Die Petruss und ihre versteckten Pfade
Die Hauptstadt hat viele vergessene und verborgene Fußwege zu bieten – eine Sommerserie
Luxemburg. Das ausgeprägte Tal, das die Hauptstadt umschlingt, ist vor allem bekannt durch die drei Vorstädte Grund, Clausen und Pfaffenthal. Doch auch der Teil, der sich nach Westen hinzieht, ist durchaus eine Entdeckung wert. Hier geht es ruhiger zu und das Tal ist viel grüner. Die Rede ist vom Petrusstal.
Ab der Rue d’Anvers, wo die Petruss in das eingeschnittene Tal eintritt, gehört die rechte Uferseite des Bachs bis zum Skatepark bei der Passerelle rein administrativ zum Bahnhofsviertel. Die linke Seite wird dem Viertel Hollerich zugerechnet bis zum Pont Adolphe, während sie anschließend zur Oberstadt gezählt wird. Der Skatepark und der weitere Verlauf des Tals ist auf beiden Seiten des Wasserlaufs ein Teil von Grund. Etliche Wege und Treppen ermöglichen die Verbindung mit dem Tal.
Ein Bügeleisen und eine Straße ohne Häuser
An der Ecke des Konviktsgaart, wo die Rue de la Semois und die Rue des Jardiniers aufeinandertreffen, startet eine Treppe talwärts hinunter zum Lauf der Petruss. Zahlreiche Ruhebänke an schattigen Plätzchen laden zum Verweilen ein, es sei denn, beim Aufstieg machen einem die 104 Stufen zu schaffen und man muss unterwegs kleine Pausen einlegen.
Eine kleine Brücke leitet dann hinüber zu dem Aufstieg, wo man nach 106 Stufen den Boulevard de la Pétrusse erreicht, genau an der Stelle, wo die Rue Goethe endet. Auch wenn kein Schild darauf hinweist, dass dort ein Weg hinab ins Tal führt, so sorgen im Gegenzug zwei Sitzbänke dafür, dass man sich nach dem Aufstieg aus dem Tal von der Anstrengung erholen kann.
Das schmucke Haus gegenüber mit dem Rundturm und dem Zwiebeldach bietet dabei einen gefälligen Ausblick. Wegen seiner ungewöhnlichen dreieckigen Form, ist es nicht schwierig zu verstehen, warum es auf den Spitznamen „Streckeisen“getauft wurde. Eine seit eh und je verkehrsberuhigte Straße bildet die Rue Paul Séjourné. Sie trägt den Namen des französischen Ingenieurs, der den Pont Adolphe entworfen hat.
Mit ihrer Lage mitten in der Stadt hat sie eine Besonderheit, die es verdient hervorgehoben zu werden. Es gibt in dieser 400 Meter langen Straße kein einziges Haus, sondern nur Gemüsegärten und Bäume. Mit ihren Pflastersteinen scheint sie noch im Originalzustand und eignet sich bestens für einen unbeschwerten Spaziergang zwischen der Rue de la Semois und dem Talgrund.
Zwischen „Gëlle Fra“
und Sparkasse
Folgt man dem Talgrund, erstaunt einen ein außergewöhnlicher Baum. Seine Stämme sind so waagerecht gewachsen, dass sie mit massiven Holzpfeilern gestützt werden müssen. An gleicher Stelle geht ein Weg nach oben, der an der Place de Metz herauskommt. Nicht weit entfernt erstaunen sieben steinerne Stufen, die vom Weg nach oben gehen, um vor einer mit Efeu behangenen Mauer zu enden.
Etwas weiter im Tal kommt man unter der „Nei Bréck“hindurch oder, für den, der es ganz genau möchte, unter den zwei neuen Brücken. Unter dem Original hängt nämlich seit sechs Jahren eine noch neuere Brücke, die der sogenannten aktiven Mobilität vorbehalten ist.
Die Treppen, die neben der „Gëlle Fra“nach unten ins Petrusstal führen, erleben seit eh und je jedes Jahr am Vorabend vom Nationalfeiertag einen wahren Ansturm. Scharenweise zieht es die vornehmlich jungen Menschen hierher, um den bestmöglichen Platz zu ergattern, um das Feuerwerk mitzuerleben, das von der „Nei Bréck“abgeschossen wird.
Auf der anderen Seite der Petruss geht es dann wieder steil nach oben. Von Zeit zu Zeit kommt man an Stahltüren
vorbei, die daran erinnern, dass sich dort im Innern Gänge der Kasematten befinden. Ist man oben angelangt, befindet man sich gleich neben dem Sitz der Sparkasse.
Schlittenwiese und Luxemburger Garten
Geht man weiter auf der rechten Seite des Bachs, so kommt man an der sogenannten Schlittenwiese vorbei. Hier haben sich ganze Generationen von Kindern im Winter mit ihren Schlitten amüsiert. Wenn man sich die Hanglage ansieht, dann versteht man, dass es bergab in aller Regel recht schnell ging und so mancher Schlittenfahrer froh war, dass die Geländer am Bachbett mit Strohballen gepolstert waren. Hier endet auch der Teil des Tals, der dem Bahnhofsviertel zugerechnet wird, bevor es den Stadtgrund erreicht.
Die Rue Paul Séjourné ist seit jeher verkehrsberuhigt und hat kein einziges Haus.
Unten im Tal sieht es derzeit etwas unfreundlich aus, denn die Szene wird von Baggern und anderem Baugerät beherrscht. Hier wirft die Luga 2025 ihre Schatten voraus. Das Kürzel „Luga“steht für die erste Luxemburger Gartenschau und setzt sich aus den Anfangsbuchstaben von „Luxembourg Urban Garden“zusammen, also dem Luxemburger Stadtgarten.
Die aktuellen Arbeiten dienen der Renaturierung der Petruss, die bisher in ihrem Betonbett eingekeilt war. Im gleichen Atemzug wird denn auch die bisherige Parklandschaft an den Ufern neugestaltet.
Die Topographie der Stadt Luxemburg mit ihren Tälern und den Plateaus bietet eine einmalige Gelegenheit, zwischen den verschiedenen Vierteln teils versteckte Verbindungswege zu entdecken. Alle bisherigen Beiträge der fünfteiligen Serie finden Sie online im Dossier „Verschlungene Wege in der Hauptstadt“. Um direkt zum Dossier zu gelangen, nutzen Sie die QR-Code-Lesefunktion Ihres Smartphones.