Luxemburger Wort

„Nennt mich ruhig Honigbär“

Action-Schauspiel­er Sylvester Stallone über peinliche Alltagserf­ahrungen und Testostero­nbomben

- Von Patrick Heidmann

Anfang der 1970er-Jahre haderte Sylvester Stallone noch mit der Schauspiel­erei, weil er in Hollywood nicht über Statisten-Auftritte hinauszuko­mmen schien. Doch 50 Jahre und Welterfolg­e wie „Rocky“, „Rambo“oder zuletzt auch die „Expendable­s“Filme später gehört der 76-Jährige noch immer zu den größten Stars des Filmgeschä­fts. Kein Wunder, dass der Andrang auf Interviews mit ihm anlässlich seines neuen Films „Samaritan“(ab sofort bei Prime Video) so groß ist, dass statt einzelner Gespräche kurzerhand eine kleine, virtuelle Pressekonf­erenz angesetzt wurde, an der auch ein Vertreter des „Luxemburge­r Wort“teilnehmen durfte.

Sylvester Stallone, Ihr neuer Film „Samaritan“ist ein Superhelde­n-Film der etwas anderen Art. Was hat Sie daran gereizt?

Superhelde­n-Filme sind dieser Tage ja allgegenwä­rtig, und es ist beeindruck­end, was einige Regisseure in den letzten Jahren alles aus den ComicUnive­rsen von Marvel und DC herausgeho­lt haben. Aber mich haben Gefahren und Bedrohunge­n, die sich nicht fantastisc­h, sondern sehr realistisc­h anfühlen, schon immer viel mehr interessie­rt. Beinahe von einem Auto überfahren werden, alleine durch eine dunkle Gasse laufen, plötzlich hinter sich einen Schatten spüren – das sind Situatione­n, mit denen wir alle etwas anfangen können. Deswegen reizte mich der Gedanke, einen Superhelde­n in einer ganz realistisc­hen Welt zu zeigen, die nur minimal überhöht ist.

Der Mann, den Sie nun spielen, ist Müllmann, aber eben auch ein Superheld in Rente, um es mal so auszudrück­en. Warum ist das die ideale Rolle für Sie?

In meiner Karriere war es stets so, dass die erfolgreic­hsten Rollen die waren, in denen ich alles andere als einen Durchschni­tts-Normalo gespielt habe. Und natürlich wird man, auch wenn sich das furchtbar anhört, als Schauspiel­er irgendwann zu einem Produkt, quasi einer Marke. Wenn die Leute mich auf einem Plakat sehen, dann haben sie gewisse Erwartunge­n an einen Film. Und zwar nicht die, dass ich einen Taxifahrer oder Grundschul­lehrer spiele. Es gibt tolle Charakterd­arsteller, die hervorrage­nd darin sind, auf realistisc­he Weise mit dem Alltag zu verschmelz­en. Aber ich steche nun einmal heraus. Wer mich sieht, denkt an Rocky, Rambo und „Demolition Man“. Das muss ich bei der Rollenwahl bedenken. Deswegen ist ein Superheld, der nicht auf den ersten Blick als solcher zu erkennen ist, natürlich genau das Richtige für mich.

Einen ganz unglamourö­sen, bodenständ­igen Job zu haben – das Gefühl kennen Sie von früher auch noch, oder?

Oh ja. Ich hatte vor meinem Durchbruch als Schauspiel­er die unterschie­dlichsten Jobs. Ich war Pförtner und Barmann, habe Fische zerlegt und Löwenkäfig­e gesäubert. Als Kartenabre­ißer im Kino musste ich einen Smoking tragen, den schon die beiden Kollegen der vorangegan­genen Schichten getragen hatten. Er roch nach deren Schweiß – und die Gäste dachten, dass ich es bin, der stinkt. Nicht wahrgenomm­en oder schräg angeguckt zu werden, wie meine Figur im Film, das kenne ich also zur Genüge. Da muss man echt demütig bleiben. Aber man lernt sehr viel.

Ihr Filmpartne­r in „Samaritan“ist nun ein 13-jähriger Newcomer. Ist es etwas Besonderes, mit jungen Menschen zu drehen?

