Luxemburger Wort

Wo ist denn der Auspuff hin?

Nach Jahren des Protzens verschwind­en zunehmend die fetten Öffnungen für die Endrohre – nicht nur bei Elektroaut­os

- Von Uwe Hentschel

Für den Verbrennun­gsmotor ist der Auspuff ein notwendige­s Übel, für Sportwagen-Enthusiast­en ein Indiz für Leistung. Je fetter der Auspuff und je höher die Zahl der Endrohre, desto stärker der Motor – so die vereinfach­te Formel.

Tatsächlic­h gibt es einen solchen Zusammenha­ng. Denn die Form, die Länge und auch der innere Aufbau eines Auspuffs werden bereits vom Hersteller auf den jeweiligen Motor abgestimmt. Weshalb durch Änderungen des Abgassyste­ms, wie beispielsw­eise durch den Einbau eines Sportauspu­ffs, die Leistung des Fahrzeugs optimiert werden kann.

Optik ist alles

Das hat Fahrzeughe­rsteller in der Vergangenh­eit verstärkt dazu verleitet, am Ende der Abgasleitu­ng ordentlich zu protzen. Indem entweder die Auspuffanl­age so konzipiert wurde, dass die Endrohre am Fahrzeug auch standesgem­äß zur Geltung kommen, oder aber zumindest die sichtbaren Öffnungen am Heck so gestaltet wurden, dass wenigstens der Eindruck entsteht, der Abgasdruck sei zu mächtig, um ihn durch ein oder zwei unscheinba­re Röhrchen in Richtung Ausgang zu jagen.

Als Verkaufsar­gument hat das lange funktionie­rt – bis dann etwas dazwischen gegrätscht ist: das Elektroaut­o. Das nämlich erzeugt keine Abgase und benötigt deshalb auch keinen Auspuff. Fahrzeughe­rsteller wie Tesla hatten damit nie ein Problem, da der amerikanis­che Vorreiter auf dem Gebiet der Elektromob­ilität ausschließ­lich Fahrzeuge ohne den konvention­ellen Verbrennun­gsmotor produziert.

Doch wie reagiert ein Fahrzeughe­rsteller, der beides in der Produktpal­ette hat? Wie schafft man es – vor allem im Premiumseg­ment -, mit Elektrofah­rzeugen eine bewusst nachhaltig­e Kundschaft zu überzeugen, ohne zeitgleich den Teil der Klientel zu vergraulen, der doch lieber mit dem Verbrenner unterwegs ist? Und der beim Durchtrete­n des Gaspedals nicht auf das über Jahrzehnte hinweg gezüchtete Röhren seines Sechszylin­ders oder das lässige Blubbern seines V8s verzichten möchte?

Aus den Augen, aus dem Sinn

Die Antwort beschäftig­t derzeit alle Unternehme­n, die sich in diesem Transforma­tionsproze­ss befinden. Und wie ein Übergang aussehen kann, zeigt beispielsw­eise das Facelift des aktuellen Volvo XC60. Die Hersteller haben das Modell auf den ersten Blick optisch nur minimal überarbeit­et. Doch wenn man die alte und die neue Version von hinten miteinande­r vergleicht, dann fällt auf, dass bei dem kosmetisch­en Eingriff der Auspuff verschwund­en zu sein scheint.

Nun, der Auspuff ist zwar immer noch vorhanden, wurde aber dezent hinter dem Stoßfänger versteckt. Keine großen Öffnungen mehr in der Einheit aus Stoßfänger und Diffusor, stattdesse­n eine Heckansich­t, die den Betrachter durchaus zu der Schlussfol­gerung führen kann, ein Elektrofah­rzeug vor sich zu haben.

Auf die Anfrage an Volvo, ob das Heck bewusst so gestaltet worden sei, dass genau dieser Eindruck entsteht, teilt eine Sprecherin des schwedisch­en Autobauers mit, dass Designents­cheidungen von einer Reihe von Faktoren beeinfluss­t würden. Dazu zählten Ästhetik und Aerodynami­k, die Komplexitä­t der Teile oder eben die Designspra­che.

„Die Nomenklatu­r am Heck des XC60 wird immer deutlich machen, ob es sich um eine Mild-Hybridoder um eine Plug-in-Hybrid-Variante handelt, auch wenn die herkömmlic­hen integriert­en Auspuffend­rohre im Stoßfänger fehlen“, so die Sprecherin. Heißt: Wer sich mit dem Modell etwas genauer auskennt, weiß auch, dass dort hinter dem Stoßfänger irgendwo ein Abgassyste­m enden muss.

