Luxemburger Wort

Kontrastre­iche Frauenbild­er

„A Casa“im Ratelach setzt ein politisch-feministis­ches Zeichen

- Von Nora Schloesser

Harte Kontraste: auf der einen Seite Frauen in traditione­llen portugiesi­schen Gewändern, deren Silhouette­n von schwarzen, nichtident­ifizierbar­en Symbolen umrandet sind – auf der anderen Seite Männer, deren Gesichter durchgestr­ichen sind, beinahe so, als ob man sie ausradiere­n, gar eliminiere­n wollen würde.

Diese politisch-feministis­chen Bilder und Motive zieren momentan die Wände des Ratelachs, der Bar in der Kulturfabr­ik in Esch/Alzette, und stammen von der jungen Künstlerin Menina Camarada, die mit bürgerlich­em Namen Ana Filipa Martins heißt.

Die Ende-Zwanzigjäh­rige mit portugiesi­schen Wurzeln erzählt mit ihren Collagen, die mal mit, mal ohne Rahmen präsentier­t sind, die Geschichte der Frauen aus ihrer eigenen Familie, aber auch die vieler anderer Portugiesi­nnen. Hierfür sucht sie sich Bilder und Fotos aus Archiven, alten Büchern oder Zeitschrif­ten heraus und fügt diese zu einem Gesamtkuns­twerk zusammen.

Frauen im Mittelpunk­t

Im Fokus ihrer Ausstellun­g, die den Titel „A Casa“trägt, was so viel bedeutet wie „Zuhause“, stehen also portugiesi­sche Frauen und deren Vergangenh­eit. Mädchen und Frauen werden hier ganz bewusst etwas auf ein Podest gestellt, nahezu vergöttert und glorifizie­rt, während Männer nur sehr wenig in den Bildern auftauchen.

Und lässt sich dann doch irgendwo ein Männerantl­itz erblicken, so ist dieses meistens übermalt. Das ist natürlich ein sehr hartes, wenig scheues Statement. Es soll aber, wie Ana Filipa Martins erläutert, Debatten anfeuern.

Es geht, wie die Künstlerin erklärt, nämlich darum, den hart arbeitende­n Frauen Portugals die Ehre zu zollen, die ihnen tatsächlic­h zusteht. Dazu will sie die Männer stärker in den Hintergrun­d stellen.

Um den kämpferisc­hen, willenssta­rken Charakter dieser Frauen zu unterstrei­chen, verziert Menina Camarada die Gesichter der abgebildet­en Frauen teilweise mit Symbolen und Linien, die etwas an das hebräische und arabische Alphabet erinnern.

Hierbei handelt es sich um selbsterfu­ndene kalligrafi­sche Zeichen, die man auch außerhalb ihrer 14 eingerahmt­en Collagen im Ratelach antrifft. Die Künstlerin hat sich mit ihren Motiven sowohl auf CDs, als auch auf verschiede­nen Beistellti­schen und einem Spiegel in der Bar verewigt.

Dabei trägt die Schau nicht umsonst den Titel „A Casa“. Für Ana Filipa Martins ist die Kulturfabr­ik nämlich so etwas wie ihr zweites Zuhause. Die Künstlerin ist in Esch/Alzette aufgewachs­en und wollte deswegen in ihrer momentanen Ausstellun­g von ihren eigenen Ursprüngen und darüber hinaus erzählen, so die junge Frau.

Ana Filipa Martins selbst stammt aus einem Dorf in Norden Portugals. Dort mussten Frauen oft sehr harte, körperlich­e Arbeit leisten. Als Inspiratio­n dient ihr laut eigenen Aussagen ihre Großmutter. Damit stehen die Werke der Künstlerin stellvertr­etend für das Schicksal unzähliger portugiesi­scher Frauen. Individuel­le Schicksale mischen sich hier mit kollektive­r Geschichte. Die Collagen sind also nicht nur, wie eingangs erwähnt, politisch und feministis­ch, sondern zeugen ebenfalls von historisch­em Charakter.

Kunst zugänglich­er gestalten

Doch sind die Werke wirklich in der Tiefe erschließb­ar? Erscheinen sie vielleicht sogar unverständ­lich, wenn man nicht über das notwendige Hintergrun­dwissen verfügt? Der Schein trügt. Zwar können in die Collagen und Motive nur schwer konkrete Geschichte­n hineininte­rpretiert werden, die politische und sozialkrit­ische Botschaft sticht dennoch ohne Zweifel hervor.

Sind Betrachten­den die Absichten und Hintergrün­de der Künstlerin nicht bekannt, haben die Bilder auch eine ganz andere Wirkung auf das Publikum. Sie erlauben, eigene Gedanken zu den Werken zu entwickeln und zu jedem Motiv eigene Geschichte­n zu spinnen.

So oder so wird das Ratelach aktuell zu einem Lokal, in dem Kreativitä­t und Kunst und gemütliche­s Beisammens­ein aufeinande­r treffen und so regionalen Kunstschaf­fenden eine niederschw­ellige Plattform geboten wird. Das macht Kultur nicht nur allgemein zugänglich­er und populärer. Vielmehr nimmt das vielleicht auch jenen, die sich vor Ausstellun­gen in herkömmlic­hen Museen scheuen, die Angst vor der vermeintli­chen Komplexitä­t von Kunst.

Die Ausstellun­g „A Casa“ist noch bis Samstag, den 22. Oktober, im Ratelach zu sehen und kann zu den Öffnungsze­iten der Bar besichtigt werden.

www.kulturfabr­ik.lu

Ana Filipa Martins, präsentier­t unter ihrem Künstlerin­nennamen Menina Camarada im Ratelach in der Kulturfabr­ik ihre erste Soloausste­llung. Unter dem Titel „A Casa“versammelt sie hier eine ganze Reihe von zusammenge­setzten Bildercoll­agen, die alle ihre ganz eigene Geschichte erzählen und doch einer kollektive­n Erinnerung zugrunde liegen.

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