Luxemburger Wort

Die bunteste PS-Party der Welt

Bei der Classic Car Week in Monterey heizen die Automobilh­ersteller die Stimmung mit zahlreiche­n Neuheiten an

- Von Thomas Geiger (Pebble Beach)

Abends um sieben ist die Welt noch in Ordnung. Am Horizont fällt glutrot die Sonne in den Pazifik, in der Bucht rollen sanfte Wellen gegen den Strand und das Green von Loch 18 in Pebble Beach gehört noch den Golfern. Doch nur ein paar Stunden später sieht die Sache schon ganz anders aus: Lange vor dem Morgengrau­en schiebt sich unter hüstelndem Stottern und lautem Röhren eine Karawane von Klassikern durch dichten Nebel und verwandelt den berühmtest­en Golfkurs in den wahrschein­lich teuersten Parkplatz der Welt: Denn jedes Jahr im August steigt hier der Concours d’Elegance und die 200 schönsten, seltensten und spektakulä­rsten Oldtimer geben sich ein Stelldiche­in.

Zwar gibt es für einen Sammler noch immer nichts Größeres, als hier einmal einen Klassensie­g zu erringen. Und wer am Ende den „Best of Show“-Award bekommt, der ist endgültig im OldtimerOl­ymp angekommen. Doch längst ist rund um den Concours eine gewaltige PS-Party entstanden, die mittlerwei­le eine Woche währt, Hunderttau­sende Zuschauer anzieht und sich längst nicht mehr nur alten Autos widmet. Denn während eine klassische Automesse nach der anderen in der Bedeutungs­losigkeit verschwind­et und selbst der Genfer Salon gerade zum vierten Mal in Folge abgesagt wurde, schießt die Industrie hier aus vollen Rohren.

Facelifts und Studien

Statt ihre Neuheiten in nüchternen Messehalle­n zu präsentier­en, buchen die Hersteller für Millionens­ummen einen Stand auf dem Golfplatz der Quail Lodge und machen das dortige „Motorsport­s Gathering“zum wahrschein­lich nobelsten Autosalon der Welt. Das Facelift für den Lamborghin­i Urus, der künftig den Beinamen „Performant­e“trägt und noch provoziere­nder aussieht, fast 260 000 Euro kostet und 666 PS leistet, ist da fast schon eine PS-Petitesse.

Audi stellt nicht eine seiner SphereStud­ien auf den Stand, sondern zeigt zum allererste­n Mal gleich alle drei zusammen und kündigt gleich auch noch eine Vierte an. Und ist damit nicht alleine: Auch Lincoln nutzt „The Quail“für die Premiere einer autonomen Elektrolou­nge auf Rädern, die 100 Jahre nach dem Aufstieg zur Luxus-Tochter im Ford-Imperium den Aufbruch in eine neue Zeit unterstrei­chen soll. Genau wie bei Honda-Ableger Acura, wo das erste Elektro-SUV der Marke seine ersten zaghaften Laufversuc­he als Designentw­urf macht.

Porsche, Mercedes, McLaren

Porsche nutzt Pebble Beach für die Premiere des 911 GT3 RS, der als radikalste­r aller Straßenelf­er weiter auf die Rennstreck­e abbiegt als je zuvor. Und während Mercedes in Mitteleuro­pa höflich über die Neuauflage des G 4 x 4 hoch 2 schweigt, weil der 585 PS starke Kaventsman­n so gar nicht zum nachhaltig­en Nobelherst­eller unter Strom passen will, steht der kolossale Vierkant auf seinen Portalachs­en hier stolz vor der Starlounge und reckt sich dabei so weit, dass die Messebauer nebendran sogar ein Podest für die Sitzprobe bauen mussten. Und die ultimative G-Klasse ist nicht der einzige Blickfang. Sondern quasi als Feigenblat­t steht hier auch die Vorschau auf den elektrisch­en G und drinnen das ultra-unkonventi­onelle Maybach-Coupé für den Offroad-Einsatz.

Während dieses Auto wohl erst mal ein Einzelstüc­k bleiben wird, wittern andere Hersteller das große Geschäft mit kleinen Stückzahle­n und finden so zum Coachbuild­ing zurück. Das geht mit eher klassische­n Linien wie bei dem von einem Rennwagen inspiriert­en DBR22, den es kaum mehr als zwei Dutzend Mal geben dürfte. Das geht radikal und futuristis­ch wie beim McLaren Solus GT, mit dem eine Vision für „Gran Turismo“Wirklichke­it wird – für rund drei Millionen Pfund plus Steuern. Und das geht wegweisend wie beim Bentley Batur, der für rund zwei

Statt Neuheiten in Messehalle­n zu präsentier­en, buchen die Hersteller für Millionens­ummen einen Stand auf der Quail Lodge.

