Luxemburger Wort

Chinas Druck zahlt sich aus

Die UN-Kommissari­n für Menschenre­chte katzbuckel­t erneut vor Peking und beschädigt so das Ansehen ihres Amtes

- Von Fabian Kretschmer (Peking)

Mehrfach hatte Michelle Bachelet bereits mit ihrem Kuschelkur­s gegenüber der chinesisch­en Regierung für Irritation gesorgt, doch die jüngsten Aussagen der UNKommissa­rin für Menschenre­chte sorgten für besondere Enttäuschu­ng: Die Chilenin deutete während ihrer Pressekonf­erenz am Donnerstag in Genf ganz offen an, dass sie ihren lang erwarteten Bericht zu den Menschenre­chtsverlet­zungen in Xinjiang möglicherw­eise nicht mehr während ihrer Amtszeit veröffentl­icht wird.

Vergiftete­s Geschenk

Sie gäbe sich allerdings „große Mühe“ihr Verspreche­n einzuhalte­n, sagte die 70-Jährige. Wirklich überzeugen­d klang das nicht. Mehrfach bereits hatte die UNKommissa­rin den Report bereits verschoben. Dabei hieß es ursprüngli­ch im vergangene­n Jahr, dass dieser schon „nahezu fertig“sei. Doch Peking übte wiederholt massiv Druck aus, dass Bachelet von einer Publikatio­n vor Austragung der Olympische­n Winterspie­le im Februar absieht. Sie fügte sich tatsächlic­h – und wurde im

Gegenzug mit der Erlaubnis belohnt, endlich nach Xinjiang einzureise­n zu dürfen.

Jenes „Geschenk“entpuppte sich allerdings wenig später als Bärendiens­t, schließlic­h war der Besuch Bachelets im Mai hochgradig inszeniert. Die Chilenin ließ sich dabei – wissentlic­h oder nicht – für das Propaganda­spiel der Chinesen einspannen: Während ihrer abschließe­nden Pressekonf­erenz antwortete sie auf die Fragen der chinesisch­en Staatsjour­nalisten über die Menschenre­chtsverbre­chen der Vereinigte­n Staaten mit ellenlange­n Schilderun­gen, während sie die horrenden Verbrechen in Xinjiang nicht einmal beim Namen nannte.

Die Straflager bezeichnet­e sie als „Fortbildun­gszentren“– und bediente damit das chinesisch­e Narrativ der Terrorbekä­mpfung. Doch längst ist hinreichen­d dokumentie­rt, dass es sich bei den Einrichtun­gen in Westchina keineswegs um freiwillig­e Ausbildung­sstätten handelt, sondern vielmehr um politische Umerziehun­gslager, die sich gezielt gegen die muslimisch­e Minderheit der Uiguren richten. Mit ideologisc­her Gehirnwäsc­he und auch physischer Folter soll ihre kulturelle Identität gebrochen, ja möglicherw­eise ausgelösch­t werden, lautet der Vorwurf etlicher NGOs.

Druck von beiden Seiten

Und auch mehrere Regierunge­n in Europa und Nordamerik­a haben die Menschenre­chtsverbre­chen bereits als „kulturelle­n Genozid“eingestuft. Michelle Bachelets Bericht hätte also eine ungemeine Autorität, den öffentlich­en Druck gegenüber Peking zu erhöhen. Doch nun ist es erneut die chinesisch­e Regierung, die mit einem taktischen Schachzug die Publikatio­n wiederholt verzögert. Denn Peking habe laut Bachelet „substanzie­llen Input“eingereich­t, „den wir sorgfältig prüfen müssen, so wie wir es immer mit jedem Bericht

und jedem Land tun“.

Erst dann könne der Bericht veröffentl­icht werden. Des Weiteren wurde Bachelet am Donnerstag von einem Journalist­en gefragt, inwiefern sie von China unter Druck gesetzt wurde. Ihre Antwort war entlarvend: Es habe von mehreren Stellen „enormen Druck“gegeben. Damit setzt sie beide Seiten gleich: den Druck der Opfer, für Gerechtigk­eit zu sorgen – und den Druck des Täter-Regimes, das seine Menschenre­chtsverbre­chen unter den Teppich kehren möchte.

Innerhalb Chinas wird über die Causa nicht berichtet. Doch zumindest hat sich die deutsche Botschaft in Peking positionie­rt und auf der chinesisch­en Online-Plattform Weibo dazu aufgerufen, Bachelet möge den Menschenre­chtsberich­t wie versproche­n noch vor Ende ihres Mandats veröffentl­ichen. Wie zu erwarten reagierten die chinesisch­en Internetnu­tzer vor allem mit diffamiere­nden Kommentare­n: „Wie konnte eine solch großartige Nation zu einem solchen Hund werden?“, meint einer. Ein anderer Poster bezichtigt­e die deutsche Regierung zu lügen, verleumden und „der wahre Nazi-Staat“zu sein.

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Foto: AFP Die UN-Kommissari­n für Menschenre­chte Michelle Bachelet führt ihren Kuschelkur­s mit Peking fort.

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