Hals über Kopf im Tunnel Huldingen
Erst bereiteten Fledermäuse den Planern eines Fahrradweges Probleme, dann gewannen sie Preise
Jean-Philippe Schmit
Huldingen. „Wenn man nach dem Einbruch der Dämmerung einen dunklen Schatten durch die Nacht huschen sieht und kein Vogel zwitschert, dann war es eine Fledermaus“, sagt der Biologe Alain Klein. Wenn man genau hinhöre, könne man gar ein Fiepen vernehmen. Denn zumindest ihre Sozialrufe seien auch für den Menschen hörbar – wenn auch zumeist nur für jüngere Menschen. Alain Klein arbeitet bei der biologischen Station des Naturpark Our und kennt sich mit Fledermäusen aus. Er betreut die Kolonien, die im Tunnel von Huldingen an der belgisch-luxemburgischen Grenze leben. „Seine“Fledermäuse sind sogar preisgekrönt.
Im Jahr 2018 kam der Tunnel nämlich ins Finale des Natura2000-Awards, berichtet er stolz. Die Fledermäuse aus Luxemburg belegten nach Greifvögeln aus Griechenland und Bären aus Spanien den dritten Platz. „Mit der Zeit habe ich ein richtiges Faible für die Fledermäuse entwickelt“, sagt er.
Im Moment sei die Zeit, während der die Fledermäuse ihre Sommerquartiere verlassen und sich für die Paarungszeit vorbereiten. In den großen Kolonien, die aus mehreren Tausend Tieren bestehen können, leben nur Weibchen und Jungtiere. „Im Gegensatz zu Mäusen bekommen die Fledermäuse nur ein Junges pro Jahr“, erklärt Klein. Die Männchen leben allein oder in eigenen, kleineren Kolonien. Die Weibchen müssen den Nachwuchs jedoch nicht allein großziehen. „Fledermäuse sind sehr soziale Tiere“, unterstreicht der Experte.
„Wenn die Wochenstuben Ende August aufgelöst werden, müssen die jungen Männchen die Kolonie verlassen“, fährt Alain Klein fort. Diese Halbstarken halten dann nach einer neuen Unterkunft Ausschau. Wenn man abends die Fenster offen lasse, könne es vorkommen, dass ein solches Exemplar auf das Wohn- oder Schlafzimmer aufmerksam wird.
„Ah, ein nettes Plätzchen, hier werde ich mich hinhängen“, versetzt sich Klein in die Gedanken des Fledertiers. Von den Fledermäusen gehe keine Gefahr aus, bekräftigt der Biologe. „Licht an und Fenster groß auf“, so lassen sich die Eindringlinge wieder schnell vertreiben.
„Einheimische Fledermäuse trinken kein Blut, verfangen sich nicht in den Haaren und übertragen auch keine Krankheiten“, beruhigt der Biologe. Bei Zählungen trage er dennoch Schutzhandschuhe. „Um die Fledermäuse zu schützen“, betont er.
Zahl der Tiere im Tunnel unbekannt Wie viele Tiere genau kopfüber im 700 Meter langen Tunnel hängen, weiß niemand so ganz genau. „Die größte mir bekannte Kolonie lebt im Kirchturm von Bastendorf im Bleestal“, sagt er. „1 300 Tiere.“Bei der jüngsten Zählung im Tunnel von Huldingen wurden deutlich weniger gezählt.
Als im Jahr 1888 mit dem Bau des Eisenbahntunnels zwischen Luxemburg und Belgien begonnen wurde, waren Fledermäuse noch kein Thema. Binnen zwölf Monaten war der damals längste Tunnel des Landes fertiggestellt. „Heute benötigen alleine die Voruntersuchungen länger“, sagt Guy Henckes
Schöffe bei der Gemeinde Ulflingen. Es scheint, als habe er Erfahrung mit derartigen Dingen.
In den 1960er-Jahren wurde die Vennbahn stillgelegt und geriet in Vergessenheit. Rund 50 Jahre später erinnerte man sich an den Tunnel, als die Erweiterung des Fahrradweges PC21 „du Nord“bis nach Belgien angedacht wurde. Eigentlich sollte der Fahrradweg dem Gleisverlauf der alten Kohlebahn folgen und den Tunnel durchqueren. Die bei Touristen beliebte Region wäre um eine Attraktion reicher gewesen.
Ein Hotspot für Fledermäuse
„Bei der Umweltprüfung im Jahr 2012 wurde dann aber festgestellt, dass der Tunnel ein Hotspot für Fledermäuse ist“, erinnert sich Alain Klein. „Nun haben wir ein Problem“, habe der Schöffenrat festgestellt, so Guy Henckes. Ein Jahr später wurde wieder geprüft und es wurde erkannt, dass 13 der 19 in Luxemburg vorkommenden Arten im
Guy Henckes und Alain Klein.
Tunnel leben. „Sie stehen alle auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten“, betont Klein. Das Projekt „Fahrradweg“kam ins Stocken, das Projekt „Federmaustunnel“war geboren.
„Für die Fledermäuse reserviert.“Die Fledermäuse durften bleiben. Der Tunneleingang wurde im Jahr 2015 vergittert und ist seither „exklusiv für Fledermäuse reserviert“. Diese seien extrem sensible Tiere. Temperaturschwankungen und Änderungen der Luftfeuchtigkeit stören die Tiere, vor allem während des Winterschlafs.
Eine Tunneldurchfahrt als Attraktion fällt also aus, die Fahrradfahrer müssen den Tunnel umfahren. Im Gegenzug wurde ein interaktiver Federmauspfad mitsamt Webcam eingerichtet. In Zukunft könnte aus dem gesamten Areal mitsamt historischen Arkaden und Teichen ein Naturschutzgebiet werden, verrät Guy Henckes. Die Planungen würden bereits laufen.