Erdogan bleibt bei Veto
Die Türkei bekräftigt ihren Einspruch gegen die NATO-Norderweiterung durch Schweden und Finnland
Die türkische Regierung will an ihrem Nein zu einem NATO-Betritt Schwedens und Finnlands festhalten, wenn die beiden Länder nicht auf die Forderung Ankaras nach Auslieferung angeblicher Terroristen eingehen. Bisher hätten die beiden nordischen Länder keine einzige der gesuchten Personen ausgeliefert, sagte der türkische Justizminister Bekir Bozdag am Wochenende. Wenn es dabei bleibe, werde der Beitrittsprozess „keine Fortschritte machen“, so Bozdag.
Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hatte im Mai ein Veto gegen den Beitritt der beiden Länder angekündigt. Schweden und Finnland seien „Brutstätten des Terrors“, sagte Erdogan – eine Anspielung darauf, dass die beiden Länder türkische Regierungskritiker, kurdische Aktivisten und politische Extremisten beherbergen. Kurz vor dem NATOGipfel Ende Juni zog Erdogan sein Veto zurück.
Norderweiterung kann blockiert werden
Die Erleichterung im Bündnis war groß, aber verfrüht, wie sich inzwischen zeigt. Der Beitritt der beiden skandinavischen Länder konnte zwar beim Gipfel beschlossen werden, muss aber noch von den Parlamenten aller 30 Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Damit kann Erdogan die Norderweiterung immer noch blockieren.
Kurz vor dem NATO-Gipfel hatten sich die beiden Beitrittskandidaten bereiterklärt, die Auslieferung von in der Türkei gesuchten Personen beschleunigt zu prüfen. Dabei geht es vor allem um angebliche Mitglieder und Sympathisanten der als Terrororganisation verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK sowie um Anhänger der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen, den Erdogan für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich macht. Gülen bestreitet die Vorwürfe.
Unklar ist, um wie viele Auslieferungsersuchen es geht. Erdogan sprach im Juni von 73 Fällen, Justizminister Bozdag nannte die Zahl 33. Schweden hatte angekündigt, die Auslieferungsersuchen im Rahmen
seiner Gesetze, des europäischen und des Völkerrechts zu prüfen. Ein Problem ist dabei die weite Auslegung des Terror-Begriffs in der Türkei. Regierungsgegner und Erdogan-Kritiker werden häufig als „Terroristen“gebrandmarkt. Ein Beispiel ist die Verurteilung des Bürgerrechtlers und Mäzens Osman Kavala zu lebenslanger Haft.
Schweden hat erst eine Person ausgeliefert
Schweden hat seit dem NATOGipfel erst eine Person an die Türkei ausgeliefert, Okan Kale, der in der Türkei wegen Kreditkartenbetrug zu 14 Jahren Haft verurteilt wurde, nach Schweden geflohen war und dort in Abschiebehaft saß. Justizminister Bozdag sagte dazu der Zeitung Milliyet: „Wenn sie glauben, dass sie mit der Auslieferung gewöhnlicher Krimineller ihre Verpflichtungen erfüllen können, irren sie sich – niemand sollte die Geduld der Türkei auf die Probe stellen.“
Delegationen aus der Türkei und den beiden Beitrittsländern wollen am 26. August in Helsinki zusammentreffen, um zu beraten, wie die Differenzen überwunden werden können. Staatschef Erdogan hatte erst kürzlich unterstrichen, dass er den Beitrittsprozess „einfrieren“werde, „wenn diese beiden Länder nicht unsere Bedingungen erfüllen“. In einer Fernseherklärung sagte Erdogan: „Unsere Haltung ist völlig klar, nun liegt es an ihnen.“G.H.