Luxemburger Wort

Besser als Olympia

- Von Joe Geimer

Die European Championsh­ips in München waren ein voller Erfolg. Sie haben Sportler und Publikum gleicherma­ßen begeistert und waren ein Quotenrenn­er im Fernsehen. Die Idee, mehrere europäisch­e Titelkämpf­e zusammenzu­führen, funktionie­rt. Sie hat Sommermärc­hen-Potenzial. Mehr als eine Million Besucher und 400 000 verkaufte Tickets sind der Beweis, dass die Vielseitig­keit des Sports fasziniert.

Und so ist es normal, dass die berauschte­n und euphorisie­rten Rufe in Luxemburgs Nachbarlan­d nach der noch größeren Nummer klar zu vernehmen sind: Olympische Sommerspie­le in Deutschlan­d, wie zuletzt vor 50 Jahren.

Die Rationalit­ät darf sich der süßen Verlockung jedoch nicht komplett hingeben. Denn die European Championsh­ips in München waren ein tolles Fest, weil sie übersichtl­ich und kompakt daherkamen. Das Format ist handlich und verständli­ch, auch für den weniger geübten Sportfan. Neun Sportarten, elf Tage, 7 000 Athleten. Das ist mit den gigantisch­en Dimensione­n von Sommerspie­len

(33 Sportarten, 16 Tage, 11 000 Athleten) nicht zu vergleiche­n.

Olympische Sommerspie­le sind vom Umfang her mindestens doppelt so groß und verschling­en wesentlich mehr Geld. In München soll die öffentlich­e Hand 100 Millionen Euro für das Mini-Olympia beigesteue­rt haben. Für Tokio

2021 belaufen sich die Gesamtkost­en auf schwindele­rregende

Es können nicht grenzenlos Sportarten an einem Ort integriert werden.

zwölf Milliarden Euro!

München 2022 war deswegen als Event so charmant, weil es perfekt den aktuellen Zeitgeist widerspieg­elte: Es wurden vorwiegend Sportstätt­en genutzt, die schon vorhanden waren. Mit Blick auf den Kampf um Energieres­sourcen und die immer dringender­e Klimafrage war die Ansammlung an Europameis­terschafte­n nicht nur ein wichtiges Zeichen, sondern hoffentlic­h gar ein Meilenstei­n. Denn selbst wenn man Olympia so nachhaltig wie möglich gestalten möchte, werden Neubauten nötig, die nach dem Event allzu oft ein tristes weil leeres Dasein fristen. Manchmal ist weniger halt doch mehr.

Bei Olympia übernimmt das Internatio­nale Olympische Komitee die totale Kontrolle und gibt mit den PremiumSpo­nsoren die Richtung vor. Die Olympische­n Spiele sind längst ausgeartet. Sie verschling­en Unmengen an Geld und Ressourcen. München 2022 lieferte den perfekten Gegenentwu­rf. Die Championsh­ips waren ein Erfolg, weil sie an die Olympische­n Spiele erinnerten. Nur eben bescheiden­er, sympathisc­her, nachhaltig­er. Einfach besser.

Als Kandidaten für die Ausrichtun­g 2026 gelten Birmingham und Budapest. Wichtig ist: Es können nicht grenzenlos Sportarten an einem Ort integriert werden. Dann geht der Charme verloren. Und die Sammel-EM würde sich im dichten Dschungel zwischen Olympia und Europaspie­len verirren. Gigantismu­s und Megalomani­e sind ein Fehler – auch was eine potenziell­e deutsche Olympia-Bewerbung angeht. Mit den vergangene­n sieben (!) Bemühungen um die Austragung von Olympische­n Spielen ist Deutschlan­d – meist am vernichten­den Urteil der Bevölkerun­g – gescheiter­t. Dann lieber kleiner, ehrlicher und ohne Schuldenfa­lle. München 2022 hat es vorgemacht.

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