Stolz und Frust
F91 darf lange von einem historischen Abend träumen – zurück bleiben gemischte Gefühle
Düdelingens Europatournee für den Sommer 2022 ist zwar beendet, dennoch können Mehdi Kirch und Co. die internationale Bühne nach dem 1:1 im Rückspiel gegen Poznan erhobenen Hauptes verlassen – sowie unter lautem Beifall der Zuschauer. Auf die Frage, was vom Sommer auf dem europäischen Parkett emotional bleibe, bringt es Carlos Fangueiro auf den Punkt. „Ich bin frustriert und stolz zugleich“, beschreibt der Düdelinger Trainer seine Gefühlslage nach dem Verpassen der Gruppenphase der Conference League.
Der 45-Jährige kann auch stolz auf die Gesamtbilanz der Europapokal-Reise sein. Drei Siege, zwei Unentschieden sowie drei Niederlagen – gegen die Meister aus Albanien, Armenien, Schweden und Polen. Vereine, die allesamt unter voll professionellen Rahmenbedingungen arbeiten.
Gegen Poznan waren Fangueiros Mannen am Donnerstagabend auf bestem Wege, die 0:2-Hinspielhypothek zu tilgen. Kapitän Kirch hatte F91 mit einem abgefälschten Weitschuss in Führung gebracht (36.'), nachdem kurz zuvor einem Treffer von Vincent Decker die Anerkennung wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung noch verwehrt worden war (32.').
Keine Reputation bei den Schiedsrichtern
Das führte dann unweigerlich zum Aspekt der Fangueiroschen Frustration. Der F91-Coach beklagt, dass sämtliche spielentscheidenden 50:50-Entscheidungen in beiden Vergleichen gegen den polnischen Meister zum Nachteil seines Teams ausfielen. „In Luxemburg sind wir ein großer Club, in Europa sind wir jedoch ganz klein“, spielte Fangueiro auf die F91-Reputation bei den Unparteiischen an. „In beiden Spielen fielen eindeutige Abseitsentscheidungen zu unseren Ungunsten aus“, so Fangueiro. Beim Hinspiel ging dem zweiten Treffer der Polen in der Tat eine Abseitsposition voraus, derweil Düdelingens etwaige Führung im Rückspiel höchst fragwürdig annulliert wurde.
Um nachzuvollziehen, wie groß F91 im Rückspiel vor allem in der ersten Hälfte aufspielte und wie sehr man dem polnischen Meister zusetzte, genügte zur Halbzeit ein Blick auf die Facebook-Seite von Lech Poznan. Die Strahlkraft, die Lech in der Heimat besitzt und welche Probleme F91 dem polnischen Meister zugleich bereitete, ließ sich daran deutlich ablesen. Als Reaktion auf die Düdelinger Halbzeitführung antworteten 444 Nutzer mit zum Teil hochemotionalen Kommentaren auf den Post des Vereins zum Halbzeitstand.
Die fanatischen Lech-Fans im Stade de Luxemburg waren zu diesem Zeitpunkt bereits spürbar leiser geworden. Die reale Angst eines Scheiterns war bei den Gästen auf den Rängen wie auch in den sozialen Medien greifbar. Erst ein erfolgreicher polnischer Konter (60.'), in dessen Folge F91 zwei weitere Tore hätte erzielen müssen, um weiterzukommen, ließ das Momentum kippen. Und dennoch: Der F91-Auftritt war Werbung für den Luxemburger Fußball – besonders Spieler wie Lucas Fox und Aldin Skenderovic hinterließen einen überzeugenden Eindruck. „Ich hoffe, dass ich durch meine Leistung auch in puncto Nationalmannschaft Argumente liefern konnte“, so Düdelingens starker Schlussmann.
Ein selbstkritischer Trainer
Die Klasse, die seine Spieler auf dem Feld nachwiesen, zeigte Fangueiro am Ende eines langen Abends auch am Mikrofon. „Das Ziel, sich für eine europäische Gruppenphase zu qualifizieren, haben wir leider nicht geschafft. Ich bin jedoch extrem stolz auf das, was der Verein die vergangenen Wochen auf sämtlichen Ebenen geleistet hat.“
Angesprochen auf die Frage, ob eine Gruppenphasenqualifikation nicht zuletzt im Heimspiel gegen Yerevan verspielt wurde, widersprach Fangueiro nicht. „Im Rückspiel gegen Pyunik hatten wir alles in der eigenen Hand. Das Ausscheiden ist einzig und allein meine Schuld. Mir ist es ausgerechnet vor dem wichtigsten Spiel nicht gelungen, die Spieler mental adäquat vorzubereiten.“
Dass der Knackpunkt im Düdelinger Europapokalsommer die 1:4Heimniederlage gegen Yerevan
Ich hoffe, dass ich durch meine Leistung auch in puncto Nationalmannschaft Argumente liefern konnte. Lucas Fox
In Luxemburg sind wir ein großer Club, in Europa sind wir jedoch ganz klein. Carlos Fangueiro
war, darin besteht für die meisten kein Zweifel. Angesichts von drei teils haarsträubenden Geschenken wäre es für Fangueiro ein Leichtes gewesen, sich hinter den Fehlern seiner Spieler zu verstecken und die verpasste Qualifikation zur Gruppenphase an anderen individuellen Versäumnissen festzumachen. Der Trainer tat das Gegenteil. Der 45-Jährige stellte sich vor sein Team und nahm alle Schuld auf sich. Diese verbale Größe in der Niederlage stand der Leistungen seiner Spieler im Rückspiel gegen Poznan in nichts nach.