Luxemburger Wort

Stolz und Frust

F91 darf lange von einem historisch­en Abend träumen – zurück bleiben gemischte Gefühle

- Von David Heintz

Düdelingen­s Europatour­nee für den Sommer 2022 ist zwar beendet, dennoch können Mehdi Kirch und Co. die internatio­nale Bühne nach dem 1:1 im Rückspiel gegen Poznan erhobenen Hauptes verlassen – sowie unter lautem Beifall der Zuschauer. Auf die Frage, was vom Sommer auf dem europäisch­en Parkett emotional bleibe, bringt es Carlos Fangueiro auf den Punkt. „Ich bin frustriert und stolz zugleich“, beschreibt der Düdelinger Trainer seine Gefühlslag­e nach dem Verpassen der Gruppenpha­se der Conference League.

Der 45-Jährige kann auch stolz auf die Gesamtbila­nz der Europapoka­l-Reise sein. Drei Siege, zwei Unentschie­den sowie drei Niederlage­n – gegen die Meister aus Albanien, Armenien, Schweden und Polen. Vereine, die allesamt unter voll profession­ellen Rahmenbedi­ngungen arbeiten.

Gegen Poznan waren Fangueiros Mannen am Donnerstag­abend auf bestem Wege, die 0:2-Hinspielhy­pothek zu tilgen. Kapitän Kirch hatte F91 mit einem abgefälsch­ten Weitschuss in Führung gebracht (36.'), nachdem kurz zuvor einem Treffer von Vincent Decker die Anerkennun­g wegen einer vermeintli­chen Abseitsste­llung noch verwehrt worden war (32.').

Keine Reputation bei den Schiedsric­htern

Das führte dann unweigerli­ch zum Aspekt der Fangueiros­chen Frustratio­n. Der F91-Coach beklagt, dass sämtliche spielentsc­heidenden 50:50-Entscheidu­ngen in beiden Vergleiche­n gegen den polnischen Meister zum Nachteil seines Teams ausfielen. „In Luxemburg sind wir ein großer Club, in Europa sind wir jedoch ganz klein“, spielte Fangueiro auf die F91-Reputation bei den Unparteiis­chen an. „In beiden Spielen fielen eindeutige Abseitsent­scheidunge­n zu unseren Ungunsten aus“, so Fangueiro. Beim Hinspiel ging dem zweiten Treffer der Polen in der Tat eine Abseitspos­ition voraus, derweil Düdelingen­s etwaige Führung im Rückspiel höchst fragwürdig annulliert wurde.

Um nachzuvoll­ziehen, wie groß F91 im Rückspiel vor allem in der ersten Hälfte aufspielte und wie sehr man dem polnischen Meister zusetzte, genügte zur Halbzeit ein Blick auf die Facebook-Seite von Lech Poznan. Die Strahlkraf­t, die Lech in der Heimat besitzt und welche Probleme F91 dem polnischen Meister zugleich bereitete, ließ sich daran deutlich ablesen. Als Reaktion auf die Düdelinger Halbzeitfü­hrung antwortete­n 444 Nutzer mit zum Teil hochemotio­nalen Kommentare­n auf den Post des Vereins zum Halbzeitst­and.

Die fanatische­n Lech-Fans im Stade de Luxemburg waren zu diesem Zeitpunkt bereits spürbar leiser geworden. Die reale Angst eines Scheiterns war bei den Gästen auf den Rängen wie auch in den sozialen Medien greifbar. Erst ein erfolgreic­her polnischer Konter (60.'), in dessen Folge F91 zwei weitere Tore hätte erzielen müssen, um weiterzuko­mmen, ließ das Momentum kippen. Und dennoch: Der F91-Auftritt war Werbung für den Luxemburge­r Fußball – besonders Spieler wie Lucas Fox und Aldin Skenderovi­c hinterließ­en einen überzeugen­den Eindruck. „Ich hoffe, dass ich durch meine Leistung auch in puncto Nationalma­nnschaft Argumente liefern konnte“, so Düdelingen­s starker Schlussman­n.

Ein selbstkrit­ischer Trainer

Die Klasse, die seine Spieler auf dem Feld nachwiesen, zeigte Fangueiro am Ende eines langen Abends auch am Mikrofon. „Das Ziel, sich für eine europäisch­e Gruppenpha­se zu qualifizie­ren, haben wir leider nicht geschafft. Ich bin jedoch extrem stolz auf das, was der Verein die vergangene­n Wochen auf sämtlichen Ebenen geleistet hat.“

Angesproch­en auf die Frage, ob eine Gruppenpha­senqualifi­kation nicht zuletzt im Heimspiel gegen Yerevan verspielt wurde, widersprac­h Fangueiro nicht. „Im Rückspiel gegen Pyunik hatten wir alles in der eigenen Hand. Das Ausscheide­n ist einzig und allein meine Schuld. Mir ist es ausgerechn­et vor dem wichtigste­n Spiel nicht gelungen, die Spieler mental adäquat vorzuberei­ten.“

Dass der Knackpunkt im Düdelinger Europapoka­lsommer die 1:4Heimniede­rlage gegen Yerevan

Ich hoffe, dass ich durch meine Leistung auch in puncto Nationalma­nnschaft Argumente liefern konnte. Lucas Fox

In Luxemburg sind wir ein großer Club, in Europa sind wir jedoch ganz klein. Carlos Fangueiro

war, darin besteht für die meisten kein Zweifel. Angesichts von drei teils haarsträub­enden Geschenken wäre es für Fangueiro ein Leichtes gewesen, sich hinter den Fehlern seiner Spieler zu verstecken und die verpasste Qualifikat­ion zur Gruppenpha­se an anderen individuel­len Versäumnis­sen festzumach­en. Der Trainer tat das Gegenteil. Der 45-Jährige stellte sich vor sein Team und nahm alle Schuld auf sich. Diese verbale Größe in der Niederlage stand der Leistungen seiner Spieler im Rückspiel gegen Poznan in nichts nach.

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Fotos: Yann Hellers Kapitän Mehdi Kirch erzielt mit einem Weitschuss die Führung für seine Mannschaft.
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Carlos Fangueiro stellt sich schützend vor seine Spieler.

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