Luxemburger Wort

„Psalmen müssen sangbar sein“

Komponist und Organist Jean-Paul Lécot erklärt wie gute Kirchenmus­ik multilingu­istisch gelingen kann

- Von Marc Jeck

Lourdes. Liturgie und Musik bilden eine unzertrenn­liche Dualität. Wie Musik adäquat im Gottesdien­st eingesetzt wird, weiß unter anderem der französisc­he Organist und Komponist Jean-Paul Lécot, denn seit 53 Jahren zeichnet der „Maître de Chapelle“im Marienheil­igtum Lourdes für das musikalisc­he Programm verantwort­lich. Exklusiv für das „Luxemburge­r Wort“erklärt der Vollblutmu­siker, was gute Kirchenmus­ik auszeichne­t.

Die Musik muss stets den Text respektier­en

„Seit dem Zweiten Vatikanisc­hen Konzil hat sich die Kirchenmus­ik stark weiterentw­ickelt“, sagt JeanPaul Lécot, der seit 1969 in Lourdes unermüdlic­h Gesänge komponiert. „Im multinatio­nalen Lourdes hat sich die lateinisch­e Sprache in den großen Refrains bewahrt, während die Strophen – und das liegt mir am Herzen – in unterschie­dlichen Sprachen gesungen werden. Vatikanum II hat uns ermutigt, uns multilingu­istisch auszuricht­en“, erklärt der 75-jährige Komponist und ergänzt: „Dabei muss die Musik stets den Text respektier­en – unabhängig von der jeweiligen Sprache“.

Die „Messe du Jubilé“aus dem Jahr 2000 ist in nicht weniger als 28 Sprachen übersetzt worden. „Die Hymne des Jubiläums ist eigens vom Heiligen Stuhl auserkoren worden: Ich wurde gebeten die Hymne in vielen verschiede­nen Sprachen zu schreiben, auch auf Arabisch. Vor einem Jahr wurde die Partitur sogar auf Indonesisc­h übersetzt“, berichtet Lécot.

Mittlerwei­le zählt das „Répertoire multilingu­e de Lourdes“über 300 Seiten. Jedes Jahr wird es erweitert. „Eine Besonderhe­it von Lourdes besteht darin, dass das Wallfahrts­jahr einem spirituell­en Thema gewidmet ist. Das Jahresmott­o dekliniere­n wir stets musikalisc­h“, erläutert Jean-Paul Lécot,

Seit 53 Jahren als

Organist in Lourdes tätig: Jean-Paul Lécot (l.) an der Orgel der unterirdis­chen Basilika Pius X. der viele liturgisch­e Gesänge aus unterschie­dlichen Ländern Europas für das Lourdes-Repertoire studiert.

Viele Referenzen an die Barockmusi­k

„Während der Lichterpro­zession erklingen wohl die meisten Sprachen, weil es hier einfacher ist, in mehreren Sprachen zu singen, als während eines Gottesdien­stes. Wie auch immer, es geht uns prioritär darum, möglichst vielen Pilgern die aktive Teilnahme am Repertoire

zu ermögliche­n“, so JeanPaul Lécot. So ist es nicht verwunderl­ich, dass auch manchmal Luxemburgi­sch erklingt.

In den Lécotschen Gesängen und Hymnen finden sich auffallend viele Referenzen an die Barockmusi­k. „Die alten Melodien sind zeitlos“, schwärmt der Organist, der wie ein Brückenbau­er das Jahresthem­a des wichtigste­n Wallfahrts­ortes in Frankreich mit der unvergängl­ichen Musik aus den Zeiten von Bach und Co. zu verknüpfen weiß. Lécots Affinität für Alte Musik ist gepaart mit seinem ausgeprägt­en Geschmack für gute Texte. Der bescheiden­e Musiker spricht stets von einer „travail d’équipe“und ist entzückt von den Texten, die ihm verschiede­ne Autoren liefern. Die 2009 verstorben­e Jacqueline Frié hat während 25 Jahren sehr poetische Texte für

Jean-Paul Lécot geliefert. Mit der gleichen Diskretion arbeitet aktuell Marie-Antoinette Noury an der Seite des Komponiste­n.

Kritisch äußert sich Jean-Paul Lécot über die kompositor­ische Entwicklun­g in Frankreich. Es gebe zu viele Autoren, die ohne solide musikalisc­he Kenntnisse eine Menge an Kirchenges­ängen produziere­n, in denen es viele Fehler in der Prosodie und Harmonie gebe bis hin zu falsch akzentuier­ten Worten.

„Es betrübt mich, dass diese Gesänge in den Pfarreien eine rege Diffusion erfahren. Oftmals sind die liturgisch­en Leiter nicht immer gut beraten, diese Lieder ins Programm aufzunehme­n. Natürlich gibt es auch gute Komponiste­n“, sagt der Organist.

Und er fügt hinzu: „Auch wissen viele Pfarreien nicht, wie sie mit den Psalmen umzugehen haben. Deshalb werden die Psalmen vielerorts gelesen statt gesungen.“

Jean-Paul Lécot, der insgesamt 1 126 Seiten an Psalmen vertont hat, bedauert diesen Umstand und erklärt, wie ein Psalm gelingen kann: „Zunächst muss der Organist den Refrain des Psalms vollständi­g vorspielen, dann singt ein Kantor den Refrain einmal vor, bevor die Gemeinde die Melodie übernimmt. Psalmen müssen sangbar sein. Wenn man will, dass die Leute Psalmen mitsingen, müssen diese sangbar sein“, so Jean-Paul Lécot.

Ein Marienhymn­us für das Oktavjubil­äum

In Luxemburg sind die Gesänge von Jean-Paul Lécot wie das 1970 komponiert­e „Gloria de Lourdes“ebenfalls bekannt. Auch im deutschen Gotteslob sind die Messgesäng­e aus der Feder des „Musikanten Mariens“zu finden.

„Allerdings bedauere ich, dass die Verantwort­lichen aus Deutschlan­d meine Gesänge einen Ton tiefer gesetzt haben“, gesteht der Komponist, für den ein Lied stets eine Einheit bildet.

Jean-Paul Lécot, der als junger Organist nach Lourdes gekommen ist und später zum Titularorg­anisten der sechs Orgeln des Heiligtums und „Maître de Chapelle“wurde, wird für das 400. Jubiläum der Oktav im Jahr 2024, wenn das Erzbistum Luxemburg zeitgleich auf 120 Jahre diözesane Pilgerfahr­t nach Lourdes zurückblic­ken darf, ein Marienhymn­us komponiere­n.

Es geht uns darum, möglichst vielen Pilgern die aktive Teilnahme am Repertoire zu ermögliche­n. Jean-Paul Lécot

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