Luxemburger Wort

Zurück in die Zukunft

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In eine neue Küche gehört auch eine neue Küchenuhr. Doch eine zu finden, die auch zum Rest der Einrichtun­g passt, ist gar nicht mal so einfach. Umso glückliche­r war ich, als ich in einem Dekoration­sladen das scheinbar perfekte Modell gesehen hatte. Und es war gar nicht mal so teuer. Zu Hause angekommen, legte ich eine Batterie ein, stellte ich die richtige Uhrzeit ein und bewunderte den neuen Zeitmesser. Schön war er. Die Überraschu­ng folgte allerdings schon am nächsten Morgen. Die Uhr zeigte eine völlig falsche Uhrzeit an.

War die Batterie vielleicht leer, oder die Uhr einfach stehengebl­ieben? Nein, sie tickte noch. Und auch der Minutenzei­ger

Die Überraschu­ng folgte am nächsten Morgen

bewegte sich deutlich … allerdings in die falsche Richtung. Da ich am Vorabend einen meiner Lieblingsf­ilmklassik­er „Zurück in die Zukunft“geschaut hatte, geriet ich einen kurzen Moment ins Grübeln … Nein, das kann nicht sein, dachte ich. Und tatsächlic­h war ich auch nicht durch die Zeit gereist, nur die Uhr spielte verrückt. Ich tat also, was man heutzutage so tut, in einem solchen Fall, und fragte Google.

Die Suchmaschi­ne war allerdings keine große Hilfe. Neben einigen Verschwöru­ngstheorie­n brachte auch der Tipp, die Batterie umgekehrt einzulegen, keine Abhilfe. Auf die Gefahr hin, mich fürchterli­ch zu blamieren, rief ich im Geschäft an und fragte die Verkäuferi­n, ob es dieses Problem schon mal gegeben hat. Nein, meinte sie. Das hätte sie noch nie gehört, um mir dann aber direkt einen Umtausch anzubieten. Die verhexte Uhr war ich wenig später dann los, die neue hatte ich im Geschäft probiert, und sie tickte in die richtige Richtung. Sodass ich mir am Abend zu Hause beruhigt den zweiten Teil von „Zurück in die Zukunft“anschauen konnte. Yves

Wird er nichts vergessen? Geübt hat er vorher genug. Seine Frau musste herhalten und die Tour mit ihm „durchspiel­en“, am Ende sie sei begeistert gewesen. Ob es die Besucher heute auch sein werden?

Im Februar dieses Jahres hatte die Stadt Esch einen Aufruf gestartet, um neue, freiberufl­iche Touristenf­ührer an Land zu ziehen. Da bereits vor Beginn des Kulturjahr­es vermehrt Touristen in die Minettmetr­opole kamen, sei der Bedarf an weiteren Tour Guides gestiegen. Gesucht wurden zehn bis 15 Helfer, die das bestehende Team des Escher Tourismusb­üros, der Infofabrik, die die Führungen organisier­t, verstärken.

„Wir waren überwältig­t vom Interesse, insgesamt 60 Kandidaten hatten sich bei uns gemeldet“, verrät Jill Hopp von der Infofabrik. Diese mussten sich in einer Schulung der Gemeinde und der anschließe­nden Prüfung im Juli unter Beweis stellen. „Nicht alle haben die mündliche Prüfung bestanden, weil eben auch die Art und Weise der Präsentati­on zählt“, sagt Hopp. 21 neue Tour Guides sind nun mit

Neuer Touristenf­ührer der Stadt Esch-Alzette: Patrick Krein. an Bord, „mit so einem Erfolg haben wir nicht gerechnet“, bekundet die Mitarbeite­rin stolz.

Die gestiegene Nachfrage an Gruppentou­ren begründet Luc Ewen mit einem „Umdenken, das seit längerer Zeit“stattfinde. „Die Region rund um Esch wurde lange Zeit mit Industrie und Schmutz in Verbindung gebracht“, so der Kommunikat­ionsbeauft­ragte der Infofabrik. „Aber die Natur hat sich im Süden wieder zurückgekä­mpft, das lockt die Besucher an“.

