„Es gibt kaum etwas Perverseres als Pelzfarmen“
Chantal Gary (Déi Gréng) über ihre erste Legislaturperiode als Abgeordnete
Für Chantal Gary (Déi Gréng) kam der Einzug ins Parlament überraschend: Als Drittgewählte auf der Ost-Liste rückte sie im Oktober 2019 für Henri Kox nach, der das Amt des Wohnungsbauministers und des delegierten Ministers für Verteidigung und innere Sicherheit übernahm. Der Sprung ins kalte Wasser liegt inzwischen fast drei Jahre zurück und die frisch gebackene Mutter eines bald dreimonatigen Söhnchens hat sich schnell in ihre neuen Aufgabenbereiche eingearbeitet.
Chantal Gary, mit welchen vier Adjektiven würden Sie sich beschreiben?
Ambitiös. Das ist eine Eigenschaft, die ich aus dem Sport mitbringe, die mir auch im Alltag zugutekommt. Ich habe gelernt, nicht aufzugeben, stets das Ziel im Blick zu behalten und zu verfolgen. Geduldig. Die Geduld habe ich wahrscheinlich von meinem Vater geerbt. Es ist hilfreich, wenn man nicht direkt auf Hunderttausend ist, sondern kurz Abstand nimmt und auf den richtigen Moment wartet. Offen. Ich habe Geografie studiert, was vielleicht auch ein bisschen dazu beiträgt, dass ich einen gewissen Weitblick habe. Und dann würde ich mich noch als empathisch beschreiben, das sagen mir auch andere.
Was hat Sie dazu bewogen, nationalpolitisch aktiv zu werden?
Es war mir immer schon ein Anliegen, anderen Menschen oder auch meinen Freunden Botschaften zu vermitteln. Wir stecken in einer extremen Klimakrise, einer Biodiversitätskrise, die Chancengleichheit ist noch nicht überall angekommen – das sind alles Themen, die ich sehr relevant finde. Ich will mir nicht irgendwann von meinen Kindern oder Enkelkindern vorwerfen lassen, dass wir nichts unternommen haben, obwohl wir uns der Lage bewusst waren. Deswegen habe ich entschieden, mich auf diesem Weg zu engagieren und zu versuchen, den Menschen die Botschaften näherzubringen, um etwas bewegen zu können. Angesichts dieser Themen lag es nahe, dass ich mich bei den Grünen engagieren würde.
Mit welchen Erwartungen traten Sie Ihr Mandat an und wurden diese erfüllt?
Ich mache Politik, weil ich etwas verändern will. Erstens, indem ich darauf aufmerksam mache, und zweitens, indem ich dann auch wirklich die Möglichkeit nutze, etwas zu tun. Natürlich ist nicht immer jeder derselben Meinung, aber so ist das eben in der Politik. Solange ich die Hoffnung habe, etwas erreichen zu können, will ich diesen Weg weitergehen. Hat man diese Hoffnung nicht, macht es keinen Sinn, sich zu engagieren. Aber solange ich daran glaube und Fortschritte sehe, ist Politik die richtige Wahl.
Wer ist Ihr politisches Vorbild und warum?
Meine Oma, Elisabeth KoxRisch, eine engagierte und starke Frau mit viel Energie. Sie hat sich in einer Zeit engagiert und auch mal gegen etwas gesprochen, als das für eine Frau noch nicht selbstverständlich war. Das finde ich bemerkenswert. In den 70er-Jahren ist sie aus der CSV ausgetreten und hat die Bürgerinitiative Museldall mitgegründet, deren Präsidentin sie auch war.
Durch die Bürgerinitiative und dieses Engagement wurde erreicht, dass in Remerschen kein Atomkraftwerk gebaut wurde, so wie es damals nicht nur der Plan für Cattenom war. Remerschen blieb davon verschont, deshalb haben wir dort heute ein wunderschönes Naturschutzgebiet, umgeben von den Weinbergen. Das finde ich sehr beeindruckend. Später ist sie auch für die Grünen mit in die Wahlen gegangen. Deswegen ist sie mein politisches Vorbild.
Für welchen Bereich interessieren Sie sich besonders und warum?
Das geht quer durch den Garten. Ich bin ein naturverbundener Mensch, der Erhalt der Natur liegt mir sehr am Herzen. Daran hängt dann auch die Landwirtschaft, gesunde Lebensmittel und Ernährung – das ist alles ein großer Kreis, der sich irgendwo schließt, wenn man etwa versucht, Biolebensmitteln ein bisschen mehr Reichweite zu geben. Bei unseren Kindern sind wir sehr darauf bedacht, dass sie möglichst gesund essen. Irgendwie geht das jedoch mit den Jahren verloren. Mir ist daran gelegen, dass auf die Umwelt geachtet wird, dass man einen gesunden Lebensstil hat, deshalb ist mir Sport auch so wichtig. Besonders in der Schule sollte er mehr gefördert werden. Wenn man aktiv ist, sich bewegt, in Form bleibt, fördert das auch die mentale Gesundheit, was ja im Moment ebenfalls ein großes Thema ist. Mobilität ist auch ein wichtiger Bereich, genau wie die Chancengleichheit, wo es noch zu viele Gräben gibt.
Welches parlamentarische Ereignis hat Sie bisher am meisten beeindruckt?
