Luxemburger Wort

Platz da, hier komme ich

- Von Marco Meng

In Europa herrscht Dürre, vielleicht die schlimmste seit 500 Jahren. Lebensmitt­el werden teurer. „Die Regierung muss etwas dagegen machen“, hört man. Gleichzeit­ig reibt man sich angesichts der herrschend­en Trockenhei­t verwundert die Augen, wenn man bei einem Waldspazie­rgang erwachsene Menschen antrifft, die nach dem Rauchen ihre Zigarette ins trockene Laub fallen lassen und „austreten“. Überhaupt: kann man eigentlich ein Stück Natur besuchen, ohne dass dort Menschen ihre Spuren hinterlass­en haben? Der Wald, der Park oder sogar das Naturschut­zgebiet kann noch so schön sein – man findet stets irgendwo eine weggeworfe­ne Coladose oder Plastiktüt­e. Wer die Welt besser machen will, sollte bei sich selbst anfangen, ehe er auf „die da oben“schimpft. Doch der Mensch ist nur ein vernunftbe­gabtes Wesen. Heißt: Er handelt nicht unbedingt vernünftig – er hat höchstens die Fähigkeit dazu. Wie viele Nutzer dieser Fähigkeit einen Führersche­in besitzen, dazu gibt es keine Statistik. Doch auf der Straße findet der Lackmustes­t statt, wie es um die Vernunft des Menschen bestellt ist. Obwohl die Straßen in Luxemburg jetzt zur Ferienzeit geradezu leer sind, kann man dennoch täglich all die Geistesher­oen bewundern, die rechts-linksrecht­s-links alle Fahrzeuge überholen, weil die Höchstgesc­hwindigkei­t 130 anscheinen­d nicht schnell genug ist.

Oder es wird noch flugs wie auf der Formel-1-Rennstreck­e überholt – damit sich die Vollbremsu­ng lohnt, um noch gerade so die Autobahnau­sfahrt zu erwischen. Was denken all diese Menschen, die im Zickzack an allen anderen vorbeirase­n und dann an der ersten Ampel in der Stadt eben nur die ersten sind, die bei Rot halten müssen? Fährt man längere Strecken, kann man auch stets beobachten, wie sich zwei meist hochpreisi­ge Fahrzeuge mit annähernd Tempo 200 auf der linken Fuhr verfolgen und einer den anderen nicht vorbeilass­en will – Abstand zwischen den Fahrzeugen: zwei Meter. Vernunftbe­gabte Wesen eben. Bis zur Kante des Zebrastrei­fens wird beschleuni­gt – mal eine halbe Sekunde vom Gas zu gehen, scheint viele zu überforder­n. Wer eine Lastwagenk­olonne überholt, dem klebt plötzlich mit einem Meter Abstand ein Wichtigtue­r am Heck und ruft mit Lichthupe „Platz da, hier komme ich“. Das Ganze ist nicht nur eine Verkehrswi­drigkeit, sondern vor allem eine Respektlos­igkeit. Bei Facebook und im Auto scheinen viele vergessen zu haben, dass das eigene Verhalten reale Konsequenz­en haben kann, oft bittere.

Doch zurück zum Wald und der frischen Waldluft… Plötzlich steht ein Hund am Wegesrand. Er beobachtet neugierig, traut sich aber nicht, näherzukom­men. Sicher taucht gleich der Besitzer auf. Aber es kommt niemand. Läuft der Hund hier tatsächlic­h allein durch den Wald? Nun kann man nicht einfach so einen Hund adoptieren, den man im Wald findet. Aber was tun? Zum Glück kommt jemand von der Forstverwa­ltung, der die Bäume begutachte­t und den Hund im Tierheim abgeben will. „Gestern fanden wir hier auch ein ausgesetzt­es Kaninchen“, sagt er.

Und wie zur Erklärung: „Es ist Urlaubszei­t.“Ein Hoffnungsz­eichen: Jemand mit Leine nähert sich laufenden Schritts – der Kleine war einfach nur ausgebüxt.

Mal eine halbe Sekunde vom Gas zu gehen scheint viele zu überforder­n.

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