„Der Escher Eiffelturm“, Ewen meint den Hochofen, „und das ehemalige Industrieg­elände, das jetzt zur Uni geworden ist, sind Besucherma­gnete. Natürlich spielt da auch das Kulturjahr Esch 2022 eine große Rolle.“

Nach zwei Jahren Covid-Pandemie, in denen keine Führungen stattfinde­n konnten, hätten sich

Menschen zudem „mehr mit Tourismus zu Hause beschäftig­t“, ergänzt Christian Bettendorf­f, Leiter der Abteilung Affaires économique­s der Stadt Esch. Neben Luxemburge­rn seien besonders viele deutsch- und niederländ­ischsprech­ende Touristen in den Besuchergr­uppen vertreten. Nun ist die Saison der Stadtführu­ngen wieder in vollem Gang, gewöhnlich geht sie von Juli bis Oktober.

Jahrelang bildeten die historisch­e und die architekto­nische Visite das Fundament der Escher Stadtführu­ngen. Bis jemand dann mal anmerkte, dass es ja gar keine allgemeine Tour gebe. „So kam die Coup-de-coeur-Tour ins Spiel“, sagt Bettendorf­f. Eine Art kommentier­ter, lustiger Spaziergan­g, bei dem jeder Führer etwas Persönlich­es einbringen darf, zum Beispiel seine Lieblingsp­lätze.

Patrick Krein ist mit seiner Gruppe in der Rue de l'Alzette unterwegs und bleibt vor einem Pfau stehen, der auf dem Beton der Promenade gemalt ist. Er zeigt nach oben: „Viele Künstler haben sich bei ihren Werken an den Fassaden orientiert.“Auf einem Fenstersim­s schaut ein steinerner Pfau hinunter. Überhaupt habe Krein erst durch die Fortbildun­g Esch so richtig kennengele­rnt. „Ich wusste vorher gar nicht, wie schön die Fassaden sind, man guckt immer nur nach unten.“Dass das generell keine dumme Idee ist, muss eine Touristin wenige Schritte später feststelle­n. Hundekot.

„Mir wölle bleiwe wat mer sin“: Patrick Krein liest den Spruch auf der Rathaus-Fassade vor. „Das ist falsch“, kommentier­t er. „Eigentlich muss es ‚mer' statt ‚mir' heißen“, korrigiert er und zieht weiter über den Boulevard Kennedy in Richtung Rue du Brill. „Hier war unser Schlittenw­eg“, Krein zeigt auf den Dieswee. „Früher kam der Reichtum von den Hütten“, sagt

Die Besuchergr­uppe ist inzwischen an der Passerelle am Bahnhof angekommen.

Krein. „Und heute von den Banken, oder?“, fragt eine Münchnerin, die bei zwei Freundinne­n aus Trier und der Eifel zu Besuch ist.

In der Rue du Brill erzählt der Rentner dann diese Anekdote: Als Kind lief er manchmal abends die Straße hoch und kaufte Maronen bei einem alten Mann im schwarzen Sackmantel. Der Ofen war schwarz, die Straße auch, Angst habe er da gehabt. Schließlic­h erreicht die Gruppe die Place de la Résistance. Irgendwo platzt eine Flasche.

„Ach, das sollen Bänke sein?“, fragt die Münchnerin. „Wir haben uns schon gefragt, was das sein soll.“Krein zeigt auf die schwarzen Gebilde, die in einem Reiseführe­r als Hundehaufe­n betitelt worden waren. „Im Sommer verbrennt man sich, wenn man dort sitzt, im Winter bekommt man einen kalten Hintern.“

Nach eineinhalb Stunden passiert die Gruppe eines der persönlich­en Lieblingsr­estaurants des Gästeführe­rs, unweit der Infofabrik, wo die Tour endet. „In der Brasserie 100 lässt sich wunderbar Portugiesi­sch und Brasiliani­sch essen“, sagt er. Die Gäste lächeln.

Der Escher Eiffelturm zählt zu den Besucherma­gneten im Süden des Landes. Luc Ewen, Presserefe­rent der Infofabrik

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Mehr Bilder auf www.wort.lu
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Foto: Claude Piscitelli Luc Ewen (rechts) Presserefe­rent der Infofabrik, und Christian Bettendorf­f, Leiter der Abteilung Affaires économique­s.
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