16 Jahre Warten auf die Schueberfouer
Schaustellerfamilie aus Bonn ist mit ihrem „Hexentanz“erstmals in Luxemburg
Luxemburg. Während sich „Wort“Videojournalistin Sibila Lind die Seele aus dem Leib schreit, sieht der zweijährige Hans-Peter in seinem Fahrgeschäft schon fast gelangweilt aus. Ab und zu hebt er beide Arme in die Luft, damit der Wind schön gegen sein kleines Gesicht pustet. Wir sind im „Hexentanz“, einem historischen Karussell, das in seiner Art einmalig auf der Welt ist. Und hier beginnt die Geschichte der Familie Markmann und Söhne.
Die Hexen sind los auf der Schueberfouer – und das zum ersten Mal. 16 Jahre lang musste der 62-jährige Hans-Peter Markmann aus Bonn warten, jedes Jahr hatte er sich beworben und für 2020 endlich die Zusage bekommen, mit seinem Fahrgeschäft nach Luxemburg zu kommen. Doch Corona machte dem Schausteller einen Strich durch die Rechnung. Nun steht sein Karussell gleich hinter einem der Eingänge auf dem Glacis-Platz, schräg gegenüber der Wilden Maus.
Vorwärts, rückwärts, hoch und runter geht es in dem Fahrgeschäft, auf den Wagen sind auf einem Besen fliegende Hexen gemalt. Der Vater dieses Karussells, Hans-Peter Markmann, stammt aus einer Schaustellerfamilie, inzwischen ist die siebte Generation mit dem zweijährigen Enkel Hans-Peter erreicht.
Damit keine Verwirrung aufkommt: Hier heißen alle Hans-Peter. Der 62-jährige Vater, sein 32jähriger Sohn und wiederum dessen Zweijähriger. „Das ist bei uns Schaustellern Tradition, der Vorname der Väter wird weitergegeben“, präzisiert der NordrheinWestfale.
Die Markmanns haben ihre Stammmärkte in und um Bonn, sind das ganze Jahr – von Ostern bis zum Weihnachtsmarkt – auf Achse. Dass sie jetzt in Luxemburg, und damit zum ersten Mal im Ausland, vertreten sind, freut den Senior sehr. „Das hat eigentlich noch in unserer Sammlung gefehlt“, sagt er, der auch nicht auf dem Oktoberfest und dem Cannstatter Wasen bei Stuttgart fehlte.
Bei einem Radler in der Schwarzwaldmühle auf der Fouer, in der er hin und wieder auf eine Pause vorbeikommt, wenn ihn der Sohn oder Ehefrau Beatrix ablösen und hinter dem Mikrofon für Stimmung sorgen, erzählt er stolz von seinem „Hexentanz“. Das Karussell – Baujahr 1982 – sei das einzige dieser Art, das weltweit existiere.
Damals seien zwei Exemplare gebaut worden, im Einsatz sei nur noch dieses. „Karusselle aus den Achtzigerjahren sind für die Ewigkeit
gebaut“, erklärt er. Den heutigen Marktwert seines Fahrgeschäfts schätzt er auf 3,8 bis vier Millionen Euro. Mit sechs Lastwagen ist er angereist, nach drei Tagen war auf dem Glacis alles aufgebaut.
Ebenfalls im Besitz der Markmanns ist die „Nessy“, eine Riesenschaukel aus dem Jahre 1978. „Das ist Europas größte Schaukel“, betont Markmann. „Ich hab die Nessy am liebsten“, sagt Beatrix, die sich ein paar Minuten später dazugesellt. „In den Hexentanz habe ich mich noch nie gesetzt, das ist mir zu doll“, gibt die 58-Jährige zu, die nicht nur Mutter zweier Kinder, sondern auch Hausfrau und Kassenfrau ist.
Kennengelernt haben sich die beiden auf einem Jahrmarkt in Bonn. „Sie ist damals jeden Tag in mein früheres Karussell, die Raupe, gestiegen“, erzählt er. „Irgendwann habe ich sie dann angesprochen.“Beatrix war damals 20 und gelernte Fotolaborantin. Mit 22 hat sie sich für ein gemeinsames Leben mit Hans-Peter entschieden, für ein Vagabundenleben. „In den Wintermonaten habe ich immer in meinem Beruf gearbeitet, bis es wieder losging“, erzählt sie. Daher könne sie, im Gegensatz zu Hans-Peter, auf eine Rente hoffen.
Die zwei Jahre Ausfall wegen Corona hätten die Familie schwer getroffen. Der 32-jährige Sohn habe viel von seinem Ersparten opfern müssen, zwischendurch habe er in einem Biergarten ausgeholfen. Dass der Sohn und die Tochter des Seniors das Geschäft des Vaters eines Tages übernehmen würden, habe er seinen Kindern immer freigestellt. „Sie hätten einen anderen Weg einschlagen können, wir hätten sie unterstützt“, sagt Beatrix. „Aber die Kinder wollten nichts anderes machen. Einmal Schaustellerkind, immer Schausteller“, ergänzt HansPeter. „So ist es wohl.“
Bei der Frage, ob der kleinste Hans-Peter wohl auch einmal in diese Fußstapfen treten wird, zögert Beatrix. „Ich glaube, es wird zunehmend schwerer, wir wussten in den letzten zwei Jahren nicht, wie es für uns weitergehen soll.“Er fügt an: „Die Energiekosten werden auch immer höher. Neulich habe ich gelesen, dass auf unserer Cranger Kirmes so viel Energie verbraucht wird wie in den Haushalten in Crange das ganze Jahr über.“
Karusselle aus den Achtzigerjahren sind für die Ewigkeit gebaut. Hans-Peter Markmann, Schausteller aus Bonn