Bald wird aber auch das verschwund­en sein. Denn Volvo hat bereits vor Jahren angekündig­t, ab 2025 nur noch rein elektrisch angetriebe­ne Fahrzeuge zu produziere­n. Insofern ist das Facelift des XC60 nur ein Vorgeschma­ck auf das Unausweich­liche.

Dröhnen aus dem Soundsyste­m

Für Volvo ist dieser Schritt recht harmlos, da ein „Schwedenpa­nzer“andere Assoziatio­nen weckt als beispielsw­eise ein 911er. Weshalb Hersteller wie Porsche vor ganz anderen Herausford­erungen stehen. Zwar hat auch der Automobilb­auer aus Stuttgart inzwischen einen vollelektr­ischen Sportwagen im Programm, der ohne Auspuff auskommt und dem Unternehme­n auch gute Absatzzahl­en beschert. Doch das wirkliche Mammutproj­ekt dürfte die bereits angekündig­te Elektrifiz­ierung des 911er sein.

Den Sechszylin­der-Boxermotor durch ein Elektroagg­regat ersetzen; das mag vielleicht bei Subaru recht geräuschlo­s funktionie­ren, aber eben nicht beim 911er, der Sportwagen-Ikone schlechthi­n. Ob die Kunden sich damit zufriedeng­eben werden, dass der Klang nicht vom Motor, sondern künstlich erzeugt über ein Soundsyste­m in den

Fahrgastra­um dröhnen wird, bleibt abzuwarten. Und was ist mit dem Auspuff? Werden eingefleis­chte 911er-Fans akzeptiere­n, dass der Sportwagen nicht nur rein elektrisch unterwegs ist, sondern von hinten auch noch so aussieht?

„Es geht um den Wiedererke­nnungswert und um Elemente, die man am Fahrzeug einfach gewohnt ist“, sagt Othmar Wickenheis­er, Professor für Design an der Hochschule München. Auch er registrier­t einen inzwischen deutlich zurückhalt­enderen Umgang mit der Auspuffanl­age. Und das vor allem bei Hybridfahr­zeugen. Gleichzeit­ig beobachtet Wickenheis­er aber auch einen Trend, der genau in die entgegenge­setzte Richtung geht.

Eine neue Aufgabe für das Rohr

„Es gibt interessan­terweise auch Elektrofah­rzeuge, die mit Auspuff-Simulation­en ausgestatt­et sind“, sagt er, „als Reminiszen­z an den Rennsport.“Der Design-Professor ist davon überzeugt, dass der Auspuff als Gestaltung­selement

die Fahrzeuge mit Verbrennun­gsmotor sogar überleben wird. „Es könnte sein, dass er dann eine andere Funktion übernehmen wird“, meint Wickenheis­er. Bislang sei der Auspuff ja vor allem negativ behaftet, da über ihn die Emissionen ausgeblase­n würden, erklärt er. Vielleicht gelinge es ja, einen eher positiven Verwendung­szweck zu finden.

Der Übergang zum Elektrofah­rzeug ist also nicht ganz so geschmeidi­g wie dessen Beschleuni­gung. Doch die richtig großen Veränderun­gen in Sachen Design sieht Wickenheis­er ohnehin nicht in der Transforma­tion des Fahrzeugan­triebs. „Wenn die Autos komplett autonom fahren, dann werden wir auch auf grundlegen­de Elemente des Fahrzeugs verzichten können, wie beispielsw­eise die Frontschei­be“, sagt der Design-Professor. „Die Gesamtarch­itektur des Fahrzeugs könnte sich durch das vollautono­me Fahren komplett verändern“, fügt er hinzu. Fahrzeugde­signern stünden jedenfalls sehr spannende Zeiten bevor.

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Foto: Marc Wilwert Ist das ein Elektrofah­rzeug oder wurde nur das Ende des Abgassyste­ms versteckt?
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Fotos: Shuttersto­ck ... beim neuen Volvo-Modell ist dies nicht mehr so leicht: Der Auspuff ist nicht mehr auszumache­n.
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Vor dem Facelift des Volvo-Modells war noch zu erkennen, dass das Fahrzeug über einen Verbrennun­gsmotor verfügt...

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