Ein exaktes Ereignis kann ich nicht nennen. Im negativen Sinn beeindrucken mich aber immer wieder die vielen populistischen Aussagen in der Chamber. Es erschreckt mich, inwieweit sie teilweise zum Alltag verschiedener Oppositionspolitiker gehören.
Welche persönlichen Lehren ziehen
Sie aus den vergangenen vier Jahren?
Ich empfinde es als superspannend, Politik an vorderster Front zu erleben und zu gestalten. Politik ist dennoch etwas ganz Spezielles, weil man von heute auf morgen auf alles achten muss, was man sagt und tut. Alles wird auf die Goldwaage gelegt. Da wird man ein bisschen ins kalte Wasser geworfen und muss lernen, mit diesen Situationen umzugehen. Im Allgemeinen lernt man, neu mit Situationen umzugehen. Darüber hinaus lernt man, vieles aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln zu analysieren und eben nicht nur die eine Meinung zu haben. Es ist wichtig, sich auch andere Stimmen anzuhören und danach zu überlegen, wie man die Dinge am besten angehen soll.
Ich will mir nicht irgendwann von meinen Kindern oder Enkelkindern vorwerfen lassen, dass wir nichts unternommen haben.
Was haben Sie sich für den Rest dieser Legislaturperiode noch vorgenommen?
Nichts Konkretes, ich will in den Bereichen weiterarbeiten, die mir wichtig sind. Was ich sehr wichtig finde, ist, dass man versucht, die Themen gut nach außen zu kommunizieren und nachvollziehbar zu erklären, wieso man auf etwas aufpassen muss oder wieso man etwas schützen soll. Wenn das Verständnis dafür besteht, gehen die Menschen gerne mit auf den Weg. Ich habe mir auf jeden Fall vorgenommen, nachvollziehbarer zu kommunizieren, um etwas zu erreichen.
Was verbirgt sich in Ihrem Abgeordnetenpult im Kammerplenum?
Das ist bei mir vielleicht etwas langweiliger, weil ich ein relativ ordentlicher Mensch bin: ein Bleistift und ein Kugelschreiber, Taschentücher und das Regelwerk der Chamber.
Im negativen Sinn beeindrucken mich immer wieder die vielen populistischen Aussagen in der Chamber.
Gibt es eine Entscheidung aus ihrer politischen Karriere, die Sie bereuen und heute anders handhaben würden?
Nein, in der kurzen Zeit war ich noch nicht so vielen kritischen Situationen ausgesetzt. Bisher gibt es also keine Entscheidung, die ich bereue. Ich kann mir aber vorstellen, dass das nicht ausbleibt, wenn man länger dabei ist.
Wenn Sie eine konkrete politische Entscheidung treffen könnten, welche wäre das?
Das Verbot von Pelzzucht und Pelzverkauf in Luxemburg, Europa und am liebsten weltweit. In Luxemburg ist Pelzzucht verboten, nicht aber der Pelzverkauf. In den Nachbarländern gibt es immer noch Pelzzucht. Es gibt kaum etwas Per
verseres und Überlebteres als Pelzfarmen. Dass Tiere von klein auf in engen Käfigen gezüchtet werden, nur um nachher ihren Pelz zu haben, ist wirklich überlebt.
Bei welchem historischen Ereignis wären Sie gerne dabei gewesen?
Beim Mauerfall 1989. Ich kann mir vorstellen, dass da ganz verrückte Emotionen zu erleben waren.
Welches Buch empfehlen Sie als Sommerlektüre?
Ich habe es eben erst gekauft, noch nicht gelesen, weiß demnach nicht, ob es gut ist, bin aber schon ganz gespannt: „The Power“von Naomi Alderman. Darin wird beschrieben, wie die Welt sein könnte, wenn sie von Frauen regiert würde.
Welche Serie oder welchen Film würden Sie für verregnete Tage empfehlen?
Die Dokumentarfilme von David Attenborough finde ich sehr spannend. Zuletzt hat er einen Dokumentarfilm herausgebracht, in dem er zeigt, wie sich die Welt während der Covid-Zeit verändert hat: „Das Jahr, das unsere Erde veränderte“. Und er kommt zu dem Fazit, dass wir tatsächlich die Gesundheit unseres Planeten ändern könnten, wenn wir uns dazu entscheiden würden.
Wie verbringen Sie am liebsten Ihre Zeit außerhalb der Chamber?
Am liebsten draußen, im Weinberg, im Garten, beim Sport oder auf einer schönen Terrasse mit Freunden. Die Arbeit in meinem eigenen kleinen Weinberg ist meine Hauptfreizeitbeschäftigung. Es ist noch ein junger Weinberg, ein Pinot Gris, im Moment mache ich rund 600 Flaschen im Jahr.
Werden Sie 2023 erneut bei den Chamber-Wahlen kandidieren?
Man weiß nie, was passiert, und muss natürlich auch als Kandidatin akzeptiert werden, ich habe es aber auf jeden Fall vor.
Chantal Gary fühlt sich tief mit der Moselregion verbunden. Wo sich ihre Großmutter einst gegen den Bau eines Atomkraftwerks einsetzte, ist auch heute ihre Heimat. „Es ist einfach ein anderes Lebensgefühl. Wenn man hierherkommt, fühlt es sich immer an wie Urlaub.“
Dass Tiere in engen Käfigen gezüchtet werden, nur um nachher ihren Pelz zu haben, ist wirklich überlebt.