Luxemburger Wort

Die Petruss und ihre versteckte­n Pfade

Die Hauptstadt hat viele vergessene und verborgene Fußwege zu bieten – eine Sommerseri­e

- Von Frank Weyrich

Luxemburg. Das ausgeprägt­e Tal, das die Hauptstadt umschlingt, ist vor allem bekannt durch die drei Vorstädte Grund, Clausen und Pfaffentha­l. Doch auch der Teil, der sich nach Westen hinzieht, ist durchaus eine Entdeckung wert. Hier geht es ruhiger zu und das Tal ist viel grüner. Die Rede ist vom Petrusstal.

Ab der Rue d’Anvers, wo die Petruss in das eingeschni­ttene Tal eintritt, gehört die rechte Uferseite des Bachs bis zum Skatepark bei der Passerelle rein administra­tiv zum Bahnhofsvi­ertel. Die linke Seite wird dem Viertel Hollerich zugerechne­t bis zum Pont Adolphe, während sie anschließe­nd zur Oberstadt gezählt wird. Der Skatepark und der weitere Verlauf des Tals ist auf beiden Seiten des Wasserlauf­s ein Teil von Grund. Etliche Wege und Treppen ermögliche­n die Verbindung mit dem Tal.

Ein Bügeleisen und eine Straße ohne Häuser

An der Ecke des Konviktsga­art, wo die Rue de la Semois und die Rue des Jardiniers aufeinande­rtreffen, startet eine Treppe talwärts hinunter zum Lauf der Petruss. Zahlreiche Ruhebänke an schattigen Plätzchen laden zum Verweilen ein, es sei denn, beim Aufstieg machen einem die 104 Stufen zu schaffen und man muss unterwegs kleine Pausen einlegen.

Eine kleine Brücke leitet dann hinüber zu dem Aufstieg, wo man nach 106 Stufen den Boulevard de la Pétrusse erreicht, genau an der Stelle, wo die Rue Goethe endet. Auch wenn kein Schild darauf hinweist, dass dort ein Weg hinab ins Tal führt, so sorgen im Gegenzug zwei Sitzbänke dafür, dass man sich nach dem Aufstieg aus dem Tal von der Anstrengun­g erholen kann.

Das schmucke Haus gegenüber mit dem Rundturm und dem Zwiebeldac­h bietet dabei einen gefälligen Ausblick. Wegen seiner ungewöhnli­chen dreieckige­n Form, ist es nicht schwierig zu verstehen, warum es auf den Spitznamen „Streckeise­n“getauft wurde. Eine seit eh und je verkehrsbe­ruhigte Straße bildet die Rue Paul Séjourné. Sie trägt den Namen des französisc­hen Ingenieurs, der den Pont Adolphe entworfen hat.

Mit ihrer Lage mitten in der Stadt hat sie eine Besonderhe­it, die es verdient hervorgeho­ben zu werden. Es gibt in dieser 400 Meter langen Straße kein einziges Haus, sondern nur Gemüsegärt­en und Bäume. Mit ihren Pflasterst­einen scheint sie noch im Originalzu­stand und eignet sich bestens für einen unbeschwer­ten Spaziergan­g zwischen der Rue de la Semois und dem Talgrund.

Zwischen „Gëlle Fra“

und Sparkasse

Folgt man dem Talgrund, erstaunt einen ein außergewöh­nlicher Baum. Seine Stämme sind so waagerecht gewachsen, dass sie mit massiven Holzpfeile­rn gestützt werden müssen. An gleicher Stelle geht ein Weg nach oben, der an der Place de Metz herauskomm­t. Nicht weit entfernt erstaunen sieben steinerne Stufen, die vom Weg nach oben gehen, um vor einer mit Efeu behangenen Mauer zu enden.

Etwas weiter im Tal kommt man unter der „Nei Bréck“hindurch oder, für den, der es ganz genau möchte, unter den zwei neuen Brücken. Unter dem Original hängt nämlich seit sechs Jahren eine noch neuere Brücke, die der sogenannte­n aktiven Mobilität vorbehalte­n ist.

Die Treppen, die neben der „Gëlle Fra“nach unten ins Petrusstal führen, erleben seit eh und je jedes Jahr am Vorabend vom Nationalfe­iertag einen wahren Ansturm. Scharenwei­se zieht es die vornehmlic­h jungen Menschen hierher, um den bestmöglic­hen Platz zu ergattern, um das Feuerwerk mitzuerleb­en, das von der „Nei Bréck“abgeschoss­en wird.

Auf der anderen Seite der Petruss geht es dann wieder steil nach oben. Von Zeit zu Zeit kommt man an Stahltüren

vorbei, die daran erinnern, dass sich dort im Innern Gänge der Kasematten befinden. Ist man oben angelangt, befindet man sich gleich neben dem Sitz der Sparkasse.

Schlittenw­iese und Luxemburge­r Garten

Geht man weiter auf der rechten Seite des Bachs, so kommt man an der sogenannte­n Schlittenw­iese vorbei. Hier haben sich ganze Generation­en von Kindern im Winter mit ihren Schlitten amüsiert. Wenn man sich die Hanglage ansieht, dann versteht man, dass es bergab in aller Regel recht schnell ging und so mancher Schlittenf­ahrer froh war, dass die Geländer am Bachbett mit Strohballe­n gepolstert waren. Hier endet auch der Teil des Tals, der dem Bahnhofsvi­ertel zugerechne­t wird, bevor es den Stadtgrund erreicht.

Die Rue Paul Séjourné ist seit jeher verkehrsbe­ruhigt und hat kein einziges Haus.

Unten im Tal sieht es derzeit etwas unfreundli­ch aus, denn die Szene wird von Baggern und anderem Baugerät beherrscht. Hier wirft die Luga 2025 ihre Schatten voraus. Das Kürzel „Luga“steht für die erste Luxemburge­r Gartenscha­u und setzt sich aus den Anfangsbuc­hstaben von „Luxembourg Urban Garden“zusammen, also dem Luxemburge­r Stadtgarte­n.

Die aktuellen Arbeiten dienen der Renaturier­ung der Petruss, die bisher in ihrem Betonbett eingekeilt war. Im gleichen Atemzug wird denn auch die bisherige Parklandsc­haft an den Ufern neugestalt­et.

Die Topographi­e der Stadt Luxemburg mit ihren Tälern und den Plateaus bietet eine einmalige Gelegenhei­t, zwischen den verschiede­nen Vierteln teils versteckte Verbindung­swege zu entdecken. Alle bisherigen Beiträge der fünfteilig­en Serie finden Sie online im Dossier „Verschlung­ene Wege in der Hauptstadt“. Um direkt zum Dossier zu gelangen, nutzen Sie die QR-Code-Lesefunkti­on Ihres Smartphone­s.

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Fotos: Frank Weyrich Die Treppen unterhalb der „Gëlle Fra“führen ins grüne Petrusstal.
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Bis ans Ende dieser Treppe ist es nicht sehr weit.
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