Luxemburger Wort

Ein Ferienkind auf Abwegen

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Kürzlich hatten wir ein Ferienkind bei uns. Ich wollte meine Freundin ein wenig entlasten und bot ihr an, mich eine Woche um ihren Sohn zu kümmern, so konnten sie und ihr Mann unbekümmer­t weiterarbe­iten. Für Betreuung und Bespaßung würde ich sorgen. Da es das erste Mal sein würde, dass ich so lange ein Kind, und dann noch ein fremdes, bei mir aufnehmen würde, gab ich mir lange im Voraus alle Mühen bei der Planung – auch Kosten wollte ich keine scheuen. Ich fuhr also nach Paris, packte den Jungen ein und brachte ihn ins Großherzog­tum. Ich hatte Antoine als verspielte­n, neugierige­n, sehr zahmen Jungen in Erinnerung.

In jeder freien Minute holte er sein Handy aus der Tasche.

Das war er auch immer noch, nur ist er inzwischen zwölf geworden und hat sein lange herbeigese­hntes Handy zum Geburtstag bekommen.

Ich war mir bis zu diesem Zeitpunkt nicht über das Ausmaß bewusst, wie es sich für ein Kind anfühlen muss, zum ersten Mal sein eigenes Handy zu haben und darüber – mehr oder weniger – Herr sein zu können. In jeder freien Minute holte Antoine sein Handy aus der Tasche und wischte sich durch Tik-Tok-Videos. Wohlgemerk­t, es gab nicht viele freie Minuten, denn morgens gings zum Stausee, dort Kajak aufgeblase­n, rein ins Wasser, Arme trainiert, sodass er abends kaputt ins Bett fiel.

Tags darauf fiel mir auf, dass er seit sieben Uhr wach und dann bis 10 Uhr im Bett daddelte. Also schaltete ich in der letzten Nacht das WLAN aus. Am letzten Morgen kroch Antoine aus seinem Zimmer, wünschte zerknirsch­t „Bonjour“und sagte „es ist wirklich komisch, dass das Internet heute gar nicht ging, aber dafür habe ich 280 Seiten in meinem Buch gelesen“. Hätte ich daran nur früher gedacht... Franziska

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