Balanceakt
Wenn Volkes Stimme seit rund einer Woche in den sozialen Medien aufgrund der Fouer-Preise bebt, dann ist dies ein Jammern auf hohem Niveau. Ein Luxusproblem à la luxembourgeoise. Denn unabhängig davon, ob die Preisgestaltung der Schausteller nun realitätsnah ist oder realitätsfern: Der Besuch der Schueberfouer ist weder eine Pflicht noch ein Zwang.
Kein Luxusproblem, sondern eine raue Realität ist indes die allgemeine und anhaltende Preisentwicklung, unter der Luxemburg (auch) infolge des Ukraine-Krieges stöhnt.
Laut nationalem Statistikamt wird sich die Inflation 2022 auf 6,6 Prozent belaufen, für das kommende Jahr werden 5,3 Prozent prognostiziert. Zwei blanke Zahlen, hinter denen sich Schicksale verbergen – Bürger und Betriebe, denen es aufgrund ausufernder Ausgaben zunehmend schwerfällt, Monat um Monat über die Runden zu kommen.
Zwei Zahlen aber auch, die die Politik zum Handeln forcieren. Eine neue Tripartite-Runde, wie vom Premierminister in Aussicht gestellt, ist alternativlos – selbst wenn die Regierung mit ihrem Solidaritéitspak wohl gehofft haben mag, dass dieser Kelch kurz vor Ende der Legislaturperiode an ihr vorübergeht.
Nun ist die Einberufung einer Tripartite eine Sache. Eine andere Sache ist deren Ablauf und Ausgang. Dass, wie im März mit dem OGBL geschehen, ein Akteur zum Abschluss seine Unterschrift verweigert, kann und darf es diesmal nicht geben. Weil es einem Dolchstoß für das Sozialmodell gleichkäme. Nur wenn die Balance zwischen Verantwortung und Vertrauen stimmt, können Regierung, Gewerkschaften und Patronat die Herausforderung gemeinsam meistern.
Die Herausforderung besteht darin, eine angemessene Antwort auf die Index-Frage zu formulieren, ohne dass die Dreierrunde zur reinen Index-Tripartite wird. Denn selbst wenn für diesen Herbst eine Rückkehr zur automatischen Lohnanpassung beschlossen würde – ohne begleitende Maßnahmen wird es angesichts angekündigter Preissteigerungen bei Gas und Strom (+80 beziehungsweise +35 Prozent) nicht gelingen, den drohenden Kaufkraftverlust zu kompensieren.
Den Spielraum für diese begleitende Maßnahmen definiert die Finanzkraft des Staates. Dass Blau-Rot-Grün nochmals, wie im Frühjahr, rund 900 Millionen Euro mobilisiert, ist dieser Finanzkraft kaum zuzumuten, die 30-Prozent-Schuldengrenze würde bedrohlich näher rücken.
Folglich muss das „mot d’ordre“Selektivität lauten und die Tripartite ohne die populäre Gießkanne auskommen. Besonders mit Blick auf die Betriebe wartet dabei ein weiterer Balanceakt: Die Absicherung von Arbeitsplätzen gewährleisten – Arbeitsplätze gewährleisten Kaufkraft – und gleichzeitig jene Branchen unterstützen, die wirklich „kriegsfolgengeschädigt“sind. Denn wie schon zur Zeit der Corona-Krise hat die wirtschaftliche Schieflage da und dort auch hausgemachte Ursachen.
In der Tripartite muss die Balance zwischen Vertrauen und Verantwortung stimmen.
Kontakt: marc.schlammes@wort.lu