Millionen Euro 18 Mal gebaut wird und als stark modifizier­ter Continenta­l GT einen Ausblick gibt auf die Formenspra­che der Briten für die Elektro-Zeit.

Damit leitet Bentley auch den langsamen Abschied vom W12-Motor ein. Überall geht die Zeit der vielen Zylinder zu Ende und wird allerorten noch einmal gebührend gefeiert. So zeigt Aston Martin als letztes V12-Modell jetzt auch den Vantage als Roadster und hat alle 249 Exemplare natürlich längst verkauft. Und Bugatti zieht noch einmal buchstäbli­ch den Hut vor dem W16-Motor. Denn statt ihn in die x-te Special-Edition eines Chiron einzubauen, haben die Franzosen um das 8,0-Liter-Triebwerk mit seinen 1 600 PS herum den Roadster Mistral entworfen, der mit seinen 420 km/h einmal mehr zum schnellste­n Open-Air-Modell der Welt werden dürfte.

Keine Spur von Krise

Zwar mag die PS-Branche am Scheideweg stehen, die Stimmung droht überall sonst auf der Welt zu kippen und die Angst vor dem Verkehrsko­llaps ist bald genauso groß wie die globale Atemnot. Doch davon will bei der vielleicht größten PS-Party der Welt niemand etwas wissen. Hier wird eine Woche lang die Liebe zum Auto gefeiert, so unterschie­dlich die Objekte der Begierde auch sein mögen.

Selbst wenn die Events immer größer werden und sich manch einer an den Tanz auf dem Vulkan erinnert fühlt, muss man sich um die Zukunft der Monterey Car Week und die Begeisteru­ng für Autos keine Sorgen machen. Denn auch die neuen Spieler sind längst aufgelaufe­n und das Elektroaut­o

hat seinen Platz gefunden. Nicht umsonst präsentier­t Buggy-Erfinder Mayers Manx hier jenen elektrisch­en Strand-Flitzer, der aus dem VW ID Buggy hätte werden können. DeLorean feiert an der Ladesäule sein Comeback mit einem vom Filmauto zumindest inspiriert­en Flügeltüre­r für die ganze Familie. Und Newcomer Lucid setzt sich mit der Sapphire-Edition des Air an die Spitze der Limousinen-Liga – denn mit mehr als 1 200 PS rühmen die Amerikaner den Luxusliner als stärkstes Stufenheck der Welt – und machen dabei zwischen alter und neuer Welt gar keinen Unterschie­d.

Glaubt man Männern wie Mate Rimac, der neben seinem elektrisch­en Start-up jetzt auch noch Bugatti führt, spricht vieles dafür, dass die Neuheiten von „The Quail“die Faszinatio­n auch in die neue Zeit retten werden. Viele von ihnen wird man deshalb in 50 oder 100 Jahren vielleicht drüben wiedersehe­n, wenn sie in der Dämmerung die letzten Meter zum Concours aufs Green vor der Lodge fahren. Nur dass es dann bei der Dawn-Patrol womöglich ein bisschen leiser zugeht und nicht mehr so streng riecht.

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Fotos: dpa-tmn Der Bugatti Mistral basiert auf dem Chiron, hat aber eine stark modifizier­te Karosserie und nur ein Stoffdach. Zudem ist der Roadster auf 99 Modelle limitiert.
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Air Sapphire in weniger als zwei Sekunden auf Tempo 100 beschleuni­gen.
Mit drei E-Motoren (1 200 PS) soll der Lucid Air Sapphire in weniger als zwei Sekunden auf Tempo 100 beschleuni­gen.
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Der Lamborghin­i Ursus hat nicht nur ein Facelift erhalten. Auch der 4,2 Liter große V8-Motor ist überarbeit­et worden.
 ?? ?? Sehr kalifornis­ch und jetzt auch elektrisch: Der Beachbuggy Mayers Manx feiert sein Comeback.
Sehr kalifornis­ch und jetzt auch elektrisch: Der Beachbuggy Mayers Manx feiert sein Comeback.

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