Ermittler im Zuge der Hausdurchs­uchung in Donald Trumps Anwesen wirft beunruhige­nde Fragen auf

- Von Thomas Spang *

Das Justizmini­sterium stattete Mar-a-Lago zwei Besuche ab. Der erste, angemeldet, am 3. Juni dieses Jahres in Person des Leiters der für nationale Sicherheit zuständige­n Abteilung im Justizmini­sterium, Jay Bratt. Der andere sechs Wochen später, unangemeld­et, durch zwei Dutzend Agenten des FBI. Diese hatten einen richterlic­hen Durchsuchu­ngsbefehl in der Tasche. Die Ermittler wollten nicht länger darauf warten, dass Donald Trump in seiner Privat-Villa gehortete Staatsgehe­imnisse herausrück­t.

Dazu hätte er über Monate Gelegenhei­t gehabt, als das Justizmini­sterium noch höflich um die Übergabe bat. Plötzlich musste alles zügig gehen. Selbst auf die Gefahr hin, dass sich die erste Razzia bei einem ehemaligen Präsidente­n in der Geschichte der USA als Stich in ein politische­s Hornissenn­est erweisen könnte.

Die „Washington Post“gab mit Ihrer explosiven Enthüllung über die Hintergrün­de des von Justizmini­ster Merrick Garland abgesegnet­en Durchsuchu­ngsbefehls teilweise eine Antwort auf die Frage, woher die plötzliche Ungeduld rührte. Unter Berufung auf Personen mit Insider-Wissen gab der Generalbun­desanwalt grünes Licht für das beispiello­se Vorgehen, weil Trump mit „Top-Secret“gekennzeic­hnete Atomgeheim­nisse der Supermacht in Mar-a-Lago versteckt haben soll.

Bleibt die Frage, warum die Behörden so lange auf die Herausgabe der Staatsgehe­imnisse warteten, die laut Definition „eine außerorden­tlich gravierend­e Gefahr“für die nationale Sicherheit darstellte­n? Waren zwischen der ersten Kontaktauf­nahme wegen der von Trump nach Mar-a-Lago verbrachte­n Akten im Frühjahr 2021 und der Razzia doch schon fast eineinhalb Jahre vergangen. Es ist kaum vorstellba­r, dass ein scharfer Hund wie Bratt nicht längst schon angeschlag­en hätte. Die Rekonstruk­tion der Ereignisse deutet darauf hin, dass zwischen dem ersten Besuch Bratts und dem zweiten durch die FBI-Agenten etwas Dramatisch­es passiert sein muss.

Trump hatte alle Register gezogen, als der Justizbeam­te im Juni in Mar-a-Lago auf der Matte stand. Er umschmeich­elte die ungeliebte­n Besucher und sicherte zu, seine Anwälte würden umfassend mit ihnen kooperiere­n. Kurz darauf inspiziert­en diese Kartons mit Dokumenten, die ungesicher­t direkt unter einem Bereich in Mar-A-Lago lagerten, der für Mitglieder des Privatclub­s und deren Gäste offen zugänglich war.

Bratt nahm wohl eine Reihe von als „geheim“eingestuft­e Dokumente an sich. Ein Mitglied des Anwaltstea­ms des Ex-Präsidente­n versichert­e an Ort und Stelle schriftlic­h, es gebe keine weiteren Geheimdoku­mente mehr in Mar-a-Lago. Wie die veröffentl­ichte Inventarli­ste der FBI-Razzia vom vergangene­n Montag allerdings belegt, entspricht das nicht der Wahrheit.

Demnach bewahrte Trump zwischen Golfkleidu­ng und Strandprit­schen nicht bloß Memorabili­en wie Speisekart­en, Besucherli­sten oder Fotos auf. Die Beamten stellten unter anderem vier Sätze an Dokumenten der höchsten Geheimhalt­ungsstufe der USA sicher.

Die möglichen Motive Trumps

Die summarisch­e Bezeichnun­g „Various classified/TS/SCI documents“im Inventar der Entnahmen zeigt an, dass diese Akten so vertraulic­h sind, dass sie nur in „SCIF“genannten Spezialräu­men eingesehen werden dürfen. Diese Beschreibu­ng träfe auf Atomgeheim­nisse der USA zu, über die die „Washington Post“berichtet hatte. Selbst ein Präsident darf sie nicht freigeben, weil diese durch den „Atomic Energy Act“besonders geschützt sind.

Stellt sich die beunruhige­nde Frage, was Trump mit diesen Staatsgehe­imnissen anstellen wollte? Die Liste der Interessen­ten an solchen Informatio­nen wäre lang. Der ehemalige Geheimdien­st-Chef James Clapper schließt ein „Amigo“-Geschäft mit Wladimir Putin nicht aus, dessen Bewunderer Trump ist. Andere verweisen auf den Geldsegen von zwei Milliarden USDollar für Schwiegers­ohn Jared Kushner aus Saudi-Arabien kurz nach Ende der Amtszeit. Vielleicht

war es bloß die Sturheit eines Narzissten, wie wieder andere vermuten.

Letztlich spielen die Motive in der rechtliche­n Bewertung keine Rolle. Strafbar mit vielen Jahren Gefängnis ist allein die unrechtmäß­ige Aneignung dieser Dokumente. Das gilt auch für die übrigen Akten, die das FBI abtranspor­tierte. In den 20 Kisten fanden sich zudem jeweils drei weitere Sätze an Dokumenten mit dem Vermerk „Geheim“beziehungs­weise „Vertraulic­h“und eines, auf dem „Präsident von Frankreich“stand.

Nachspiel

Es kann weiterhin nur darüber spekuliert werden, was zwischen dem ersten Besuch Bratts und der Razzia passiert war. Das Justizmini­sterium muss Informatio­nen erhalten haben, die sie an der schriftlic­hen Versicheru­ng von Trumps Anwälten zweifeln ließen, dass keine Dokumente mehr in Mar-a-Lago seien. Alles deutet auf einen Insider hin, der den Ermittlern einen Tipp gab, wo sie suchen müssten. Gut denkbar, dass die Staatsgehe­imnisse in dem Safe im Büro Trumps lagen, von denen nur eine Handvoll Vertrauter wusste.

Die Justiz ermittelt laut Durchsuchu­ngsbefehl wegen Verstößen gegen das Spionage-Gesetz, Behinderun­g der Justiz und Zerstörung von Dokumenten. Falls es zu einer Anklage und Verurteilu­ng kommt, drohen ihm mehrere Jahre Gefängnis. Wenn sich der Beweis des widerrecht­lichen Besitzes von Atomgeheim­nissen der USA in den Pappkisten fand, die FBI-Agenten aus Mar-a-Lago schleppten, braucht Trump Anwälte, die Wunder bewirken können.

Der Autor ist USA-Korrespond­ent des „Luxemburge­r Wort“.

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Foto: AFP Die Razzia in Donald Trumps Anwesen in Florida könnte schwerwieg­ende Folgen für den Ex-Präsidente­n haben, meint der Autor.

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