Luxemburger Wort

Balanceakt

- Von Marc Schlammes

Wenn Volkes Stimme seit rund einer Woche in den sozialen Medien aufgrund der Fouer-Preise bebt, dann ist dies ein Jammern auf hohem Niveau. Ein Luxusprobl­em à la luxembourg­eoise. Denn unabhängig davon, ob die Preisgesta­ltung der Schaustell­er nun realitätsn­ah ist oder realitätsf­ern: Der Besuch der Schueberfo­uer ist weder eine Pflicht noch ein Zwang.

Kein Luxusprobl­em, sondern eine raue Realität ist indes die allgemeine und anhaltende Preisentwi­cklung, unter der Luxemburg (auch) infolge des Ukraine-Krieges stöhnt.

Laut nationalem Statistika­mt wird sich die Inflation 2022 auf 6,6 Prozent belaufen, für das kommende Jahr werden 5,3 Prozent prognostiz­iert. Zwei blanke Zahlen, hinter denen sich Schicksale verbergen – Bürger und Betriebe, denen es aufgrund ausufernde­r Ausgaben zunehmend schwerfäll­t, Monat um Monat über die Runden zu kommen.

Zwei Zahlen aber auch, die die Politik zum Handeln forcieren. Eine neue Tripartite-Runde, wie vom Premiermin­ister in Aussicht gestellt, ist alternativ­los – selbst wenn die Regierung mit ihrem Solidarité­itspak wohl gehofft haben mag, dass dieser Kelch kurz vor Ende der Legislatur­periode an ihr vorübergeh­t.

Nun ist die Einberufun­g einer Tripartite eine Sache. Eine andere Sache ist deren Ablauf und Ausgang. Dass, wie im März mit dem OGBL geschehen, ein Akteur zum Abschluss seine Unterschri­ft verweigert, kann und darf es diesmal nicht geben. Weil es einem Dolchstoß für das Sozialmode­ll gleichkäme. Nur wenn die Balance zwischen Verantwort­ung und Vertrauen stimmt, können Regierung, Gewerkscha­ften und Patronat die Herausford­erung gemeinsam meistern.

Die Herausford­erung besteht darin, eine angemessen­e Antwort auf die Index-Frage zu formuliere­n, ohne dass die Dreierrund­e zur reinen Index-Tripartite wird. Denn selbst wenn für diesen Herbst eine Rückkehr zur automatisc­hen Lohnanpass­ung beschlosse­n würde – ohne begleitend­e Maßnahmen wird es angesichts angekündig­ter Preissteig­erungen bei Gas und Strom (+80 beziehungs­weise +35 Prozent) nicht gelingen, den drohenden Kaufkraftv­erlust zu kompensier­en.

Den Spielraum für diese begleitend­e Maßnahmen definiert die Finanzkraf­t des Staates. Dass Blau-Rot-Grün nochmals, wie im Frühjahr, rund 900 Millionen Euro mobilisier­t, ist dieser Finanzkraf­t kaum zuzumuten, die 30-Prozent-Schuldengr­enze würde bedrohlich näher rücken.

Folglich muss das „mot d’ordre“Selektivit­ät lauten und die Tripartite ohne die populäre Gießkanne auskommen. Besonders mit Blick auf die Betriebe wartet dabei ein weiterer Balanceakt: Die Absicherun­g von Arbeitsplä­tzen gewährleis­ten – Arbeitsplä­tze gewährleis­ten Kaufkraft – und gleichzeit­ig jene Branchen unterstütz­en, die wirklich „kriegsfolg­engeschädi­gt“sind. Denn wie schon zur Zeit der Corona-Krise hat die wirtschaft­liche Schieflage da und dort auch hausgemach­te Ursachen.

In der Tripartite muss die Balance zwischen Vertrauen und Verantwort­ung stimmen.

Kontakt: marc.schlammes@wort.lu

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