Fauxpas in der Mittagspause
Wer mich kennt, weiß, dass ich schnell ein schlechtes Gewissen bekomme. Die Gewissensbisse werden dann zur quälenden Last, die nach Wiedergutmachung schreit. Manchmal ist ein schlechtes Gewissen auch ganz gut – weil man sich vielleicht rüpelhaft benommen hat. Das sind dann die Tage, an denen ich mir sage, es wäre einfach besser gewesen, ich hätte einmal die Klappe gehalten. So etwa jüngst beim Besuch in der Kantine, die sich unser Betrieb mit mehreren anderen teilt. Nach dem Essen gebe ich meinen Kollegen, die schließlich auch meine Freunde sind, gelegentlich gerne einen Kaffee aus. Das kostet nicht viel, macht mir
Hätte ich einfach einmal die Klappe gehalten.
aber wahrscheinlich noch mehr Freude als ihnen. Diesmal wollte Kollegin Elena sich aber revanchieren – und mich einladen. Aus irgendeiner sinnfreien Laune ließ ich das aber nicht zu. Zur immer außerordentlich freundlichen Bedienung meinte ich, wir wüssten zwar schon, was wir wollten – einen Café glacé für Elena und einen Doppio Espresso für mich. Aber, wir würden uns gerade streiten, wer denn zahlen würde. Als die Pappbecher mit dem edlen Gebräu dann vor uns standen, fiel mir nichts Besseres ein, als Elena mit einem völlig überheblichen „Und bezahlen, das tu ich jetzt“unterzubuttern. „Mann, was war denn das jetzt?“, dachte ich noch. Doch bevor ich zurückrudern konnte, traf mich der tadelnde Blick der Kaffeeverkäuferin. Und der löste sofort eine Gewissenskrise höchsten Ausmaßes aus. „Wenn das so ist, dann geht der Kaffee heute auf mich“, befand sie, und Widerspruch duldete sie nicht. Ich hätte vor Scham im Boden versinken können, bedankte mich kleinlaut und zerbreche mir seitdem den Kopf, wie ich meinen Fauxpas wiedergutmachen kann. Ihr auch einen Kaffee ausgeben, wird es wohl kaum richten. Steve
gen“, erklärt sie. „Mir hun näicht vum Liewen kannt.“
Abfahrt zum Arbeitsdienst ins Deutsche Reich
„Dort, wo heute der Zug in Richtung Brüssel abfährt, brachen wir in Richtung Thüringen auf“, sagt Marie Bonichaux. „Zu 20 sind wir zu einer Kameradschaft gebracht worden.“Der größte Teil der Luxemburger Meedecher kommt bei Landwirten in den Arbeitseinsatz. „Ich schaffte es, sie glauben zu lassen, dass ich nicht stark genug für die Arbeit auf dem Hof sei“, sagt Marie mit einem Lächeln. Sie wird im Lager zu Putzarbeiten eingeteilt. „Da immer alles sauber war, hatte ich nicht viel zu tun“, meint sie.
Im RAD lernt Marie Bonichaux Hunger kennen. „Fleisch war Mangelware, Fett auch. Butter gab es gar keine“, sagt sie. Da aber die anderen Luxemburgerinnen am Mittag bei den Bauern essen, können die im Lager Zurückgebliebenen deren Ration haben. Dennoch werden sie nur an den Tagen satt, an denen die Fresspakete aus der Heimat ausgeteilt werden.
„Eines Tages wurde ich zu Privatleuten geschickt“, sagt sie. Die Frau hat ein Kleinkind und ist schwer krank. Marie soll im Haushalt aushelfen, die Frau spricht aber nur den thüringischen Dialekt. „Mach dem Gumgen die Dacke“, Marie kann sie nicht verstehen. Immer wieder muss sie sich entschuldigen und sagen: „Ich kann Hochdeutsch, aber leider kein Thüringisch.“
„Danach bin ich zu einer an Rheuma erkrankten Frau gekommen“, fährt sie fort. „Ich hatte Glück, die sprach Hochdeutsch und ich musste keine Wäsche waschen.“Dort endet ihre Zeit im Reichsarbeitsdienst, Marie wird anschließend dem Kriegshilfsdienst zugeteilt.
Sie landet in einer ehemaligen Porzellanfabrik und muss Isolatoren für Flugzeuge und Unterseeboote herstellen. Es ist eine nicht besonders anstrengende Aufgabe, dennoch birgt sie Risiken: „Bei einer Bauteilüberprüfung habe ich