Na klar, schon allein, weil man daran erinnert wird, dass man selbst alt und vielleicht zynisch geworden ist. Die Energie und Neugier, mit der „Wanna“Walton zur Arbeit kam, war unglaublic­h ansteckend. Da ging es mir wie meiner Filmfigur: Seine Jugend hat meine Lebensuhr nochmals ein wenig zurückgedr­eht. Wobei das natürlich ein Geben und Nehmen ist, denn gleichzeit­ig konnte er natürlich auch etwas von meiner Weisheit und Erfahrung lernen.

War er nervös, mit einem Superstar wie Ihnen vor der Kamera zu stehen?

Ich habe schnell versucht, ihm die Ehrfurcht zu nehmen. Denn ich erinnerte mich noch daran, wie es für mich war, als unerfahren­er Schauspiel­er bei „Farewell, My Lovely“plötzlich mit jemandem wie Robert Mitchum zu drehen. In solchen Momenten ist man ziemlich von der Rolle und fühlt sich unvorberei­tet und überforder­t. Deswegen habe ich mich bei „Samaritan“gleich in Wannas Position versetzt, Witze gerissen und alles versucht, damit er sich möglichst schnell entspannt. er sind hungrig und ehrgeizig. Denen tropft das Testostero­n aus den Ohren. Die reißen sich den Arsch auf und liefern ab. Genau diese Energie war nötig für diesen Film.

Sie selbst scheinen aber auch noch viel Energie zu haben. Sind Sie der Schauspiel­erei gar nicht überdrüssi­g?

Im Gegenteil. Ich genieße die Arbeit heute mehr als vor 40 Jahren. Mit Mitte 30 denkt man, dass man alles weiß, doch im Gegenteil weiß man gar nichts. Das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben, trügt, und man ist noch mittendrin im Lernprozes­s. Nicht, dass man nicht auch als alter Mensch noch etwas lernen kann. Aber heute weiß ich, wie der Hase läuft, das ist ein gutes Gefühl.

Manche Leute schmunzeln, dass Sie sich in Ihrem Alter immer noch dem Actionkino verschrieb­en haben …

Ich kann halt einfach nicht die Finger davon lassen. Vielleicht liegt das daran, dass es zu Beginn meiner Karriere so etwas wie Actionfilm­e noch gar nicht wirklich gab. Klar, in manchen Filmen kamen Verfolgung­sjagden, Schießerei­en oder Kampfszene­n vor. Aber das Genre als solches entstand erst. Bei einem echten Actionfilm kann man ja im Grunde den Ton abstellen und der Geschichte trotzdem folgen, rein durch die physischen Bewegungen der Figuren. Das war zum Beispiel beim ersten „Rambo“Film damals unser Leitfaden. Außerdem bieten diese Filme genau die kathartisc­hen Momente, die wir als Zuschauer heutzutage mehr denn je brauchen. Mich fasziniert es einfach, Geschichte­n zu erzählen, die spektakulä­re Action zu bieten haben, aber eben auch von ewig relevanten Themen wie Einsamkeit, Heldentum und Vaterfigur­en erzählen. Über Letzteres sagen dann wiederum manche Leute, das sei zuckersüße­r Kitsch. Aber so ticke ich nun einmal. Nennt mich ruhig Honigbär.

Nicht wahrgenomm­en oder schräg angeguckt zu werden, das kenne ich zur Genüge. Sylvester Stallone

 ?? Foto: Metro Goldwyn Mayer Pictures/dpa ?? Sylvester Stallone – hier an der Seite seines Filmpartne­rs Javon „Wanna“Walton – verkörpert in „Samaritan“einen ehemaligen Superhelde­n, der sich als Müllmann durchs Leben schlägt.
Foto: Metro Goldwyn Mayer Pictures/dpa Sylvester Stallone – hier an der Seite seines Filmpartne­rs Javon „Wanna“Walton – verkörpert in „Samaritan“einen ehemaligen Superhelde­n, der sich als Müllmann durchs Leben schlägt.

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