Das „Weichei“von der Rolle
Vuelta-Etappensieger Jay Vine gewinnt bei einer Online-Ausscheidung einen Profivertrag
An die Schattenseiten seines Traumberufs hat sich Jay Vine (Alpecin) noch nicht gewöhnt. „Ich bin ein kleines Weichei“, sagte der 26-Jährige nach seinem ersten Profisieg auf dem Rad. Wind und Regen hatten den Schlussanstieg der sechsten Vuelta-Etappe zum Pico Jano erschwert. Vine quälte sich, trotzte Fahrern wie Remco Evenepoel (B/Quick-Step) oder Enric Mas (E/Movistar) – und natürlich auch den Elementen.
Derartiges Schmuddelwetter ist nämlich so gar nichts für den Mann aus Townsville, einer Küstenstadt im Nordosten des australischen Bundesstaates Queensland. Wenn Regenwolken in seiner neuen Heimat Andorra die Hänge der Pyrenäen bedecken, sieht man Vine nur selten auf dem Rad. „Ich bereite mich immer noch gerne Indoor auf Rennen vor“, sagte er. Das hat sich schließlich bewährt.
Corona ändert alles
Vine nutzt die Plattform Zwift, in der Hobbyfahrer, Amateure sowie Profis auf der Rolle durch virtuelle Welten fahren. Mit Beginn der Corona-Pandemie stiegen die Nutzerzahlen, für Vine öffnete das Programm das Tor zur Karriere als
Radprofi. Er gewann eine OnlineAusscheidung, der Lohn: ein Vertrag in Europa, beim damaligen Team Alpecin-Fenix. Vine und Ehefrau Bre ergriffen die Chance, verkauften Anfang 2021 ihre Habseligkeiten in Australien und stürzten sich in das große Abenteuer. Mit intensivem Training auf der Rolle und guten Leistungen auf der Straße verdiente sich Vine – der amtierende E-Sport-Weltmeister des Radsport-Weltverbandes – eine Vertragsverlängerung. Bis 2023 ist er an das Team gebunden. Seit Donnerstag ist sein Marktwert deutlich gestiegen. „Es ist fast unwirklich, ein wahr gewordener Traum“, sagte Vine.
Dankbar war er seiner Mannschaft, viel mehr aber noch seiner
Frau. Ohne sie, weiß Vine, wäre es nicht gegangen. „Auf dem letzten Kilometer habe ich an sie gedacht. Sie hat in den letzten drei oder vier Jahren alles für mich getan, um mich an diesen Punkt zu bringen.“sid