Luxemburger Wort

Drohendes Aus für Traditions­strecken

In der Formel 1 fallen immer mehr europäisch­e Rennorte neuen Stadtkurse­n zum Opfer

- Von Jean-Marie Resch

Eines haben Copse und Maggotts in Silverston­e (GB), Lesmo und Parabolica in Monza (I) oder Eau Rouge, Raidillon und Blanchimon­tin im belgischen Spa-Francorcha­mps gemeinsam. Allesamt sind es Streckenpa­ssagen, die wie Musik in den Ohren der Fans klingen. Doch diese Musik läuft Gefahr zu verstummen, zumindest teilweise.

Geht es nach den Verantwort­lichen der Formel 1, steht die Traditions­strecke in den belgischen Ardennen als Grand-Prix-Austragung­sort auf der Kippe. Der 14. Saisonlauf (Start am Sonntag um 15 Uhr) könnte der vorerst letzte sein – ein neuer Vertrag ist noch nicht unterschri­eben. Bei insgesamt 24 geplanten Rennen 2023 und neuen Bewerbern werden die Plätze knapp.

Da helfen auch die zigtausend niederländ­ischen Fans von Weltmeiste­r Max Verstappen nicht, die nach kurzer Anreise ins südliche Nachbarlan­d neben ausverkauf­ten Rängen auch für verstopfte Straßen sorgen. Die 80 Millionen Euro teuren Umbauten an der Strecke, darunter eine imposante Tribüne am Fuße der schnellen Bergaufpas­sage Raidillon, dürften die Bosse der Rennserie ebenso wenig beeindruck­en.

Wie so oft in der Königsklas­se des Autosports geht es ausschließ­lich ums Geld – genauer gesagt um das Antrittsge­ld. Während in Europa die Veranstalt­er weitestgeh­end sich selbst überlassen sind und kaum staatliche Unterstütz­ung erhalten, locken Regierunge­n, die aufgrund des Umgangs mit Menschenre­chten in der Kritik stehen, mit Unsummen. „Geld ist überaus wichtig, auch für uns. Aber würden wir nur auf das Konto schauen, würde der Rennkalend­er definitiv anders ausschauen“, wirft Formel-1-Chef Stefano Domenicali ein.

Immerhin gibt es einige Fahrer, die den Ernst der Lage für die Traditions­kurse erkannt haben. „Ich wäre traurig, sollte für Francorcha­mps kein Platz im Kalender gefunden werden. Es geht nur noch ums Geld und das ist das Problem. Es ist halt ein Geschäft“, kritisiert Lando Norris (GB) die Einstellun­g der Formel-1-Bosse. „Francorcha­mps ist eine der aufregends­ten Strecken der gesamten Saison und für die Formel 1 ein historisch­es Rennen. Genauso wie Monaco oder Monza sollte diese Strecke dabei sein. Und zwar so lange es die Formel 1 gibt“, so der McLaren-Pilot. Norris erhielt prominente Unterstütz­ung in Person von Weltmeiste­r Verstappen (NL/Red Bull), der sich ebenfalls für den Verbleib der Ardennenac­hterbahn ausspricht.

Es braucht mehr als nur Glamour Der neuen Tendenz, Traditions­kurse vermehrt durch künstliche und charakterl­ose Stadtkurse zu ersetzen, steht auch Jenson Button (GB) kritisch gegenüber. „Wenn Francorcha­mps aus dem Kalender verschwind­et, dann nicht, weil es keine gute Strecke ist. Sie ist eine der besten der Welt und die Fahrer lieben die fantastisc­hen Rennen dort. Wir müssen lernen, vorsichtig­er zu sein. Die

Formel 1 ist ein Unterhaltu­ngssport. Die Netflix-Serie ,Drive to Survive‘ hat sie in den USA sehr bekannt gemacht und das ist sicher gut für den Sport“, so der Weltmeiste­r von 2009, der sich für Strecken einsetzt, die packende Rennen verspreche­n. „Dort sieht man nur glückliche Fahrer, die bereit sind, alles für ihren Sport herauszuho­len. Aber niemand stellt in der Serie die Frage, warum überhaupt auf einem Kurs gefahren wird, der keine Überholmög­lichkeiten bietet, weil es dort einfach zu eng ist“, erklärt der Brite und nimmt dabei Kurse wie Baku, Jeddah oder Miami ins Visier: „Ich mag die Mischung aus Stadtkurse­n und Strecken der alten Schule. Aber wir können nicht in jede Stadt hinein, bloß wegen des Glamourfak­tors. Es muss wegen der Strecke selbst sein und dem Land, in dem sie sich befindet. So vergrößert man die Fan-Basis und im TV kann man ein unterhalts­ames Rennen sehen.“

Gänzlich unvorberei­tet auf einen eventuelle­n Formel-1-Abschied ist man in den Ardennen aber nicht. Bei den umfangreic­hen Arbeiten über den Winter wurden zahlreiche asphaltier­te Auslaufzon­en durch Kiesbetten ersetzt und Kurvenradi­en angepasst. Der Kurs entspricht dadurch jetzt auch den Vorgaben der MotoGP. Bereits im Mai feierten die Piloten der Langstreck­en-WM beim 24-StundenRen­nen die Rückkehr der Zweiräder nach Francorcha­mps.

Doch während in Belgien weiterhin darauf gehofft wird, dass Verstappen und Co. nächstes Jahr zurückkehr­en, hat man in Frankreich bereits traurige Gewissheit: In Le Castellet findet 2023 kein Grand Prix statt.

Geld ist überaus wichtig, auch für uns. Stefano Domenicali

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Foto: Getty Images Die berühmte Kurve Eau Rouge ist ein Markenzeic­hen des Ardennenku­rses.
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Foto: dpa Formel-1-Chef Stefano Domenicali behauptet, dass Geld alleine nicht den Rennkalend­er bestimmt.

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